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RA 11/2019 - Entscheidung des Monats

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Selbstbedienungskassen werden immer alltäglicher und das OLG Rostock befasst sich vorliegend mit der Strafbarkeit der Zahlung an einer solchen Kasse, wenn das zu der verwendeten EC/Maestro-Karte gehörende Girokonto keine ausreichende Deckung aufweist.

610 Strafrecht

610 Strafrecht RA 11/2019 im Bildschirmmenü die Zahlungsart, führt entsprechend der Menü- Aufforderung seine zu belastende Geldkarte - vorliegend die ‚EC/Maestro- Karte‘ – in den dafür vorgesehenen Karteneinschub des Selbstbedienungskassenterminals ein und unterzeichnet - da bei Gesamtkaufpreisen bis 100,00 € die Begleichung der Kaufpreisforderung ausschließlich im SEPA-Lastschriftverfahren erfolgt - auf dem seitlich vorgesehenen ‚Schreibpad‘ die Lastschrifteinzugserklärung. Anschließend löst er durch Betätigung des Buttons ‚OK‘ rechts neben der auf der Unterschriftszeile geleisteten Unterschrift das von ihm unterzeichnete SEPA-Lastschriftmandat, welches im Kassensystem gespeichert wird, wirksam aus. Mithin löst der Kunde regelmäßig nur einen technischen Vorgang aus […]. [27] Eine […] Täuschung […] liegt darin jedoch nicht. Es wird lediglich auf die Selbstbedienungskasse - eine Maschine - eingewirkt, die - anders als ein Mensch - keine subjektive Fehlvorstellung entwickeln kann. [28] Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte die IKEA- Geschäftsleitung bzw. das IKEA-Unternehmen […] getäuscht hätte, geht fehl. Es ist bereits unklar, […] ob und wie die Geschäftsleitung bzw. welche anderen Personen des Unternehmens den Vorgang überhaupt bemerkt haben. Wenn jedoch wegen des automatisierten Vorgangs kein Personal vorhanden ist, welches etwas bemerken kann, kann auch nicht über die Ordnungsgemäßheit des Kassierund Bezahlvorgangs getäuscht werden. Das Bearbeitungsergebnis der Selbstbedienungskasse ist dann folglich auch ohne Beteiligung der Geschäftsführer zustande gekommen, da der Angeklagte durch Verwendung der EC-Karte auf deren Vorstellungsbilder gerade nicht einwirken konnte.“ A hat mangels Täuschung den Tatbestand des § 263 I StGB nicht verwirklicht. II. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. § 263 I StGB. B. Strafbarkeit gem. § 263a I StGB Durch das Bedienen der SB-Kasse könnte A sich jedoch wegen Computerbetrugs gem. § 263a I StGB zum Nachteil von IKEA strafbar gemacht haben. I. Tatbestand A müsste zunächst eine der Tathandlungen des § 263a I StGB vorgenommen haben. 1. Unrichtige Gestaltung des Programms, § 263a I 1. Fall StGB Fischer, StGB, § 263a Rn 6 „[30] Das unrichtige Gestalten eines Programms […] setzt das Neuschreiben, Verändern oder Löschen ganzer Programme oder jedenfalls von Programmteilen voraus. Nichts davon geht mit der Verwendung der EC/Maestro-Karte einher, da sich der Angeklagte als Karteninhaber auf der Anwender- und nicht auf der Programmierebene bewegt.“ © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2019 Strafrecht 611 2. Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, § 263a I 2. Fall StGB „[31] Computerbetrug in Form einer Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten […] umfasst Fälle, in denen eingegebene Daten in einen anderen Zusammenhang gebracht oder unterdrückt werden (sog. Input-Manipulationen), wobei eine Programmgestaltung unrichtig bzw. unvollständig ist, wenn sie bewirkt, dass die Daten zu einem Ergebnis verarbeitet werden, das inhaltlich entweder falsch ist oder den bezeichneten Sachverhalt nicht ausreichend erkennen lässt, den Computer also gleichsam ‚täuscht‘. Es fehlt an der Verwendung unrichtiger Daten, da der Angeklagte die originale EC/Maestro-Karte eingesetzt und das SEPA-Lastschriftmandat unterzeichnet hat. Bei der Verwendung von EC/Maestro-Karten im ELV-System wird von der kartenausgebenden Bank keine Einlösungsgarantie übernommen, die durch das Einschieben der Karte in das Kartenlesegerät zustande käme, sondern die auf der Karte codierten Daten dienen nur der vereinfachten Herstellung einer persönlich zu unterschreibenden Bankeinzugsermächtigung. Eine Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten scheidet daher aus.“ BGH, Beschluss vom 22.01.2013, 1 StR 416/12, NJW 2013, 2608; OLG Hamm, Beschluss vom 08.08.2013, III-5 RVs 56/13, NStZ 2014, 275 3. Unbefugte Verwendung von Daten, § 263a I 3. Fall StGB „[32] Es kann unerörtert bleiben, ob in Fällen der vorliegenden Art eine ‚Verwendung von Daten‘ im Sinne des § 263a StGB gegeben ist, da die Nutzung der Daten durch den Angeklagten nicht unbefugt erfolgte. [33] Streitig ist, wann eine unbefugte Verwendung vorliegt. Nach einer weiten Auslegung des Merkmals ‚unbefugt‘ ist jede Datenverwendung unbefugt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des über die Daten Verfügungsberechtigten widerspricht. Vorliegend war der Angeklagte jedoch hinsichtlich seiner auf der EC/Maestro-Karte gespeicherten Daten verfügungsberechtigt, so dass nach dieser Auffassung keine unbefugte Nutzung von Daten vorliegt. [34] Nach anderer Ansicht ist die Nutzung computerspezifisch auszulegen. Es wird eine Einwirkung auf den Datenverarbeitungsprozess verlangt. Der Vertragsabschluss erfolgte durch das Anklicken des entsprechenden Menüpunkts – ‚OK-Buttons‘ -, mit dem das SEPA-Lastschriftmandat bestätigt wird; dieser Vorgang stellt als solcher jedoch keine Einwirkung auf das Computerprogramm dar. Als berechtigter Karteninhaber verwendet der Angeklagte die Daten auch nicht unbefugt. [35] Das Merkmal der unbefugten Verwendung von Daten ist nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur betrugsäquivalent auszulegen. Nach der gesetzgeberischen Intention ist der Anwendungsbereich dieser Tatbestandsalternative durch die Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263a StGB sollte die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, dass der Tatbestand des Betrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die bei dem Einsatz von EDV-Anlagen fehlen. Eine Ausdehnung der Strafbarkeit darüber hinaus war nicht beabsichtigt. Zur Auslegung von §263a I 3. Fall StGB s. auch Schumacher/Schweinberger, JURA INTENSIV, Strafrecht BT I, Rn 600 ff. Subjektivierende Auslegung: BGH, Beschluss vom 10.11.1994, 1 StR 157/94, NJW 1995, 669; BayObLG, Urteil vom 18.08.1990, RReg 4 St 250/89, NJW 1991, 438 Computerspezifische Auslegung: OLG Celle, Urteil vom 11.04.1989, 1 Ss 287/88, NStZ 1989, 367; Neumann, StV 1996, 375 Die computerspezifische Auslegung ist eine kleine Mindermeinung, die in einer Klausur weggelassen werden kann. Betrugsspezifische Auslegung: BGH, Beschluss vom 29.11.2013, 4 StR 292/13, NJW 2014, 711; Beschluss vom 28.05.2013, 3 StR 80/13, NStZ 2013, 586 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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