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RA 12/2018 - Entscheidung des Monats

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634 Zivilrecht

634 Zivilrecht RA 12/2018 Der BGH lehnt dies aufgrund fehlender planwidriger Regelungslücke und vergleichbarer Interessenlage ab. Der Gesetzgeber wollte nicht die Differenzierung im Abstammungsrecht aufheben, sondern die konkrete und symbolische Diskriminierung beseitigen, z.B. in der Eheschließung und im Adoptionsrecht. Der Gesetzgeber wollte nicht jede unterschiedliche rechtliche Behandlung aufheben, sondern die mit der Gesetzesänderung neu geregelten Bereiche erfassen. Vergleichbarkeit fehlt Das Kind stammt nicht von der mit der Kindesmutter verheirateten Frau ab, sondern von einem Samenspender. Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (st. Rspr.). An beidem fehlt es hier. [17] Entgegen der Teilen der Literatur vertretenen Auffassung weist das Gesetz schon keine planwidrige Regelungslücke zu der Frage einer Mit-Elternschaft von gleichgeschlechtlichen Ehepaaren auf. [18] Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber mit der "Ehe für alle" bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beenden und hierzu rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, beseitigen wollte. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, er habe es versehentlich verabsäumt, die bestehende Differenzierung im Abstammungsrecht aufzuheben. Vielmehr hatte der Gesetzgeber bei der Neuregelung insbesondere eine "konkrete und symbolische Diskriminierung" im Blick, die er darin erkannte, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe verwehrt war. Haltbare Gründe dafür, homo- und heterosexuelle Paare unterschiedlich zu behandeln und am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten, vermochte er nicht mehr zu erkennen. Darüber hinaus sah er eine zu beseitigende Benachteiligung insbesondere im Adoptionsrecht. [19] Bereits daraus ergibt sich, dass die Neuregelung nicht jedwede unterschiedliche rechtliche Behandlung von homo- und heterosexuellen Paaren beenden sollte, sondern der Gesetzgeber ganz bestimmte - und dann auch mit der Gesetzesänderung berücksichtigte - Bereiche erfassen wollte. Die Abstammung, die nach der gesetzlichen Systematik nicht als Wirkung der Ehe, sondern als selbständiger Tatbestand im Verwandtschaftsrecht konzipiert ist, gehörte nicht zu diesen. [21] Daneben fehlt es auch an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen Vergleichbarkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe zweier Frauen mit der von § 1592 Nr. 1 BGB geregelten Elternschaft des mit der Kindesmutter verheirateten Mannes. [22] Die Zuordnungstatbestände des § 1592 BGB knüpfen an Kriterien an, die im Regelfall denjenigen Mann als rechtlichen Vater erfassen, von dem das Kind biologisch abstammt. Die Vaterschaft kraft Ehe beruht mithin darauf, dass diese rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung auch die tatsächliche Abstammung regelmäßig abbildet. Dass dies in der Lebenswirklichkeit im Einzelfall unzutreffend sein kann, was auch etwa die Bestimmung des § 1600 V BGB aufgreift, beseitigt nicht die Richtigkeit der regelhaften Annahme. Diese der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Vermutung ist für die mit der Kindesmutter verheiratete Frau dagegen keinesfalls begründet. Vielmehr ist diese - abgesehen vom nicht vergleichbaren Ausnahmefall des mit der Kindesmutter verheirateten Samen spendenden Mann-zu-Frau-Transsexuellen - zwingend und damit abweichend von dem die Bestimmung des § 1592 Nr. 1 BGB tragenden Regelfall personenverschieden zum leiblichen Vater des Kindes. Dass A, die bei Geburt des Kindes mit der Kindesmutter verheiratet ist, nicht kraft Gesetzes Mit-Elternteil des Kindes wird, könnte jedoch einen Verstoß gegen Art. 6 GG darstellen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2018 Zivilrecht 635 „[25] Das Familiengrundrecht des Art. 6 I GG wird hierdurch nicht verletzt, weil bereits sein Schutzbereich nicht berührt ist. Diese Verfassungsnorm schützt die Familie als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern unabhängig davon, ob die Kinder von den Eltern abstammen oder ob sie ehelich oder nichtehelich geboren wurden, und gewährt ein Recht auf familiäres Zusammenleben und auf Umgang. Die (Nicht-) Eintragung der Antragstellerin in das Geburtenregister als Mit- Elternteil des Kindes ihrer Ehefrau betrifft aber nicht das Familienverhältnis der Ehepartner mit dem Kind. Das Geburtenregister hat lediglich – u.a. die rechtlichen Abstammungsverhältnisse des Kindes betreffend - beurkundende Funktion. Das Zusammenleben eines Kindes mit seinen Eltern im Rahmen der Familie wird dadurch hingegen nicht berührt. Eintragungen in ein Personenstandsregister haben keine rechtserzeugende Kraft. Auch die gesetzliche Regelung des § 1592 Nr. 1 BGB, der die Abstammung des Kindes an die Vermutung knüpft, dass Vater eines Kindes der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkannt hat, greift selbst nicht in das Recht der Familie ein. [26] Ebenso wenig ist das Elterngrundrecht aus Art. 6 II 1 GG verletzt. Grundrechtsträger sind insoweit nur die leiblichen oder rechtlichen Eltern eines Kindes. Die A ist nicht Elternteil des Kindes i.d.S., sondern will diesen Status erst erlangen, so dass sie vom Schutz dieses Grundrechts nicht erfasst ist. Die Kindesmutter wiederum ist dadurch, dass ihre Ehefrau keine rechtliche Elternstellung zu dem Kind hat, nicht in ihrem Elterngrundrecht betroffen. Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht von A und M nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG. Die Nichteintragung der Elternschaft in einem Personenstandsregister zeitigt insoweit keinerlei Wirkung. [27] Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes folgt nicht die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, ihm durch das Abstammungsrecht eine leiblich nicht verwandte Person als rechtlichen Elternteil zuzuordnen, selbst wenn diese bereit und in der Lage ist, Elternverantwortung zu übernehmen. Vielmehr hat das Kind einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf die rechtliche Möglichkeit, Kenntnis von seiner Herkunft zu erlangen. Darauf aufbauend kann es grds. die entsprechenden abstammungsrechtlichen Zuordnungen erreichen. Das war nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage auch bei einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung schon deshalb gewährleistet, weil § 1600d IV GG in der ab 01.07.2018 geltenden Fassung aufgrund der Übergangsregelung des Art. 229 § 46 EGBGB nicht anzuwenden ist. Denn der Samen, mithilfe dessen das Kind gezeugt wurde, wurde vor dem am 01.07.2018 erfolgten Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.07.2017 verwendet. Davon unabhängig eröffnet das geltende Recht die Möglichkeit der Sukzessivadoption durch die Ehefrau der Kindesmutter nach § 1741 II 3 BGB. [28] Dass die Ehefrau der Kindesmutter anders als ein Ehemann nicht allein aufgrund der bei Geburt bestehenden Ehe von Gesetzes wegen rechtlicher Elternteil des Kindes ist, stellt schließlich auch keine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 I GG dar. Der Schutzbereich des Familiengrundrechts aus Art. 6 I GG wird durch die Nichtanwendung des § 1592 Nr. 1 BGB nicht berührt. Funktion des Geburtenregisters Gleiches gilt für das Elterngrundrecht aus Art. 6 II 1 GG Das Kind hat ein verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Kenntniserlangung seiner Herkunft. Im Ergebnis ist die Ehefrau der Kindesmutter weiter auf die Möglichkeit der Sukzessivadoption nach § 1741 II 3 BGB verwiesen. Art. 3 GG ist nicht berührt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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