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RA Digital - 01/2018

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10 Zivilrecht

10 Zivilrecht RA 01/2018 Diese teilt B im Mai 2011 mit, dass der Verbraucherpreisindex seit der letzten Mietkorrektur um 6 % gestiegen sei und sich daher eine entsprechend erhöhte Miete ergebe, die der Beklagte fortan auch entrichtet. Mit Schreiben vom 20.06.2014 erklärt K die ordentliche Kündigung zum 31.12.2014. Sie verlangt Räumung und Herausgabe der Ladenräume. Zu Recht? PRÜFUNGSSCHEMA Die ordentliche Kündigung verlangt ein unbefristetes Mietverhältnis. Die Vertragsverlängerung bis zum 31.05.2020 muss daher unwirksam sein. A. Anspruch der K gegen B gem. § 546 I BGB I. Vorliegen eines Mietverhältnisses II. Beendigung des Mietverhältnisses gem. § 542 I BGB III. Verstoß gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB 1. Schriftformheilungsklausel 2. Lediglich für den Vermieter vorteilhafte Abrede B. Ergebnis LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B gem. § 546 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Ladenräume gem. §§ 546 I BGB haben. I. Vorliegen eines Mietverhältnisses B schloss am 08.12.1998 mit der D-AG einen Mietvertrag über Ladenräume zu einem monatlichen Mietzins i.H.v. 1.500 €. In diesen ist K gem. §§ 578 I, II, 566 I BGB eingetreten. Ein Mietverhältnis i.S.d. § 535 BGB liegt damit zwischen den Parteien vor. II. Beendigung des Mietverhältnisses gem. § 542 I BGB Dieses Mietverhältnis müsste wirksam beendet worden sein. Gem. § 542 I BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen, wenn die Mietzeit nicht bestimmt ist. Mit dem 2. Nachtrag zum Mietvertrag vom 08.12.1998 wurde am 16.12.2009 die Mietzeit bis zum 31.05.2020 verlängert. Eine ordentliche Kündigung wäre danach grds. ausgeschlossen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Mietvertrag und seine nachträglichen Änderungen nicht der gesetzlichen Schriftform i.S.d. § 126 BGB entsprechen. Denn wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er gem. §§ 578 I, II, 550 S. 1 BGB für unbestimmte Zeit. Jura Intensiv „II.1.c) Es fehlt dem Mietvertrag hier an der gesetzlichen Schriftform, weil mit der Wertsicherungsklausel im Januar 2011 eine die Miethöhe betreffende und damit vertragswesentliche Vereinbarung geändert wurde, ohne dass diese Änderung den Anforderungen des § 550 BGB genügte. Denn dem Schreiben vom 15.01.2011 mit dem handschriftlich gefertigten und unterschriebenen Zusatz des Beklagten fehlt es schon an der ausreichenden Bezugnahme auf den Ausgangsvertrag und die Nachträge.“ Damit ist das Mietverhältnis auf unbeschränkte Zeit geschlossen und kann nicht gem. § 542 I BGB ordentlich gekündigt werden. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2018 Zivilrecht 11 III. Verstoß gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB Möglicherweise ist K jedoch im vorliegenden Fall ein Berufen auf diesen Schriftformverstoß aufgrund der Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt. „II.2.a) Grds. darf sich jede Partei darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar.“ 1. Schriftformheilungsklausel Das treuwidrige Verhalten könnte hier aus der in Ziffer 7 des zweiten Nachtrags enthaltenen sog. Schriftformheilungsklausel folgen, nach der die Vertragsparteien zur Nachholung der Schriftform verpflichtet sind. „II.2.b) aa) Nach st. Rspr. des Senats kann eine Mitwirkungspflicht der Vertragsparteien am Zustandekommen eines der Schriftform entsprechenden Mietvertrages bestehen. Das kann etwa der Fall sein, wenn in einem Vorvertrag vereinbart worden ist, ein langfristiges Mietverhältnis zu begründen. II.2.b) bb) Im Unterschied hierzu enthält eine Schriftformheilungsklausel wie die vorliegende eine generelle Verpflichtung der Mietvertragsparteien, Schriftformverstöße jedweder Art nachträglich zu beseitigen, um so eine „vorzeitige“ Vertragsbeendigung durch ordentliche Kündigung zu unterbinden. Ob und inwieweit eine derartige Regelung - durch Individualvertrag oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - rechtswirksam getroffen werden kann, ist streitig. II.2.b) bb) (2) Teilweise werden vertragliche Schriftformheilungsklauseln nach wie vor als uneingeschränkt wirksam angesehen. Vertreten wird auch, dass sie jedenfalls zwischen den Vertragsschließenden selbst wirksam seien und zur Treuwidrigkeit einer auf die Schriftformwidrigkeit gestützten Kündigung führten, solange der Kündigende den Vertragspartner nicht zur Nachholung aufgefordert habe Andere halten derartige Klauseln als individualvertragliche Vereinbarung zwischen Vertragsparteien für zulässig, nicht hingegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Schließlich gibt es Stimmen, denen zufolge Schriftformheilungsklauseln unabhängig davon, ob sie individualvertraglich oder als Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden, unwirksam sind und deshalb nicht über § 242 BGB einer auf einen Schriftformverstoß gestützten ordentlichen Kündigung entgegenstehen können. II. 2.b) cc) Die zuletzt genannte Meinung, nach der Schriftformheilungsklauseln stets unwirksam sind, ist zutreffend. II.2. b) cc) (1) Bei der Vorschrift des § 550 BGB handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um zwingendes Recht. Sie will nach st. Rspr. des Senats nicht nur sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Vielmehr dient sie ebenfalls dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen. Jura Intensiv Eine Partei darf sich gem. § 242 BGB nicht auf einen Schriftformverstoß berufen, wenn dies zu untragbaren Ergebnissen führt. Mitwirkungspflichten aufgrund eines Vorvertrages immer denkbar Die Zulässigkeit sog. Schriftformheilungsklauseln in Gewerbemietverträgen war bisher dogamtisch sehr umstritten. e.A.: Schriftformheilklauseln sind wirksam und können zur Nichtigkeit einer auf die Schriftformwidrigkeit gestützten Kündigung führen. a.A.: Sie sind bei Individualvereinbarung wirksam, aber bei Vereinbarung in AGB unwirksam. a.A.: Schriftformheilklauseln sind immer unwirksam. Dieser Auffassung schließt sich der Senat in diesem Urteil an. Meinung des BGH: § 550 BGB sei zwingendes Recht © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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