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RA 04/2019 - Entscheidung des Monats

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218 Strafrecht

218 Strafrecht RA 04/2019 Tatentschluss ist der Wille zur Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale beim gleichzeitigen Vorliegen der besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale. I. Tatentschluss 1. Bzgl. des Grunddelikts, §§ 249 I, 25 II StGB a) Bzgl. qualifizierter Nötigungsmittel F und S wollten qualifizierte Nötigungsmittel anwenden, nämlich sowohl Gewalt gegen eine Person als auch Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben. b) Bzgl. fremder beweglicher Sache F und S wussten, dass die Cannabis-Pflanzen und die technischen Geräten im Eigentum des N standen, also für sie fremde bewegliche Sachen darstellten. BGH, Beschluss vom 02.12.2010, 4 StR 476/10, NStZ-RR 2011, 80 BGH, Beschluss vom 13.10.2005, 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38; Schönke/Schröder, StGB, § 249 Rn 2 c) Bzgl. Wegnahme F und S müssten auch Tatentschluss bzgl. der Wegnahme dieser Sachen gehabt haben. Sie hatten sich vorgestellt, dass sich die Sachen in der Plantage des N, also in seiner Gewahrsamssphäre befinden würden. Somit hatten sie Tatentschluss bzgl. fremden Gewahrsams. Durch die geplante Mitnahme der Sachen wollten sie auch neuen Gewahrsam begründen. Sie müssten auch Tatentschluss bzgl. eines Gewahrsamsbruchs gehabt haben. Nach der Spezialitätstheorie richtet sich das Vorliegen eines Gewahrsamsbruchs i.R.v. § 249 I StGB nach dem äußeren Erscheinungsbild. F und S wollten die Sachen ohne weitere Mitwirkung des N aus der Plantage entfernen, sodass sie sich ein Geschehen vorstellten, dass vom äußeren Erscheinungsbild eine Wegnahme darstellen würde. „[6] Bei der erzwungenen Preisgabe des Versteckes einer noch wegzunehmenden Beute handelt es sich um einen (versuchten) Raub. Die mittäterschaftlich handelnden Angeklagten haben den Nebenkläger allein deshalb gefesselt, geschlagen und bedroht, um die spätere Wegnahme der am Ort der Plantage erwarteten Gegenstände zu ermöglichen.“ F und S hatten also Tatentschluss bzgl. einer Wegnahme. d) Bzgl. § 25 II StGB F und S hatten sich vorgestellt, die Tat aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses im Wege arbeitsteiligen Zusammenwirkens auszuführen, hatten also Tatentschluss bzgl. einer mittäterschaftlichen Begehung i.S.v. § 25 II StGB. BGH, Urteil vom 22.06.2016, 5 StR 98/16, RA 2016, 553; Urteil vom 20.01.2016, 1 StR 398/15, RA 2016, 381 e) Finalzusammenhang F und S haben die qualifizierten Nötigungsmittel angewendet, um die geplante Wegnahme zu ermöglichen, sodass der für einen Raub erforderliche Finalzusammenhang gegeben ist. Allerdings setzt § 249 I StGB auch einen raum-zeitlichen Zusammenhang zwischen qualifiziertem Nötigungsmittel und Wegnahme voraus, den F und S sich vorgestellt haben müssten. „[6] […] Der zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme erforderliche örtliche und zeitliche Zusammenhang war nach den Feststellungen gegeben, da einer der Täter den Nebenkläger bewachte, während die anderen die Plantage suchten und dabei telefonischen Kontakt mit dem Bewacher hielten.“ © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2019 Strafrecht 219 f) Zueignungsabsicht F und S hatten die Absicht, die Wertsachen ihrem eigenen Vermögen einzuverleiben (Aneignungsabsicht) und den Berechtigten dauerhaft aus der Eigentümerposition zu verdrängen (Enteignungswille), haben also mit Zueignungsabsicht gehandelt. g) Bzgl. Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung F und S wussten, dass sie keinen Anspruch auf die beabsichtigte Zueignung hatten und hatten deshalb Tatentschluss bzgl. der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung. 2. Bzgl. der Qualifikation, § 250 I StGB a) Bzgl. § 250 I Nr. 1a) StGB F und S könnten Tatentschluss bzgl. des Beisichführens eines anderen gefährlichen Werkzeugs, § 250 I Nr. 1a) 2. Fall StGB, gehabt haben. Dann müsste das Klebeband ein anderes gefährliches Werkzeug i.S.v. § 250 I Nr. 1a) 2. Fall StGB darstellen. Da § 250 I Nr. 1a) StGB – anders als § 224 I Nr. 2 StGB – eine Verwendung des Werkzeugs nicht voraussetzt – kann die Gefährlichkeit des Werkzeugs sich beim schweren Raub auch nicht aus der konkreten Verwendung des Werkzeugs ergeben. Deswegen lässt sich die Definition des § 224 I Nr. 2 StGB, die aber gerade hierauf abstellt, nicht übertragen. Streitig ist, wie die Gefährlichkeit des Werkzeugs bei § 250 I Nr. 1a) StGB dann zu bestimmen ist. Eine Meinung stellt auf die abstrakt mögliche Verwendung des Werkzeugs ab, ob dieses also generell als Verletzungswerkzeug i.S.v. § 224 I Nr. 2 StGB eingesetzt werden könnte. Nach dieser Meinung wäre das Klebeband ein anderes gefährliches Werkzeug, da man mit diesem – insb. durch Abkleben der Atemwege – erhebliche Verletzungen zufügen könnte. Andere Meinungen halten die typische oder die vom Täter vorgestellte Verwendung für maßgeblich oder aber verlangen einen „single-use-Gegenstand“, der also in der konkreten Tatsituation keine andere Verwendung haben kann als die als Verletzungswerkzeug i.S.v. § 224 I Nr. 2 StGB. Die Verwendung eines Klebebandes zur Verletzung des Opfers ist beim Raub aber weder typisch noch hatten F und S sich eine solche vorgestellt und offensichtlich konnten sie das Klebeband auch anders einsetzen denn als Verletzungswerkzeug. Nach diesen Meinungen wäre das Klebeband also kein anderes gefährliches Werkzeug. Der BGH geht davon aus, dass hier eine objektiv-individuelle Einzelfallbetrachtung erforderlich sei. Auch eine solche würde aber das Klebeband nicht als gefährliches Werkzeug erscheinen lassen. Wenn man für die Gefährlichkeit nur auf die abstrakt mögliche Verwendung abstellen würde, dann würde der Qualifikationstatbestand des § 250 I Nr. 1a) StGB ausufern und das Grunddelikt faktisch leerlaufen, weswegen dieser Lösungsansatz abzulehnen ist. Nach den anderen Meinungen haben F und S also keinen Tatentschluss zum Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs. Für abstrakt mögliche Verwendung: Schroth, NJW 1998, 2864; Hörnle, JURA 1998, 169 Für typische Verwendung: Krey/ Hellmann/Heinrich, BT II, Rn 185 Für vorgestellte Verwendung: Wessels/Hillenkamp, BT II, Rn 275; Graul, JURA 2000, 204 Für „single-use Gegenstand“: Schlothauer/Sättele, StV 1998, 505 BGH, Beschluss vom 21.07.2012, 5 StR 286/12, RA 2012, 586 b) Bzgl. § 250 I Nr. 1b) StGB „[6] […] Im Hinblick auf den von allen Tätern gebilligten Einsatz des mitgebrachten Klebebands zur Fesselung und Knebelung ist der Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB erfüllt.“ © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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