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RA 01/2020 - Entscheidung des Monats

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Seit dem prägenden Urteil des BGH vom 03.02.2010, XII ZR 189/06, können Eltern die Geschenke, welche sie geschiedenen Ehegatten oder ehemaligen Lebensgefährten eigener Kinder gemacht haben, im Einzelfall zurückfordern.

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RA 01/2020 Zivilrecht 5 Die Zuwendung ist beiden Vertragsparteien „zumutbar“, weil sich der Schenker dem Grunde und der Höhe nach für ein bestimmtes Schenkungsversprechen entschieden hat. Hat der Schenker den Schenkungsvertrag erfüllt und das Geschenk zugewendet, stellt sich auch umgekehrt grundsätzlich nicht die Frage, ob es ihm zuzumuten ist, dem Beschenkten das Geschenk auch zu belassen, oder ob es dem Beschenkten zuzumuten ist, das Geschenk insgesamt oder teilweise zurückzugeben. Daher kann bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auch der Maßstab der Zumutbarkeit grundsätzlich nur die freie Entscheidung des Schenkers für die Zuwendung sein. Maßgeblich ist, ob und inwieweit die Kenntnis der veränderten Umstände diese Entscheidung beeinflusst hätte. [30] Ist die Schenkung mit der für den Beschenkten erkennbaren Vorstellung erfolgt, damit zur Grundlage eines (weiteren) dauerhaften Zusammenlebens der (Ehe-)Partner beizutragen, und rechtfertigt sich die Annahme, dass das Schenkungsversprechen nicht gemacht worden wäre, wäre für den Schenker das alsbaldige Ende dieses Zusammenlebens erkennbar gewesen, kann dem Schenker daher regelmäßig nicht zugemutet werden, sich unverändert an der Zuwendung festhalten lassen zu müssen. VI. Vertragsanpassung bei teilweiser Zweckerreichung Fraglich ist, wie eine Vertragsanpassung aussehen könnte, zieht man in die Überlegung mit ein, dass das Zusammenleben ca. 21 Monate andauerte und der Zweck der Schenkung damit zumindest teilweise erreicht wurde. In Betracht käme einerseits, die ersparte Miete der L anzurechnen. [33] Das Festhalten am (unveränderten) Vertrag ist der Klägerin auch nicht deshalb zuzumuten, weil ihre Tochter insgesamt mindestens vier Jahre in dem mit den schenkweise zugewandten Beträgen finanzierten Haus gewohnt hat. Denn der Anspruch der Klägerin aus § 313 I BGB ist mit dem Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Trennung der Partner entstanden. Die weitere Nutzung der Immobilie durch die Tochter der Klägerin ist hierfür ohne Bedeutung. In Betracht käme eine weitere Berechnungsmethode. Bei dieser wird der gezahlte Gesamtbetrag auf die Restlebenserwartung umgelegt, um den Wert eines Jahres zu ermitteln. Dieser Wert wird mit der Anzahl der Jahre multipliziert, welche die Lebensgemeinschaft bestanden hat. Diese Summe wird vom Rückforderungsanspruch wegen teilweiser Zweckerreichung subtrahiert. Dies setzt allerdings voraus, dass eine Vertragsanpassung der K überhaupt zuzumuten ist und ihr nicht anstelle dessen ein Rücktrittsrecht gem. § 313 III 1 BGB zuzuerkennen ist. [35] Ist die Geschäftsgrundlage eines Vertrages weggefallen, (…) kann nach § 313 I BGB grundsätzlich nur eine Anpassung des Vertrags verlangt werden. Nur wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Partei nicht zumutbar ist, kann die durch den Wegfall benachteiligte Vertragspartei nach § 313 III BGB vom Vertrag zurücktreten oder ein Dauerschuldverhältnis kündigen. [36] Dieser Vorrang der Anpassung gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Parteien in Voraussicht der veränderten Umstände den Vertrag nicht mit anderem Inhalt, sondern gar nicht geschlossen hätten. (…) Daher ist eine Vertragsanpassung im Allgemeinen dann als unzumutbar anzusehen, wenn sie nur zu einem Vertragsinhalt führen kann, der einer © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Dieser Satz ist entscheidend für das Verständnis des Urteils: Der X. Senat sucht die Konfliktlösung allein in der freien Entscheidung des Schenkers. Das Gericht sieht im kurzfristigen Scheitern des Zusammenlebens ein vollständiges Scheitern der Zweckvorstellungen der Schenkerin und sieht allein hierin die Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Schenkung. Der X. Zivilsenat sieht in der Anrechnung der ersparten Miete offensichtlich keine Lösung. Er folgt dabei konsequent dem oben ermittelten Ergebnis zur Auslegung des Parteiwillens. Es ging K nicht darum, der Tochter Miete zu ersparen, sondern der L einen Lebensmittelpunkt für ihre Lebensgemeinschaft zu verschaffen. Weiter unten wird deutlich, warum der X. Senat eine fiktive Anrechnung ersparter Miete nicht in Erwägung zieht. Diese Methode findet sich im Beschluss des OLG Bremen vom 17.08.2015, RA 2015, 522, 5 UF 52/15. Obwohl nicht unkompliziert, findet sie in der Praxis Verbreitung, so im vorliegenden Fall durch das Berufungsgericht, das OLG Brandenburg. Es verurteilte B zur Rückzahlung von 91,6 % der geschenkten Summe gem. § 313 I BGB. Vorrang der Vertragsanpassung Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts gem. § 313 III 1 BGB ist, dass die Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn die Vertragsanpassung zu einem Vertragsinhalt führt, die einem hypothetischen Parteiwillen nicht standhält.

6 Zivilrecht RA 01/2020 Fraglich ist, ob der X. Zivilsenat den Fall des „Schwiegerelterngeschenkes“ hier anders löst als der XII. Zivilsenat in den Entscheidungen BGH, Urteil vom 03.02.2010, XII ZR 189/06 sowie im Beschluss vom 26.11.2014, XII ZB 666/13. Im ersten Fall wurde die Frage einer teilweisen Zweckerreichung nicht aufgeworfen, im zweiten hob der BGH durch Beschluss die Entscheidung des OLG auf, weil ebendiese Feststellungen zum Schenkungswillen fehlten, auf die der X. Senat hier entscheidend abstellt. Ferner schreibt der X. Zivilsenat in dieser Entscheidung in Rn 44: „Überdies hat der XII. Zivilsenat mitgeteilt, dass die Beurteilung des Streitfalls im Ergebnis auch sachlich nicht in Widerspruch zu einer von ihm getroffenen Entscheidung steht, insbesondere die quotenmäßige Berechnung eines Rückzahlungsbetrages, wie sie vom Berufungsgericht vorgenommen wurde, auch nach seiner Auffassung den Anforderungen des § 313 I BGB nicht gerecht wird.“ Aus diesem Grund legte der X. Zivilsenat den Fall nicht dem Großen Senat in Zivilsachen vor. Die aufgeworfenen Fragen zum Rücktrittsrecht aus § 313 III 1 BGB wurden bereits in den Ausführungen zu § 313 I BGB beantwortet. Die Ausführungen können hier knapp bleiben. Überprüfung am Maßstab eines hypothetischen Parteiwillens nicht standhält und den zumindest eine Partei in Kenntnis der geänderten Umstände nicht vereinbart hätte. [37] Dies hat für den Schenkungsvertrag grundlegende Bedeutung. Denn insbesondere in den hier in Rede stehenden Fällen der Zuwendung von zum gemeinsamen Wohnen bestimmtem Grund- oder Wohnungseigentum oder von zu deren Erwerb bestimmten erheblichen Geldbeträgen liegt es regelmäßig fern, dass die Entscheidung des Schenkers über das Ob der Zuwendung und die Höhe des zugewendeten Betrages davon abhängt, mit welcher voraussichtlichen Dauer der gemeinsamen Nutzung er rechnet. Bleibt diese Dauer hinter dem vorstellbaren Maximum zurück, kann sich mit Blick auf die Geschäftsgrundlage vielmehr regelmäßig nur die Frage stellen, ob der Schenker in Kenntnis dieses Umstands von der Schenkung abgesehen oder sie gleichwohl - und im Zweifel in gleicher Höhe - versprochen hätte. Eine Anpassung, wie sie das Berufungsgericht mit der Zuerkennung einer Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 91,6% des Wertes des Geschenks vorgenommen hat, verfehlt daher regelmäßig den mutmaßlichen Parteiwillen. (…) [39] Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die Klägerin dem Beklagten aus ihrem Vermögen nichts zugewendet, wenn dieser nicht in einer Lebensgemeinschaft mit ihrer Tochter zusammengelebt und alle Beteiligten an den Fortbestand dieser Lebensgemeinschaft geglaubt hätten. Demnach hätte die Klägerin in Voraussicht des Umstands, dass die Lebensgemeinschaft kurze Zeit später scheitern würde, die Schenkung unterlassen und folglich auch keinen geringeren Betrag zugewendet. Eine Anpassung des Schenkungsvertrags auf einen geringeren Betrag ist für die Klägerin deshalb nicht zumutbar. Ein Anspruch auf Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB besteht nicht. D. Anspruch auf Rückzahlung aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. § 346 I, 313 III 1 BGB Fraglich ist, ob K gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. § 346 I BGB hat. Dann muss sich der Schenkungsvertrag durch Rücktritt in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt haben. Eine Rücktrittserklärung gem. § 349 BGB liegt konkludent im Rückzahlungsbegehren, das K an B richtete. Das Rücktrittsrecht aus § 313 III 1 BGB fordert zum einen das Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 313 I BGB und zum anderen, dass eine Vertragsanpassung nicht zumutbar ist. Beides wurde hier bereits festgestellt. E. Ergebnis Folglich hat K gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung der gesamten Summe aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 346 I, 313 III 1 BGB. FAZIT Hätte eine Mutter oder ein Vater vorausgesehen, dass ein geschenktes Grundstück oder zum Erwerb eines solchen geschenktes Geld den Zweck der Sicherung einer dauerhaften Lebensgemeinschaft des Abkömmlings verfehlt und wäre die Schenkung in diesem Fall unterblieben, besteht ein Rücktrittsrecht gem. § 313 III 1 BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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