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RA 09/2018 - Entscheidung des Monats

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466 Zivilrecht

466 Zivilrecht RA 09/2018 Die Nutzungsbedingungen enthielten auch keine direkten Regelungen zum Gedenkzustand. Diese befanden sich nur im Hilfebereich des Netzwerks, ohne dass bei Vertragsschluss darauf hingewiesen wurde. [26] Eine Unvererblichkeit ergibt sich auch nicht aus den Regelungen der B zum Gedenkzustand. [27] Diese finden hier schon deshalb keine Anwendung, weil die Bestimmungen nicht Bestandteil des Nutzungsvertrags geworden sind, § 305 II BGB. Die dem Vertrag zwischen der E und B zu Grunde liegenden Nutzungsbedingungen enthalten keine Regelungen zum Gedenkzustand. Vielmehr befanden sich diese lediglich im Hilfebereich des sozialen Netzwerks, ohne dass hierauf in den Nutzungsbedingungen oder auf andere Weise bei Vertragsschluss verwiesen oder Bezug genommen wurde, wie es gem. § 305 II Nr. 1 und 2 BGB erforderlich gewesen wäre, um die Regelungen Vertragsbestandteil werden zu lassen.“ 2. Wesen des Vertrags analog § 399 BGB Die Unvererblichkeit des „Account-Inhalts“ könnte sich allerdings aus dem Wesen des Vertrags ergeben. Dies soll analog § 399 BGB der Fall sein, wenn die vertraglichen Leistungen einem anderen, d.h. dem Erben, nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erbracht werden können. Auch das Wesen des Vertrags steht der Vererbarkeit des Facebook- Account nicht analog § 399 BGB wegen Höchstpersönlichkeit entgegen. Die Leistungen, die Facebook erbringt, sind rein technischer Natur und nicht personenbezogen. „[35] Die Pflichten der Vertragsparteien - der B und des jeweiligen Nutzers - sind nicht höchstpersönlicher Natur. Nicht die Leistungen der B, die bei jedem Nutzer gleich sind, sondern nur die - von der Vertragsgestaltung unabhängigen - Inhalte, die von den Nutzern geschaffen und kommuniziert werden, sind persönlichkeitsrelevant (z.B. das Gestalten der Profilseite oder das Versenden von Nachrichten. B verpflichtet sich gegenüber ihrem Vertragspartner, die Kommunikationsplattform zur Verfügung zu stellen und entsprechend dem Auftrag des Nutzers Inhalte zu veröffentlichen oder Nachrichten an ein anderes Benutzerkonto zu übermitteln sowie die übermittelten Nachrichten beziehungsweise die mit diesem Konto geteilten Inhalte zugänglich zu machen. Insoweit handelt es sich um rein technische Leistungen, die nicht personenbezogen sind. Diese können - anders als etwa bei einem Behandlungsvertrag mit einem Arzt - unverändert auch gegenüber den Erben erbracht werden.“ Aus dem Wesen des Vertrags lässt sich damit analog § 399 BGB keine Unvererblichkeit des „Account-Inhalts“ ableiten. 3. Postmortales Persönlichkeitsrecht Zu prüfen ist weiterhin, ob der Vererblichkeit das postmortale Persönlichkeitsrecht der E entgegensteht. Gleiches gilt für das aus Art. 1 I GG folgende postmortale Persönlichkeitsrecht der Erblasserin. „[52] Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung steht das postmortale Persönlichkeitsrecht der E der Vererbbarkeit digitaler höchstpersönlicher Inhalte nicht entgegen. [53] Dieses wird aus dem Grundrecht der Unantastbarkeit der Menschenwürde gem. Art. 1 I GG hergeleitet und dient dem Schutz des allgemeinen Achtungsanspruchs, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, und des sittlichen, personalen und sozialen Geltungswerts, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (st. Rspr.). Bei einem Eingriff in dessen immaterielle Bestandteile können die nächsten Angehörigen des Verstorbenen Abwehrrechte in Form von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen geltend machen. Ein dem Erbrecht vorgehendes Recht der nächsten Angehörigen an den höchstpersönlichen digitalen Inhalten begründet dies nicht, weshalb © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 Zivilrecht 467 es im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich ist, dass hier die Erben ohnedies zugleich die nächsten Angehörigen der Verstorbenen sind.“ 4. § 88 III 1 TKG Schließlich darf dem Anspruch aus § 1922 I BGB das Fernmeldegeheimnis des § 88 III 1 TKG nicht entgegenstehen. Danach ist es den nach § 88 II TKG Verpflichteten untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. „[56] Es kann dahingestellt bleiben, ob und bezüglich welcher Leistungen B Anbieterin von Telekommunikationsdiensten oder Telemediendiensten ist. Ein Verstoß gegen § 88 III TKG liegt jedenfalls deshalb nicht vor, weil der Erbe eines Kommunikationspartners nicht "anderer" i.S.d. Vorschrift ist. [57] Andere i.S.v. § 88 III TKG sind Personen oder Institutionen, die nicht an dem geschützten Kommunikationsvorgang beteiligt sind. Die Beteiligten eines Telekommunikationsvorgangs sollen davor bewahrt werden, dass der Inhalt und die näheren Umstände der Telekommunikation Dritten, die an dem Vorgang nicht beteiligt sind, zugänglich werden. Dies entspricht dem verfassungsrechtlichen Schutz nach Art. 10 I GG, dessen Träger die - auch minderjährigen - tatsächlichen Kommunikationsteilnehmer sind. [58] Der Erbe ist nicht anderer i.d.S., sondern vielmehr mit dem Erbfall Beteiligter der im Zeitpunkt des Erbfalls nicht beendeten und deshalb dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses unterstehenden Kommunikationsvorgänge geworden. [59] Es kann im vorliegenden Fall unterstellt werden, dass die auf den Servern der B unter den Benutzerkonten der Teilnehmer ihres Netzwerks abgespeicherten Inhalte noch dem Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses unterliegen, auch wenn der technische Übermittlungsvorgang abgeschlossen ist. [60] Die Bereitstellung der Inhalte des Benutzerkontos für den Erben verstößt ebenso wenig gegen das Fernmeldegeheimnis wie die fortlaufende Bereitstellung für den ursprünglich Kontoberechtigten. B macht weiterhin entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtung einerseits gegenüber dem Absender beziehungsweise Teilenden und andererseits gegenüber dem Berechtigten des Empfängerkontos - nunmehr dem Erben - die Inhalte für das betreffende Benutzerkonto zugänglich. Die Zugangsgewährung für den Erben erfolgt im Rahmen des - unterstellt - durch das Fernmeldegeheimnis geschützten Kommunikationsvorgangs. Denn der Erbe wird mit dem Tod des ursprünglichen Kontoberechtigten als neuer Vertragspartner und Kontoberechtigter zum Teilnehmer der auf Grund der Speicherung und Bereitstellung der Inhalte für das Benutzerkonto fortlaufenden Kommunikationsvorgänge. Der Erblasser dagegen scheidet mit seinem Tod als geschützter Kommunikationspartner aus. Teilnehmer einer Kommunikation und damit vom Fernmeldegeheimnis geschützt kann begriffsnotwendig nur eine lebende Person sein. [61] Aus den in den obigen Ausführungen zur Vererbbarkeit des vertraglichen Zugangsrechts der Verstorbenen genannten Gründen erfordert auch der Zweck des § 88 III TKG nicht, den Erben den Zugang zu dem Benutzerkonto zu versagen. Auf § 88 III 1 TKG hatte das KG seine Entscheidung gestützt, RA 2017, 404. Der BGH begründet hier eine andere Rechtsauffassung. Definition des „anderen“ i.S.d. § 88 III TKG Der Erbe ist nicht „anderer“ i.S.d. § 88 III TKG. Kein Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis Die Erblasserin schied mit ihrem Tod als ein von § 88 III TKG geschützter Kommunikationspartner aus. Vom Fernmeldegeheimnis geschützter Partner einer Kommunikation kann nur eine lebende Person sein. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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