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RA 06/2020 - Entscheidung des Monats

Wer als Käufer im Internet kauft, muss beim dortigen Online-Warenhandel in der Regel vorleisten. Dies ist für ihn nicht ohne Risiko, denn dort tummeln sich bekanntlich auch Betrüger. Die Rechtsverfolgung ist erschwert, weil sich Käufer und Verkäufer nicht persönlich kennen. Das Risiko minimierte bereits der Zahlungsdienstleister PayPal, der dem Käufer schnelle Rückzahlung verspricht, wenn sich dieser über die Leistung beschwert. Der Verkäufer muss dann seine Forderung einklagen und sich auf einen Rechtsstreit mit dem unzufriedenen Käufer einlassen. Hierzu hat der VIII. Zivilsenat des BGH bereits mit seinem Urteil vom 22.11.2017, ZR 83/16 Stellung genommen. Mit der hier vorliegenden Entscheidung zum Amazon Marketplace führt der Senat seine Rechtsprechung fort.

282 Zivilrecht

282 Zivilrecht RA 06/2020 LÖSUNG Der Vertragsschluss war hier unstreitig. A. Anspruch der V gegen K auf Kaufpreiszahlung aus Kaufvertrag gem. § 433 II BGB V könnte einen Anspruch gegen K auf Zahlung des Kaufpreises aus einem zwischen beiden geschlossenen Kaufvertrag gem. § 433 II BGB haben. I. Anspruch entstanden V und K schlossen einen Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von 1.316 €. II. Anspruch erloschen 1. Erfüllung gem. § 362 BGB Ein Anspruch erlischt gem. § 362 I BGB, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Problematisch ist, dass der Geldbetrag zunächst vom Konto des K abgebucht und auf dem Konto der V gutgeschrieben und danach zurückgebucht wurde. BGH, Urteil vom 22.11.2017, ZR 83/16, Rn 23 ff. [11] Der Kaufpreisanspruch der Klägerin ist durch die vorbehaltlose Gutschrift des geschuldeten Betrags auf ihrem Amazon-Konto erloschen. Das Risiko der Rückbuchung bei erfolgreicher Inanspruchnahme der Amazon A-bis-z-Garantie steht der Erfüllungswirkung nicht. [12] Die Erfüllungswirkung ist durch die Rückbuchung nicht rückwirkend entfallen. Eine vertraglich vereinbarte auflösende Bedingung für den Fall der Rückbuchung ist ebensowenig anzunehmen wie ein vereinbarter Vorbehalt der Rückforderung. Auch insoweit ist die hier vorliegende Fallgestaltung vergleichbar mit der vom Senat entschiedenen Konstellation einer Rückbuchung nach der Gewährung des PayPal-Käuferschutzes. Die Entscheidung über die Rückbuchung des Kaufpreises bei einem erfolgreichen A-bis-z-Garantieantrag erfolgt auch hier nicht im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, sondern beruht auf einer besonderen Dienstleistungsabrede zwischen Amazon und dem Käufer, wobei allein Amazon die Befugnis eingeräumt ist, eigenständig zu entscheiden, ob der Kaufpreis erstattet wird. Damit steht fest, dass der Anspruch zunächst wegen Erfüllung erloschen ist. 2. Wiederaufleben der Kaufpreisforderung Fraglich ist, ob die Kaufpreisforderung nach der Rückbuchung des Vertrages wieder entstanden ist. Dies kann nur aufgrund einer gültigen Abrede der Parteien geschehen sein. Der BGH sieht eine stillschweigende Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer zur Wiederbegründung der Forderung, wenn beide die Bedingungen des Amazon Marketplace akzeptiert haben. Entscheidend: Ob tatsächlich ein Fall der A-bis-z-Garantie vorlag, ist unerheblich. [13] Mit dem Abschluss des Kaufvertrags über die Plattform Amazon Marketplace haben die Vertragsparteien indes bei Vertragsschluss stillschweigend vereinbart, dass die getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn - wie vorliegend geschehen - das Amazon-Konto der Klägerin nach einem erfolgreichen A-bis-z-Garantieantrag rückbelastet wird. Hierbei ist unerheblich, ob die Voraussetzungen der A-bis-z-Garantie tatsächlich vorlagen. Dies ergibt sich nach Maßgabe der gebotenen - dem Senat selbst möglichen - nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2020 Zivilrecht 283 [14] Der Erklärungsgehalt der bei Abschluss des Kaufvertrags über die Plattform Amazon Marketplace abgegebenen Willenserklärungen (§ 133, BGB § 157 BGB) richtet sich auch nach den den Kauf von Marketplace- Artikeln betreffenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon, denen - wie das Landgericht von der Revision unbeanstandet festgestellt hat - die Parteien vor der Nutzung der Internetplattform zugestimmt haben. Hierzu gehören insbesondere die unter der Überschrift „Voraussetzungen für die Beantragung der Amazon A-bis-z-Garantie“ enthaltenen, zwischen Amazon und der Beklagten als Käuferin geltenden Regelungen. Deren Aussagegehalt ist daher entsprechend in die Auslegung der von den Vertragsparteien abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. [15] Hiernach bestand zwischen den Parteien bei Vertragsschluss Einigkeit darüber, dass auch im Falle eines erfolgreichen Antrags auf Bewilligung einer A-bis-z-Garantie und der deshalb von Amazon vorgenommenen Rückbuchung des Kaufpreises die gesetzlichen und vertraglichen Rechte beider Parteien unabhängig von der Entscheidung über die Gewährung der Garantie Bestand haben sollten. Weder aus den beiden Vertragsparteien bekannten Regelungen über die A-bis-z-Garantie noch aus sonstigen Umständen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung über den Garantieantrag auch den Verkäufer im Verhältnis zum Käufer binden sollte und die Vertragsparteien dies zum Inhalt des Kaufvertrags gemacht haben. Im Gegenteil sprechen die berechtigten Interessen und Erwartungen der Kaufvertragsparteien gegen eine derartige Bindungswirkung und dafür, dass das bei Vertragsschluss vereinbarte Recht weiterhin über das Bestehen der vertraglichen Ansprüche sowie etwaige Leistungsstörungen entscheiden sollte. Hieraus folgt zugleich, dass nach dem Willen der Parteien im Falle der Rückbuchung die Kaufpreisforderung wiederbegründet und über deren Berechtigung nach dem für den Vertrag geltenden Recht entschieden werden sollte. [16] Auch wenn die zwischen Amazon und der Käuferin geltenden Regelungen der A-bis-z-Garantie bei der Auslegung der Willenserklärungen der Kaufvertragsparteien zu berücksichtigen sind, kann hieraus nicht geschlossen werden, dass diese eine Bindungswirkung der Garantieentscheidung für die Kaufpreisforderung vereinbaren wollten. Denn diesen Regelungen ist nicht zu entnehmen, dass deren Gewährung Auswirkungen auf den Kaufvertrag und die Kaufpreisforderung haben soll. Sie enthalten hierzu keine Aussage. Geregelt ist hierin lediglich, dass Amazon dem Käufer diese Garantie gewährt und welche Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen. Die AGB der Fa. Amazon gelten nur innerhalb der jeweiligen Beziehung zum Käufer und Verkäufer. Ähnlich der eBay-Rechtsprechung werden sie aber zur Auslegung herangezogen. Darüber hinaus lässt sich aber keine Vereinbarung feststellen. Wenn Amazon einen Garantiefall sieht, ist das nicht bindend für eine künftige gerichtliche Auseinandersetzung. Die Vereinbarung dient ausschließlich dem Käuferschutz. Der Käufer bekommt schnell sein Geld zurück, der Verkäufer muss die Forderung vor Gericht einklagen. Ob ein Mangel vorlag, ob ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Mangels besteht, all dies muss in einem Prozess vor einem ordentlichen Gericht entschieden werden. Damit steht das Wiederaufleben der Kaufpreisforderung fest. B. Ergebnis V hat gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.316 € aus einem Kaufvertrag gem. § 433 II BGB. FAZIT Auch wenn Amazon mehr Leistungen erbringt als der Zahlungsdienstleister PayPal, ist die Situation hinsichtlich des Käuferschutzes vergleichbar. Die Zahlung bewirkt das Erlöschen der Kaufpreisforderung, ihre Rückbuchung bewirkt das Wiederaufleben, wenn Amazon einem A-bis-z-Garantieantrag zugestimmt hat, unabhängig davon, ob der Antrag berechtigt ist, oder nicht. Dem Verkäufer bleiben alle Rechte erhalten. Er muss sie aber zur Not gerichtlich einklagen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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