Aufrufe
vor 3 Jahren

RA 03/2021 - Entscheidung des Monats

Im „Gutachterfall“ des BGH (RA 2014, 353, VIII ZR 275/13) erkannte der BGH für den Verbrauchsgüterkauf § 439 II BGB als Anspruchsgrundlage an. Käufer sollten, unabhängig davon, ob der Verkäufer den Mangel zu vertreten hatte, einen Anspruch auf Erstattung von Gutachterkosten haben. Später erweiterte der BGH seine Rechtsprechung beim Verbrauchsgüterkauf auf Anwaltskosten (Urteil vom 24.10.2018, VIII ZR 66/17). In der vorliegenden Entscheidung geht das LG Saarbrücken über diese BGH-Urteile hinaus.

114 Zivilrecht

114 Zivilrecht RA 03/2021 eigentlich dem Käufer die Darlegung des Mangels. Etwas anderes würde gelten, wenn § 477 BGB im Falle einer innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Mangelerscheinung eine Darlegungs- und Beweislastumkehr anordnen würde. Dann würde im Zweifel vermutet, dass ein Mangel im Sinne des § 434 BGB bereits zur Zeit der Übergabe vorhanden war. An der Verbrauchereigenschaft des K bestehen hier ebenso wenig Zweifel wie an der Unternehmereigenschaft des B. e.A.: Käufer muss einen Grundmangel darlegen, ursprüngliche BGH-Rechtsprechung seit Urteil vom 02.06.2004, VIII ZR 329/03 Urteil des EuGH C-497/13 („Faber“), RA 2015, 355 a.A.: Aktuelle BGH-Rechtsprechung seit dem Urteil vom 12.10.2016, VIII ZR 103/15, RA 2017, 1 ff. B hat die Mangelvermutung nicht widerlegen können. 1. Verbrauchsgüterkauf gem. § 474 BGB Dies setzt einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB voraus. B handelte ausschließlich in Ausübung der gewerblichen Tätigkeit und ist folglich gem. § 14 BGB Unternehmer. K schloss den Vertrag ausschließlich zu privaten Zwecken und ist gem. § 13 BGB Verbraucher. Es handelt sich beim PKW um eine bewegliche Sache. Ein Verbrauchsgüterkauf liegt vor. 2. Mangelerscheinung innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang Der Motorschaden trat 10 Tage nach der Übergabe auf. Fraglich ist, ob der Vortrag einer Mangelerscheinung genügt, um das Vorliegen eines Mangels zu vermuten. Man kann nämlich der Auffassung sein, dass aufgrund der Formulierung in § 477 BGB „zeigt sich ein Mangel“ die Verpflichtung des Käufers bestünde, einen Grundmangel darzulegen und zu beweisen. Dem steht aber Art. 5 III der Richtlinie 1999/44/EG entgegen. Danach muss der Verbraucher weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist. Deshalb genügt bereits der Vortrag einer Mangelerscheinung innerhalb der ersten 6 Monate seit Gefahrübergang, um die Vermutung eines Mangels bei Gefahrübergang auszulösen. Eine solche liegt mit dem Motorschaden vor. Fraglich bleibt, ob B mit dem Vortrag, im Motor sei Wasser festgestellt worden, diese Mangelvermutung gem. § 477 a. E. widerlegt hat. [7] Zu Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass der gekaufte BMW einen für den Nacherfüllungsanspruch erforderlichen Mangel i.S.d. § 434 BGB aufwies. Bei einem wie hier zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 Abs. 1 BGB wird das Vorliegen eines Mangels im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs gem. § 477 Halbs. 1 BGB vermutet, wenn sich an der Kaufsache innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) – wie hier in Gestalt eines Motorschadens – gezeigt hat (...). Soweit das Erstgericht der unter Beweis gestellten Behauptung des Beklagten, im Motor hätten sich erhebliche Wassermengen befunden, was für ein Fahren trotz steigender Motortemperaturen bis in den roten Bereich spreche, nicht nachgegangen ist, ist dies angesichts der selbst nach Darstellung der Beklagten offenbar nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass der Motorschaden gleichwohl auf einen Mangel zurückzuführen ist, nicht zu beanstanden und wird auch von der Berufungserwiderung nicht in Frage gestellt. Folglich ist hier von einem Sachmangel i.S.d. § 434 I 2 Nr. 2 BGB bei Gefahrübergang auszugehen. Der Verkäufer kennt regelmäßig nicht den Zustand der Teile innerhalb des Motors. III. Vertretenmüssen B muss den Mangel gem. § 276 BGB zu vertreten haben. Aufgrund der Schilderung des K war vor dem Motorschaden ein Knall aus dem Motorraum zu hören. Für ein Verschulden des B liegen keine Anhaltspunkte vor. K hat gegen B keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2021 Zivilrecht 115 B. Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. § 439 II BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung der Transportkosten in Höhe von 2.354,31 € aus § 439 II BGB haben. Dies setzt einen Nacherfüllungsanspruch des K gegen B aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB voraus, ferner, dass der Leistungsort bei B liegt und schließlich, dass § 439 II BGB eine eigenständige, verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage ist. I. Anspruch K gegen B aus §§ 437 Nr. 1, 439 I 1. Alt. BGB Die Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs, nämlich Kaufvertrag, Gefahrübergang, Sachmangel zur Zeit des Gefahrübergangs wurden bejaht. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. 1. Leistungsort der Nacherfüllung Fraglich ist aber, ob der Leistungsort der Nacherfüllung bei B liegt. Zur Zeit des Auftretens des Motorschadens befand sich die Sache in der Türkei. Der Verkäufer hat seinen Geschäftssitz in Deutschland. Ein Anspruch auf Erstattung der Transportkosten des PKW aus der Türkei nach Deutschland setzt voraus, dass sich bei B der Leistungsort der Nacherfüllung befindet. [9] Der Ort, an dem die Nacherfüllung zu erbringen ist, richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Kaufrecht nach der allgemeinen Vorschrift des § 269 Abs. 1, 2 BGB, wonach bei einem Fehlen vertraglicher Vereinbarungen über den Erfüllungsort auf die jeweiligen Umstände, insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen ist und dass dann, wenn sich hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen lassen, der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln ist, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohn- oder Geschäftssitz hatte (…). Damit wäre hier mangels anderweitiger Anhaltspunkte der Ort der Niederlassung des Beklagten als Nacherfüllungsort anzunehmen. [10] Allerdings ist die Richtlinie 1999/44/EG (…) (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) bei der rechtlichen Bewertung eines Verbrauchsgüterkaufs zu berücksichtigen. Der EuGH hat insoweit klargestellt, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie zwar keine Regelung über den Erfüllungsort enthält, dass aber das nationale Gericht verpflichtet ist, die nationalen Vorschriften zum Erfüllungsort so auszulegen, dass diese mit dem Ziel der Richtlinie vereinbar sind. Danach muss der Erfüllungsort für eine unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands binnen einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher geeignet sein, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigt, zu berücksichtigen sind. [11] Ob sich vor diesem Hintergrund der Erfüllungsort, wie das Erstgericht annehmen will, vorliegend auf den Belegenheitsort des defekten Fahrzeugs verlagert hatte, ist zumindest zweifelhaft. Zwar bedeutete eine Nacherfüllung am Sitz des Verkäufers hohe Transportkosten und nicht unerheblichen Organisationsaufwand für den Kläger (…). Jedoch ist zu beachten, dass im deutschen Recht die Unannehmlichkeit aus der Transportverpflichtung, die sich – wie hier – aus der großen Entfernung und der Sperrigkeit des Kaufgegenstands für den Käufer ergibt, dadurch ausgeglichen wird, dass dem Käufer – anders als dies die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorsieht – ein Vorschussanspruch hinsichtlich der Transportkosten zusteht (§§ 439 Abs. 2, 475 Abs. 4 BGB). Dementsprechend liegt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers auch dann vor, wenn seine Bereitschaft, die Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung zu verbringen, nur wegen der Nach der Rechtsprechung des BGH richtet sich die Bestimmung des Leistungsortes nach § 269 I BGB. Regelmäßig liegt er beim Verkäufer, BGH, Urteil vom 19.07.2017, VIII ZR 278/16 (Gebrauchtwagen); BGH, Urteil vom 19.12.2012, III ZR 96/12 (Kauf eines gebrauchten Motorkajütbootes mit Trailer). Urteil des EuGH vom 23.05.2019, C-52/18 („Fülla“): Nationale Regelungen zum Erfüllungsort müssen so ausgelegt werden, dass sie mit dem Ziel der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vereinbar sind. Argumente für den Leistungsort am Belegenheitsort der Sache Argumente für den Leistungsort am Niederlassungsort des Verkäufers: Der Vorschussanspruch aus §§ 439 II, 475 IV BGB © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA - Digital

Rspr. des Monats