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RA Digital - 01/2020

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18 Referendarteil:

18 Referendarteil: Zivilrecht RA 01/2020 Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. Der Einheitsaufbau bietet sich hier an, da die Hilfswiderklage denselben Lebenssachverhalt betrifft. Hinweis vorab: Die Hinterlegungsgesetze der Länder sind inhaltlich deckungsgleich und weichen lediglich nummerisch von einander ab. Die Hinterlegungsordnung des Bundes ist aufgehoben m. W. v. 1.12.2010. Herausgabeanordnungen: §§ 21 ff. HintG BW Art. 18 ff. BayHintG §§ 16 ff. BerlHintG §§ 20 ff. BbgHintG §§ 21 ff. HintG Bremen §§ 20a ff. HintG Hamburg §§ 21 ff. HintG Hessen §§ 21 ff. HintG M-V §§ 16 ff. NHintG §§ 21 ff. HintG NRW §§ 17 ff. LHintG Rheinland-Pfalz §§ 21 ff. HintG Saarland §§ 21 ff. HintG LSA §§ 21 ff. SächsHintG §§ 21 ff. HintG Schleswig-Holstein §§ 20 ff. ThürHintG Urteilsstil (…„denn“…) Anspruch aus Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 I 1, 2. Var. BGB, Palandt/Sprau, BGB, § 812 Rn 40. • in sonstiger Weise = Hinterlegung durch StA, • „etwas“ = Sperrposition. Die „Sperrposition“ ist das „Gegenstück“ zur erforderlichen Bewilligung eines Verfahrensbeteiligten auf Herausgabe an einen anderen Beteiligten, • ohne rechtlichen Grund = Prüfung der Eigentümerstellung bzgl. der beiden Gemälde. Ebenso: Palandt/Herrler, BGB, § 1006 Rn 1 Eigentumsvermutung des Klägers aufgrund § 1006 I BGB. Abgeleitet daraus, dass unbestrittenen die Mutter des K Besitzerin der Gemälde war. K beantragt, B zu verurteilen, die Freigabe der beim Amtsgericht A unter dem Aktenzeichen (…) hinterlegten Gemälde von M „Frau im Sessel“ und „Blumenstrauß“ zu bewilligen. B beantragt, die Klage abzuweisen. Hilfswiderklagend für den Fall, dass die Klage abgewiesen wird, beantragt B, K zu verurteilen, die Freigabe der beim Amtsgericht A unter dem Aktenzeichen (…) hinterlegten Gemälde von M „Frau im Sessel“ und „Blumenstrauß“ zu bewilligen. K beantragt, die Hilfswiderklage abzuweisen. B behauptet, er habe die sichergestellten Gemälde mutmaßlich 1986/1987 von seinem – 1993 verstorbenen – Stiefvater unentgeltlich ausgehändigt bekommen. Dieser habe dabei geäußert, die Bilder von einem Antiquitätenhändler oder -sammler in (…) erworben zu haben. Zudem behauptet B, dass er von dem behaupteten hohen Wert der Gemälde keine Kenntnis gehabt habe. B ist der Ansicht, Eigentum an den Gemälden habe er schon aufgrund der Schenkung, jedenfalls aber infolge Ersitzung, erworben, nachdem er die Bilder viele Jahre besessen habe. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. K hat gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der Sperrposition gemäß § 812 I 1, 2. Var. BGB. B hat in sonstiger Weise auf Kosten des K diese Sperrposition aufgrund seiner Eigenschaft als Beteiligter im Hinterlegungsverfahren ohne rechtlichen Grund erlangt. B ist nicht Eigentümer der streitgegenständlichen Gemälde. Ursprünglich war K Eigentümer. Unerheblich ist, ob M die Gemälde seiner Tochter, der Mutter des K, geschenkt hat. Fest steht, dass K und sein Vater zunächst zu je 1/2 Miterben der im Jahre (…) verstorbenen Mutter des K geworden sind und dass K nachfolgend als Alleinerbe seinen Vater beerbt hat. Ausreichend ist daher, dass die Tochter des M Besitzerin der Gemälde war. Jura Intensiv [23] Da die Mutter des Kl. (…) bis zu dem klägerseitig behaupteten Einbruchsdiebstahl im Jahre 1986 – Besitzerin der Gemälde war, ist nämlich nach § 1006 II BGB zu vermuten, dass die Gemälde in ihrem Eigentum standen. [24] Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann sich auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB nicht nur der durch die Vermutung begünstigte Besitzer selbst, sondern – im Verhältnis zu Dritten – jeder berufen, der sein Recht von dem (früheren) Besitzer ableitet (vgl. BGHZ 156, 310 [315] = NJW 2004, 217; BGHZ 161, 90 [109] = NJW 2005, 359; Senat, NJW-RR 2017, 1097 Rn. 11), somit auch der Kl., der das Eigentum durch Erbfolge von seiner Mutter erworben hat. Die Vermutung des § 1006 II BGB dauert entgegen dem missverständlichen Wortlaut der Vorschrift („während der Dauer seines Besitzes“) über die Beendigung des Besitzes hinaus so lange fort, bis sie widerlegt ist Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2020 Referendarteil: Zivilrecht 19 (BGHZ 161, 90 [108] = NJW 2005, 359; Senat, NJW 2015, 1678 Rn. 34; NJW-RR 2017, 1097 Rn. 23). Unerheblich ist, dass die Gemälde der Mutter des Kl. von ihrem Vater geschenkt worden sein sollen, weil die Vorschrift auch bei behauptetem Erwerb im Wege der Schenkung eingreift (vgl. Senat, NJW 2015, 1678 Rn. 12). Folglich oblag es nicht dem Kl., das Eigentum seiner Mutter an den Gemälden zu beweisen, sondern dem Bekl., die Vermutung des § 1006 II BGB durch den Beweis des Gegenteils (§ 292 S. 1 ZPO, vgl. Senat, NJW-RR 2017, 1097 Rn. 20) zu widerlegen. [25] bb) An der für den Kl. streitenden Eigentumsvermutung ändert es nichts, dass der Bekl. bis zu der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft im Besitz der streitgegenständlichen Bilder war. Zwar tritt die Eigentumsvermutung nach § 1006 II BGB zurück, wenn sich ein späterer Besitzer auf die Vermutung nach § 1006 I 1 BGB berufen kann und beruft (Senat, NJW 2015, 1678 = WM 2015, 1434 Rn. 34; NJW-RR 2017, 1097 Rn. 23). Der Bekl. kann sich aber auf die Vermutung des § 1006 I 1 BGB hinsichtlich der Originalgemälde, für die die Vermutung des § 1006 II BGB zugunsten der Mutter des Kl. greift, nicht berufen, weil zugunsten des Kl. für das Revisionsverfahren davon auszugehen ist, dass sie ihr durch einen Einbruchsdiebstahl abhanden gekommen sind (§ 1006 I 2 BGB). Die Annahme des BerGer., der Kl. habe dieses Abhandenkommen nicht bewiesen, verstößt – wie die Revision zu Recht rügt – gegen § 286 ZPO. K hat weiterhin nicht sein Eigentum an den Gemälden dadurch verloren, dass B durch Ersitzung kraft Gesetz Eigentümer geworden ist. Die Voraussetzungen des § 937 BGB sind nicht erfüllt. Zwar steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass B die hinterlegten Gemälde zehn Jahre, nämlich jedenfalls im Zeitraum seit 1998 bis zu der Sicherstellung am (…), im Eigenbesitz gemäß § 872 BGB hatte. Die Kammer ist aber überzeugt, dass B gemäß § 937 II BGB bösgläubig ist. Beweisbelastet hierfür ist K. [38] (…) Beruft sich der auf Herausgabe verklagte Besitzer auf den Erwerb des Eigentums durch Ersitzung, trägt der frühere Besitzer der Sache die Beweislast für die Voraussetzungen des § 937 II BGB auch dann, wenn ihm die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist. [39] Angesichts der Formulierung „(d)ie Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn (…)“ in § 937 II BGB trägt nach allgemeinen Regeln derjenige die Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden guten Glauben des Ersitzenden bei Begründung des Eigenbesitzes bzw. für die spätere Kenntniserlangung vom Nichtbestehen des Eigentums, der die Ersitzung in Abrede stellt (MüKoBGB/Baldus, 7. Aufl. 2017, § 937 Rn. 87; BeckOGK/ Buchwitz, 1.2.2019, § 937 BGB Rn. 49; Erman/Ebbing, BGB, 15. Aufl. 2017, § 937 Rn. 7 a; BeckOK BGB/Kindl, § 937 Rn. 10; Prütting in Prütting/Wegen/ Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, § 937 Rn. 6, 9; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2017, § 937 Rn. 1, 11). [40] Allerdings soll nach neuerer, auf eine Entscheidung des OLG Celle zurückgehender Ansicht, in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen den Ersitzenden die volle Beweislast hinsichtlich sämtlicher Voraussetzungen des § 937 BGB einschließlich seines guten Glaubens bei Besitzerwerb treffen, wenn die Sache einem früheren Besitzer gestohlen wurde oder sonst abhanden gekommen ist (OLG Celle, GRUR-RR 2011, Jura Intensiv Beweislastverteilung: B hätte aufgrund der zuvor genannten Besitzvermutung beweisen müssen, dass die Mutter des K nicht Eigentümerin war. Prüfung, ob sich B als Besitzer der Gemälde bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme nicht ebenfalls auf § 1006 I BGB berufen kann. Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund eines Einbruches die Gemälde der Mutter des K entwendet wurden, folglich, dass diese abhandengekommen sind. Daher gilt für B die Eigentumsvermutung trotz Besitz gemäß § 1006 I 2 BGB nicht. Die chronologische sachenrechtliche Prüfung wird fortgesetzt. Kein Verstoß gegen Urteilsstil Prüfung der Ersitzung gemäß § 937 I BGB. B musste 10 Jahre Eigenbesitzer sein. Dies liegt unstreitig vor. Kernpunkt der Entscheidung: Erstens, Prüfung, ob B bösgläubig war, sodass gemäß § 937 II BGB die Ersitzung ausgeschlossen war. Zweitens, Prüfung, wer das zu beweisen hat. Auseinandersetzung mit einer abweichenden Rechtsansicht des OLG Celle, GRUR-RR 2011, 24 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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