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RA Digital - 01/2016

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Die monatliche Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

14 Zivilrecht

14 Zivilrecht RA 01/2016 PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch K gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreis i.H.v. 326.118,01 € gem. § 280 I BGB I. Schuldverhältnis II. Nicht spezieller geregelte Pflichtverletzung III. Vertretenmüssen IV. Rechtsfolge B. Ergebnis LÖSUNG Abschluss eines notariellen Bauträgervertrags als gemischttypischer Vertrag In einer Klausur müssten Sie zunächst ein Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr.2, 323 I BGB wegen eines Sachmangels gem. § 434 I BGB prüfen. Aus Platzgründen müssen wir hier darauf leider verzichten. Die Besonderheit des Falles liegt im Übrigen darin, dass die Liegenschaft bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit aufwies und eine Haftung der X wegen eines Sachmangels nach § 434 BGB damit ausscheidet. Erst durch das nachvertragliche Verhalten der X wurde der Sache die vereinbarte Beschaffenheit wieder entzogen. Deshalb kommt hier nur die Verletzung einer nachvertraglichen Treuepflicht in Betracht. Das OLG nimmt wegen dieser “culpa post contractum finitum” konsequent § 280 I BGB als Anspruchsgrundlage an. Bestimmter Ausblick auf seinem Grundstück im Regelfall nicht geschützt Vorliegend liegt der Blick auf die Frankfurter Skyline dem Vertrag als Beschaffenheit der erworbenen Eigentumswohnung zugrunde. Einzelne Anhaltspunkte im Verkaufsprospekt A. Anspruch K gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 326.118,01 € gem. § 280 I BGB K könnte gegen B einen Rückzahlungsanspruch i.H.v. 326.118,01 € gem. § 280 I BGB haben. I. Schuldverhältnis K und B haben am 18.04.2008 einen notariellen Bauträgervertrag über eine Eigentumswohnung in Riedberg geschlossen. Der Bauträgervertrag stellt nach der h.M. einen typengemischten Vertrag dar, der aus kaufvertraglichen, werkvertraglichen und u.U. Auftrags- und Geschäftsbesorgungselementen besteht. II. Nicht spezieller geregelte Pflichtverletzung B müsste eine sich aus diesem Vertrag ergebene Pflicht verletzt haben. Grundsätzlich versteht man unter einer Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I BGB jede objektive Abweichung des Verhaltens einer Partei vom geschuldeten Pflichtenprogramm. Soweit nachvertragliche Pflichten bestehen und verletzt werden, gilt § 280 I BGB. Verletzt werden kann, die nach der Vertragserfüllung im Rahmen des Zumutbaren bestehende Pflicht, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden könnte. Ferner darf der Schuldner nichts unternehmen, was dem Gläubiger die aufgrund des Vertrags gewährten Vorteile wieder entziehen könnte. Im Falle eines Grundstückskauf kann es z.B. eine Pflichtverletzung darstellen, wenn der Verkäufer das Restgrundstück bebaut oder es anders bebaut als von ihm zugesagt oder die Pflicht zur Nichtbebauung nicht auf den Rechtsnachfolger überträgt. Der Erhalt einer Aussicht ist üblicherweise nicht geschützt, sodass darauf nach der Vertragsabwicklung keine Rücksicht genommen werden muss. Etwas anderes könnte sich jedoch ergeben, wenn der Blick auf die Frankfurter Skyline dem Vertrag vorliegend als Beschaffenheit des Grundstücks zugrunde gelegt wurde. Jura Intensiv „[15] K konnte als Beschaffenheit der erworbenen Eigentumswohnung erwarten, dass diese von den Wohn- und Außenbereichen einen unverbauten Blick auf die Frankfurter Skyline bietet; dies zwar nicht von jedem Punkt des Grundstücks und der Wohnung, aber jedenfalls von den im wesentlichen genutzten Bereichen im Inneren und auf der Terrasse. Dass K diese Beschaffenheit erwarten konnte, folgt aus dem Verkaufsprospekt, der als Werbung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB anzusehen ist und bei dem es sich um einen 138-seitigen ausführlich bebilderten Prospekt in DIN- A-3-Format handelt. Der Prospekt trägt den Titel „Skyline-Wohnkonzept“. Der Begriff „Skyline“ ist auch sonst der prägende Begriff des Objektes, wie es im Prospekt dargestellt wird. Im Inhaltsverzeichnis auf S. 9 sind beispielsweise 10 der 16 Kapitel mit dem Zusatz „Skyline“ versehen. Auf S. 8 und Inhaltsverzeichnis

RA 01/2016 Zivilrecht 15 134 des Prospektes findet sich eine Silhouettenzeichnung der Frankfurter Skyline, auf S. 21, 24, 25, 53 und 114 Fotos, welche die Frankfurter Hochhausbebauung zeigen, davon auf S. 53 ganzseitig. Das Bauvorhaben, welches aus insgesamt 8 Mehrfamilienhäusern besteht, hat die Anschrift/ Straßenbezeichnung „A-Straße“. Zur Lage und zu den Sichtverhältnissen führt der Prospekt u.a. folgendes aus: „Auf der Südterrasse über dem X die Türme der Stadt fest im Blick. Der Abend, die Stadt mit ihren Türmen glüht. Die passende Bühne für den unverbaubaren Skyline-Blick. [...] Blick auf die Skyline der Frankfurter Innenstadt.“ Der unverbaute Skyline-Blick auf die Stadt Frankfurt ist damit eine dem Vertrag zugrunde liegende Beschaffenheit der von K erworbenen Eigentumswohnung. Zu prüfen ist damit, ob dieser Blick durch die anschließende dreistöckige Bebauung des B im Rahmen des X-Projekts zerstört wurde und eine nachträgliche Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I BGB angenommen werden kann. „[16] Der bei Vertragsschluss und Übergabe des Objektes an die Kläger vorhandene Blick auf die Skyline Frankfurts ist durch die nachfolgende von der Beklagten veranlasste Bebauung jenseits des X (X), soweit es die Sichtverhältnisse der Wohnung der Kläger betrifft, wesentlich beschränkt und beeinträchtigt worden. Dies hat die durchgeführte Ortsbesichtigung ergeben. [17] Auszugehen ist dabei von der Definition einer Skyline (englisch „Horizont“ oder „Silhouette“) als die Teilansicht oder das Panorama, das eine Stadt mit ihren höchsten Bauwerken und Strukturen vor dem Horizont abzeichnet (Wikipedia, Definition Skyline). [18] Das Panorama, welches sich von der Terrasse der Kläger bietet, zeigt als markanteste Bauten von links nach rechts das neue Gebäude der Europäischen Zentralbank (185 Meter hoch), den Commerzbank-Tower (259 Meter hoch), den Fernsehturm (337 Meter hoch) und den Messeturm (256 Meter hoch). Unbeeinträchtigt durch das Bauprojekt X bleibt allein die Sicht auf die Europäische Zentralbank und den Messeturm. Der dazwischen liegende Bereich einschließlich des Commerzbank-Towers und des Fernsehturms wird nunmehr verdeckt, der Fernsehturm etwa zur Hälfte, wenn man die Skyline vom günstigsten Standpunkt in den Blick nimmt. Dieser Blick bietet sich, wenn man auf der Terrasse auf der vordersten linken Ecke steht. Jura Intensiv [19] Nimmt man auf der Terrasse auf den dort aufgestellten Sitzmöbeln Platz, so sieht man nur noch die obere Spitze des Commerzbank-Towers, dem mit 259 Meter höchsten Gebäude der Stadt. Das in diesem Umfeld gelegene Frankfurter Bankenviertel ist nahezu völlig verdeckt. Das Panorama, welches nach der oben gegebenen Definition der Skyline auch aus den Hochhäusern besteht, die nicht die Höhe etwa des Commerzbank- Towers erreichen, ist damit in seinem zentralen Bereich durch den sichtbehindernden Bau des X-Projektes in einer Weise beeinträchtigt, dass eben kein unverbaubarer oder unverbauter Skyline-Blick mehr vorliegt.“ Nachträgliche Bebauung führt zu einer wesentlichen Beschränkung und Beeinträchtigung des Blicks auf die Skyline Definition der „Skyline“ Beschreibung des Ausblicks auf die einzelnen Türme, die die Frankfurter Skyline prägen Kein unverbauter Blick mehr vorhanden Die sichtbehindernde Bebauung durch das Projekt X stellt eine nachvertragliche Pflichtverletzung des B dar, die K zur Rückabwicklung des Kaufvertrages berechtigt. So wird das Integritätsinteresse des K beim Grunderwerb ausreichend geschützt. Inhaltsverzeichnis

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