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RA 04/2017 - Entscheidung des Monats

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170 Zivilrecht

170 Zivilrecht RA 04/2017 die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. PRÜFUNGSSCHEMA Klausurhinweis: Das Landgericht Hildesheim zitiert im Urteil § 31 BGB in direkter und nicht in analoger Anwendung. Volkswagen ist kein Verein, sondern eine AG. Auf diese findet nach allgemeiner Meinung § 31 BGB analoge Anwendung. In Klausuren sollte § 31 BGB deshalb analog zitiert werden. Verschweigen einer gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung und Inverkehrbringen der damit ausgestatteten Fahrzeuge als Schädigungshandlung Kein verständiger Kunde hätte den PKW im Wissen um die nicht gesetzeskonforme Motorsteuerungssoftware erworben. Die Motorsteuerungssoftware verstößt gegen Art. 5 II i.V.m. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 A. Anspruch gem. § 826 i.V.m. 31 BGB analog I. Zufügung eines Schadens II. Zurechnung analog § 31 BGB III. Sittenwidrigkeit der Handlung IV. Vorsatz V. Rechtsfolge B. Ergebnis LÖSUNG A. Anspruch gem. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises i.H.v. 26.500 € aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog haben. Dazu müsste B dem K in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt haben. I. Zufügung eines Schadens In den Fahrzeugen der Marke Skoda war die Motorsteuerungssoftware so programmiert, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sog. Modus 1 versetzte. Die schädigende Handlung liegt daher in dem Inverkehrbringen von Dieselmotoren unter Verschweigen dieser gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung zum Zweck des Weiterverkaufs. Jura Intensiv „K hat dadurch einen Vermögensschaden erlitten. Dieser besteht darin, dass er in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen hat. Dass es sich bei diesem Vertrag um einen für K wirtschaftlich nachteiligen handelt, zeigt schon die Überlegung, dass kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn B ihn vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform sei und er deshalb jedenfalls mit Problemen für den Fall der Entdeckung der Manipulation durch das KBA rechnen müsse. K hat nicht das bekommen, was ihm aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug. [Denn] die streitgegenständliche Programmierung der Motorsteuerungssoftware ist gesetzeswidrig. In der Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, liegt ein Verstoß gegen Art. 5 II i.V.m. Art. 3 Nr.10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2017 Zivilrecht 171 hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Bei verständiger Auslegung muss die von B installierte Programmierung als Abschalteinrichtung angesehen werden. Denn sie setzt die zu einem geringeren Stickoxidausstoß führende, ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der Motorsteuerung im Modus 1 für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der Straße höher ist als auf dem Prüfstand. Umgekehrt wird die im normalen Fahrbetrieb wirksame Programmierung etwa für die Abgasrückführung auf dem Prüfstand außer Kraft gesetzt, indem die Motorsteuerung den sog. Modus 0, nämlich den Betriebszustand für den normalen Fahrbetrieb auf der Straße, zu Gunsten eines ausschließlich für den Prüfstandbetrieb bestimmten Modus abschaltet. Dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich eine Einwirkung auf das Emissionskontrollsystem vorhanden ist oder aber lediglich eine Einwirkung auf einen innermotorischen Vorgang erfolgt. Schon die Testzykluserkennung i.V.m. einer ausschließlich im Testzyklus erfolgenden Einwirkung auf die Abgasrückführung ist ein Verstoß gegen das Verbot von Abschalteinrichtungen. Zudem liegt auf der Hand, dass auch eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll ist und einen Vergleich von Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglicht, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der Straße gegeben ist, da ansonsten Tricks und Manipulationen jedweder Art Tür und Tor geöffnet würden und eine Vergleichbarkeit selbst unter den dem realen Fahrbetrieb fernen, genormten Prüfstandbedingungen nicht mehr herzustellen wäre. Eine ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung der Abgasbehandlung kann deshalb nur als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften angesehen werden.“ II. Zurechnung analog § 31 BGB Die schädigende Handlung müsste B auch zurechenbar sein. In Betracht kommt eine Zurechnung analog § 31 BGB. Jura Intensiv „Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Davon ist für die hier zu treffende Entscheidung auszugehen. Denn B ist ihrer sekundären Darlegungslast zu der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, nicht nachgekommen. [Es muss daher] davon ausgegangen werden, dass dies vom Vorstand angeordnet oder doch jedenfalls „abgesegnet“ worden ist.“ III. Sittenwidrigkeit der Handlung Weiterhin müsste das Verhalten auch gegen die guten Sitten verstoßen haben. Dies ist der Fall, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr.). Umgehung der einschlägigen Vorschriften Technische Beschreibung der Auswirkungen der Motorsteuerungssoftware Zurechnung des schädigenden Verhaltens über § 31 BGB analog, da der Vorstand der Volkswagen den Einbau der Software zumindest „abgesegnet“ hat Eine solche sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der (primär) darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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