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RA Digital - 01/2018

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8 Zivilrecht

8 Zivilrecht RA 01/2018 Darstellung des Zusammenspiels von nationalem und internationalem Recht Hier findet man die entscheidenden Argumente, mit der das Gericht sein Urteil begründet. Dem Flugkapitän kann nicht zugemutet werden, sich bei der Landung in Kuwait strafbar zu machen, weil er eine Person befördert, die dort nicht einreisen darf. So ärgerlich man die Rechtslage in politischer Hinsicht finden mag - das Landgericht hat konsequent deutsches Recht gesprochen und richtig entschieden. Alles andere sind politische Fragen (z.B., warum Fluglinien aus Ländern mit solchen Gesetzen in Deutschland überhaupt eine Landeerlaubnis erhalten), die in einem Prozess nichts verloren haben. Aus juristischer Sicht ist vielmehr bedauerlich, dass das LG Frankfurt am Main hier nicht stärker zu § 275 II BGB abgegrenzt hat. Dies wird die Lehre in den nächsten Monaten nachholen. Anwendung des kuwaitischen Gesetzes führt für B zu keinen unerträglichen Ergebnissen Man kann auch mit anderen Airlines nach Bangkok fliegen, die nicht in in Kuwait landen. „[47] Denn es verstößt nicht gegen den ordre publik (vgl. Art. 21 Rom-I-VO), wenn im Anwendungsbereich des § 275 I BGB das Gesetz eines fremden Staates Beachtung findet. Es geht bei der Beurteilung einer rechtlichen Unmöglichkeit nicht darum, aus Sicht eines deutschen Gerichts zu beurteilen, ob das Gesetz eines fremden Staates - hier das Gesetz Nr. 21 des Jahres 1964 des Staates Kuwait sinnvoll ist und ob es nach den Wertungen der deutschen und europäischen Rechtsordnung Bestand haben könnte. Entscheidend ist, dass B und die für sie handelnden Personen der Rechtsordnung ihres Staates unterworfen sind und sie sich nach den Regeln ihres Staates gesetzeswidrig verhalten würden und sie ggf. mit Strafe rechnen müssen. Auch nach der Rechtsordnung von Deutschland kann ein Vertragspartner nicht zu einer Leistung verpflichtet werden, die für ihn einen Gesetzesverstoß bedeuten würde. [48] Es ist weiterhin auch nicht davon auszugehen, dass die Berücksichtigung des Gesetzes Nr. 24 des Staates Kuwait im Rahmen der rechtlichen Unmöglichkeit zu Ergebnissen führt, die i.S.d. deutschen Rechtsordnung zu unerträglichen Folgen führen würden. Es handelt sich nach dem Namen und dem Inhalt des Gesetzes um ein Boykottgesetz i.S. eines Embargos eines Staates gegenüber einem anderen Staat. Solche Regelungen in unterschiedlicher Ausprägung sind auch der deutschen Rechtsordnung nicht fremd. [49] Das Gesetz Nr. 21 beinhaltet auch keine Regelungen über das Verhältnis von Mann und Frau oder über das Verhältnis zu Homosexuellen, Vegetariern oder Diabetiker, sondern es handelt sich um eine Regelung über vertragliche Beziehungen zu Personen einer anderen Staatsangehörigkeit, offensichtlich vor dem Hintergrund, dass der Staat Kuwait keine Verbindung - auch nicht privatrechtlicher Natur - zu Staatsangehörigen des Staates Israel wünscht und dies auch seinen Bürgern auferlegt. [50] Dass dieses Boykottgesetz den Kläger als israelischen Staatsangehörigen trifft, belastet ihn nicht in einer Weise, dass es für ihn unerträglich wäre. Um seinen Wunsch, Bangkok zu besuchen, zu realisieren, hätte er ohne weiteres sich der Beförderungsleistung eines anderen Luftfahrtunternehmens bedienen können, die keinen Beschränkungen im nationalen Recht unterliegen. Eine Notwendigkeit, ausschließlich mit der Beklagten einen Luftbeförderungsvertrag schließen zu müssen, besteht für den Kläger nicht.“ Jura Intensiv Mithin liegt hier ein Fall rechtlicher Unmöglichkeit vor. B ist damit gem. § 275 I BGB von ihrer Leistungspflicht befreit. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Beförderung im Streckennetz der B auf den Strecken Frankfurt (FRA) – Bangkok (BKK) (Hinflug) und Bangkok (BKK) – Frankfurt (FRA) (Rückflug) jeweils mit Transitaufenthalt in Kuwait City (KM) gem. § 631 I BGB. FAZIT Die Entscheidung wurde in der anschließenden Berichterstattung stark kritisiert. Die juristischen Laien unter den so genannten Journalisten kritisierten, hier hätte ausschließlich deutsches Recht angewendet werden müssen. Genau das hat das LG Frankfurt aber gemacht. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2018 Zivilrecht 9 Problem: Schriftformheilungsklauseln bei Mietverträgen Einordnung: Besonderes Schuldrecht BGH, Urteil vom 27.09.2017 XII ZR 114/16 EINLEITUNG Nach § 550 BGB sind langfristige Mietverträge mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr jederzeit ordentlich kündbar, wenn sie die gesetzliche Schriftform des § 126 BGB nicht einhalten. Es stellt daher eine Möglichkeit dar, sich von einem lästig gewordenen Vertrag vorzeitig zu lösen, wenn der Vertrag oder nachträgliche Änderungen einen Formfehler haben. Dagegen entwickelte die Praxis sog. Schriftformheilungsklauseln, die die Kündigungsmöglichkeit einschränken sollen. Ob und inwieweit diese wirksam sind, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des BGH. SACHVERHALT Mit Vertrag vom 08.12.1998 mietet der Beklagte (B) von der D-AG Ladenräume. Am 11.10.2006 schließen die Vertragsparteien einen „1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 08.12.1998“. Mit diesem ersetzten sie u.a. - unter Aufrechterhaltung der übrigen Bestimmungen des Ausgangsmietvertrags - die im ursprünglichen Mietvertrag enthaltene Indexklausel wie folgt: „Verändert sich der vom Statistischen Bundesamt für die Bundesrepublik Deutschland festgestellte Verbraucherpreisindex gegenüber dem Stand Juni 1999 (2000 = 100) um mind. 10 Punkte, so verändert sich die Miete in dem gleichen prozentualen Verhältnis.“ Außerdem enthält der Nachtrag in Ziffer 6 folgende Regelung: „Den Parteien ist bekannt, dass dieser Mietvertrag, der eine Laufzeit von mehr als einem Jahr hat, der Schriftform bedarf. Die Parteien wollen diese Schriftform einhalten. Sie verpflichten sich deshalb gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um den gesetzlichen Schriftformerfordernissen Genüge zu tun. Das gilt sowohl für den Mietvertrag, als auch für sämtliche Nachtrags-, Änderungsund Ergänzungsvereinbarungen.“ Am 16.12.2009 wird ein „2. Nachtrag zum Mietvertrag vom 08.12.1998 nebst 1. Nachtrag vom 11.10.2006“ abgeschlossen. Auf Vermieterseite ist daran die aufgrund zwischenzeitlichen Eigentumserwerbs in die Vermieterstellung eingetretene Klägerin (K) beteiligt. In dem 2. Nachtrag wird u.a. - unter Aufrechterhaltung der Bestimmungen des Ausgangsmietvertrags und des ersten Nachtrags im Übrigen - die Mietzeit bis zum 31.05.2020 verlängert. Außerdem wird unter Ziffer 7 Folgendes vereinbart: „Die Parteien verpflichten sich gegenseitig, jederzeit alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis gem. § 550 BGB, insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Nachtrages sowie weiteren Nachträgen, Genüge zu tun und bis dahin den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform vorzeitig zu kündigen.“ In einem Schreiben vom 15.01.2011 legt K dem B seinen Wunsch dar, die Wertsicherungsklausel dahingehend zu ändern, dass bei Veränderung des Verbraucherpreisindex um 5 % eine entsprechende Änderung der Miete eintreten solle. B vermerkt auf dem Schreiben handschriftlich „6 % einverstanden“, unterschreibt diesen Vermerk und gibt das Schreiben an K zurück. Jura Intensiv LEITSATZ 1. Sog. Schriftformheilungsklauseln sind mit der nicht abdingbaren Vorschrift des § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam. Sie können deshalb für sich genommen eine Vertragspartei nicht daran hindern, einen Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel ordentlich zu kündigen. 2. Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die lediglich ihr vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen. Referendare sollten wegen der besonderen Bedeutung des Mietrechts im Assessorexamen § 550 BGB stets auf dem Schirm haben. Auch in der 1. juristischen Prüfung ist angesichts der vielen höchstrichterlichen Urteile zu dieser Rechtsnorm eine große Examensklausur schon seit längerer Zeit zu erwarten. Lesen Sie unbedingt die Fälle in RA 2013, 714 sowie in RA 2016, 57 und in RA 2017, 189 ff. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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