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RA Digital - 01/2020

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10 Zivilrecht

10 Zivilrecht RA 01/2020 Verdacht einer Traumatisierung des Pferdes genügt nicht Verdacht eines merkantilen Minderwertes rechtfertigt beim Pferd die Annahme eines Sachmangels nicht [29] Das Berufungsgericht hat Anhaltspunkte dafür, dass angesichts der (von ihm unterstellten) vollständigen Ausheilung der Rippenfrakturen - zur Zeit der Rücktrittserklärung am 17. August 2016 - die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das von der Klägerin erworbene Pferd als Reitpferd nicht mehr einsetzbar sein wird, nicht festgestellt. Hierfür genügt der vom Berufungsgericht bejahte „nahe liegende Verdacht“ bislang unentdeckter (auch psychischer) Unfallfolgen, die sich später noch negativ auf die Gebrauchstauglichkeit auswirken könnten, nicht. Denn ein solcher Verdacht bliebe hinter dem nach der Rechtsprechung des Senats anzulegenden Maßstab der Sicherheit oder zumindest der hohen Wahrscheinlichkeit klinischer Auswirkungen zurück. Im Übrigen lässt das Berufungsurteil auch nicht erkennen, auf welcher Tatsachengrundlage diese tatrichterliche Beurteilung beruht. [30] Die Annahme des Berufungsgerichts, auch ausgeheilte Rippenfrakturen eines Pferdes riefen bei Kaufinteressenten Bedenken über die Art und das Ausmaß des vorangegangenen traumatischen Ereignisses hervor und verliehen dem vom Beklagten veräußerten Pferd den preismindernden Makel einer erheblichen Vorschädigung, rechtfertigt die Annahme eines Sachmangels ebenfalls nicht. Das angefochtene Urteil lässt auch hier bereits nicht erkennen, auf welchen tatsächlichen Feststellungen die tatrichterliche Beurteilung beruht. Vielmehr übergeht das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, den gegenteiligen Befund des Sachverständigen Dr. P.. Dieser hat bei seiner Anhörung in erster Instanz ausgeführt, dass eine (etwa ohne Bildung einer Arthrose) vollständig ausgeheilte Rippenfraktur aus sachverständiger Sicht allenfalls einen kaum sichtbaren „Schönheitsfehler“ darstelle und sich nicht wertmindernd auswirke. Folglich lag kein Mangel zur Zeit des Gefahrübergangs vor. Also bestand zur Zeit der Rücktrittserklärung kein Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Alt. BGB. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes aus §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Alt., 346 I BGB. Jura Intensiv FAZIT Zum Gebrauchtwagenkauf entwickelte Grundsätze lassen sich auf den Tierkauf nicht in jeder Hinsicht übertragen. Der Tierverkäufer schuldet die Übereignung eines gesunden Tieres, das nicht Beschaffenheiten aufweist, welche eine hohe Wahrscheinlichkeit in sich tragen, dass das Tier sich später nicht zur gewöhnlichen Verwendung eignen wird. Dass der Markt einen Makel in einer ausgeheilten Vorerkrankung sieht, rechtfertigt ebenso wenig die Annahme eines Sachmangels wie die Aussicht, dass der Markt mit Preisabschlägen reagiert. Auch die Abweichung von der physiologischen Norm rechtfertigt nicht die Annahme eines Sachmangels, wenn das Tier beim Gefahrübergang klinisch unauffällig war. Aufgrund dieser Unterschiede zum Sachkauf, eignen sich Gerichtsentscheidungen zum Tierkauf ausgezeichnet als Vorlage für einen Examensfall. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2020 Zivilrecht 11 Problem: Ersatzfähigkeit von Personenschäden beim Sportunfall Einordnung: Deliktsrecht OLG Frankfurt, Urteil vom 14.11.2019 22 U 50/17 EINLEITUNG Sportunfälle stellen ein beliebtes Thema der juristischen Prüfungen dar. Verletzt sich ein Spieler in einem körperbetonten Wettkampfspiel wie Handball oder Fußball, stellt sich stets die praktisch relevante Frage, ob ein Regelverstoß vorgelegen hat und ob dieser Regelverstoß eine Haftung begründen kann. Rechtlich umstritten ist, ob diese Fragen anzuknüpfen sind an die Rechtswidrigkeit, an das Verschulden oder an den Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung. Werden die Fragen beim Verschulden erörtert, ist dogmatisch umstritten, ob die Haftungsbegründung aus dem Pflichtenverstoß als solche resultiert oder ob auf den Grundsatz des venire contra factum propriums zurückgegriffen wird. SACHVERHALT Die Parteien waren Spielerinnen gegnerischer Jugendmannschaften bei einem Handballspiel. Kurz vor Schluss machte K im Rahmen eines Tempo-Gegenstoßes einen Sprungwurf. B, Torfrau der Gegnerinnen, versuchte den Wurf abzuwehren. Dabei trafen beide im Bereich des 6-Meter-Raums zusammen. K stürzte beim Aufkommen und erlitt einen Kreuzbandriss im linken Knie. Der Schiedsrichter erteilte B eine rote Karte, allerdings ohne Bericht, sodass es lediglich beim Platzverweis blieb und keine Sperre für ein weiteres Spiel verhängt wurde. K wurde operiert und erhielt im Anschluss sieben Monate lang Krankengymnastik. Handball kann sie dauerhaft nicht mehr spielen. K behauptet, B sei weit aus dem Tor herausgekommen und habe sie angesprungen. B verteidigt sich zutreffend, sie sei in ihrem Raum geblieben und habe lediglich einen so genannten Hampelmann als Abwehrbewegung gemacht. Nach der Beweisaufnahme stellt sich heraus, dass der Schiedsrichter den Vorfall nicht gesehen und die rote Karte wegen vermeintlichen Nachtretens gegeben hat. K verlangt von B Schadensersatz und Schmerzensgeld. Zu Recht? LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld gem. § 823 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus § 823 I haben. I. Anspruch entstanden Jura Intensiv 1. Vom Schuldner verursachte Rechtsgutsverletzung Ein Anspruch aus § 823 I BGB setzt zunächst voraus, dass K eine Rechtsgutsverletzung erlitten hat, welche kausal auf einer Handlung oder einem pflichtwidrigen Unterlassen der B beruht. Aufgrund des Kreuzbandrisses erlitt K eine Körperverletzung. Diese geht darauf zurück, dass B aufgrund des Versuchs, einen Torwurf der K zu verhindern, mit K kollidiert ist. Die Abwehrbewegung LEITSATZ 1. Stoßen die Torfrau und eine Angreiferin beim Sprungwurf im Bereich des 6-Meter-Raums zusammen, kommt eine Schadensersatzverpflichtung für dabei erlittene Verletzungen der Angreiferin nur in Betracht, wenn gegen die Torfrau eine rote Karte mit Bericht entsprechend der Regelung 8:6 der Internationalen Handballregeln verhängt wird. 2. Wird lediglich eine Matchstrafe in Form einer roten Karte ohne Bericht verhängt, die sich nicht auf weitere Spielteilnahmen auswirkt und keine weiteren Sanktionen nach sich zieht, kommt eine zivilrechtliche Ersatzverpflichtung nicht in Betracht. Die Redaktion der RA folgt aus Überzeugung bei der rechtlichen Begutachtung eines Sportunfalls der klugen Differenzierung zwischen Kampfsport, Wettkampfspiel und Spiel, die der BGH in seinem grundlegenden und prägenden Urteil vom 05.11.1974, VI ZR 100/73 vorgenommen hat. Dies hat Auswirkungen auf den hier dargestellten Aufbau des § 823 I BGB. Insbesondere weichen wir vom Urteil des OLG Frankfurt ab, welches das Kernproblem des Falles auch bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit verortet. Dies geht auf die Fehleinschätzung zurück, Handball sei ein „Kampfsport“. Das ist Handball ganz sicher nicht. Boxen ist ein Kampfsport, Handball ist ein körperbetontes Wettkampfspiel, bei dem es um das Erzielen von Toren geht und eben nicht darum, einen Gegner K.O. zu schlagen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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