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RA Digital - 01/2020

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22 Referendarteil:

22 Referendarteil: Zivilrecht RA 01/2020 Problem: Erledigung einer ursprünglich unzulässigen Klage Einordnung: ZPO I BGH, Urteil vom 07.11.2019 III ZR 16/18 LEITSATZ Ist eine Klage vor einem unzuständigen Gericht rechtshängig und erfüllt der Beklagte zeitlich vor dem klägerischen Verweisungsantrag die Hauptforderung, so hat sich der Rechtsstreit aus rechtlichen Gründen nicht erledigt, da zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses die Klage unzulässig war. Das Unstreitige wird im Indikativ Imperfekt dargestellt. Ein Einleitungssatz bietet sich bei diesem geringfügigen Lebenssachverhalt nicht an. Ursprüngliche Anträge des Klägers als vorgezogene Prozessgeschichte. Diese wird im Indikativ Perfekt dargestellt. Die Datumsangaben dienen in dem hier aufbereiteten Fall lediglich dazu, dass der chronologische Ablauf der Ereignisse deutlich wird. Auf einen bestimmten Tag, bspw. für eine Fristberechnung, kommt es in diesem Fall nicht an. Kein streitiger klägerischer Vortrag Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. EINLEITUNG Einen Rechtsbehelf vor einem unzuständigen Gericht rechtshängig werden zu lassen, erfolgt in der gerichtlichen Praxis nicht selten, ist aber meistens nicht mit relevanten Konsequenzen verbunden. Der Anspruch wird stets rechtshängig und in der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht gemäß § 281 I 1 ZPO die Möglichkeit der Verweisung des Rechtsstreites an das zuständige Gericht. Mehrkosten entstehen häufig nicht, da die anwaltliche Verfahrensgebühr und die Gerichtsgebühr nicht doppelt anfallen. In dem hier vorliegenden Fall liegt eine Konstellation vor, in der die Anrufung des unzuständigen Gerichts in Bezug auf die Kosten des Rechtsstreits von Bedeutung ist. Der BGH musste entscheiden, ob nach Erfüllung eines vor einem unzuständigen Gericht rechtshängig gewordenen Anspruches dieser sich rechtlich erledigen konnte, wenn zeitlich nachfolgend der Verweisungsantrag an das zuständige Gericht gestellt wurde. Die Entscheidung wird als erstinstanzliches Urteil dargestellt. TATBESTAND Am 21.05.2019 erfolgten Mäharbeiten der Beklagten (B), der Stadt B, auf einer Verkehrsinsel. Diese befindet sich auf einer in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Straße. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde das Fahrzeug des Klägers (K) (…) am Seitenfenster beschädigt. Dieser suchte hiernach am selben Tag die Reparaturwerkstatt (…) auf. Die Reparaturarbeiten wurden (…) abgeschlossen und in Höhe von 1.100 € brutto gegenüber K abgerechnet. Am 01.07.2019 hat K Klage vor dem Amtsgericht A erhoben und ursprünglich beantragt, B zu verurteilen, an K 1.100 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie K von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 201,71 € freizustellen. Jura Intensiv Am 15.07.2019 ging bei K der seitens B geleistete Betrag in Höhe von 1.100 €, gezahlt auf die Hauptforderung, ein. Am 16.07.2019 erklärte K den Rechtsstreit insoweit für erledigt. Am 20.07.2019 beantragte K nach gerichtlichem Hinweis, den Rechtsstreit an das Landgericht L zu verweisen. Am 25.07.2019 überwies B die Summe in Höhe von 201,71 € an K. Am 01.08.2019 erklärte K den Rechtsstreit auch insoweit für erledigt. B widersprach beiden Erledigungserklärungen. K beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit erledigt ist. B beantragt, die Klage abzuweisen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2020 Referendarteil: Zivilrecht 23 B vertritt die Rechtsansicht, die Klage sei nach einseitiger Erledigungserklärung abzuweisen, da sie im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses mangels sachlicher Zuständigkeit des Amtsgerichts unzulässig gewesen sei. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Rechtsstreit hat sich bezüglich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 201,71 € aufgrund der Zahlung des B am 25.07.2019 erledigt. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Feststellungsantrag des K ist als privilegierte und qualifizierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Aufgrund der andernfalls bestehenden Kostentragungspflicht des K besteht ebenfalls das rechtlich erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO. Der Rechtsstreit hat sich erledigt, wenn zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses die Klage zulässig und begründet war. Das erledigende Ereignis war die Zahlung des B in Höhe von 201,71 €. Dies erfolgte nach Verweisung an das sachlich zuständige Landgericht. Die Klage war zu diesem Zeitpunkt zudem zulässig und gemäß §§ 823 I, 249 BGB begründet. Der Antrag des K, festzustellen, dass die Klage hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 1.100 € erledigt sei, ist ebenfalls aus den zuvor genannten Gründen zulässig, aber unbegründet. Der Rechtsstreit hat sich diesbezüglich nicht erledigt. Zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses war die Klage unzulässig. [12] Andererseits ist dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass die Feststellung der Erledigung der Hauptsache die Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses voraussetzt; den Mangel der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts von diesem Grundsatz auszunehmen, ist nicht sachgerecht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2019 aaO S. 2545 Rn. 10 f; so auch Schäfer, NJW 2019, 2547 und BeckOK/ZPO-Jaspersen, § 91a Rn. 56a [Stand: 1. September 2019]). Eine Reihe von anderen Zulässigkeits- sowie von Begründetheitsmängeln kann nämlich ebenfalls unschwer durch späteres Prozessverhalten des Klägers behoben werden, mit der Folge, dass der Klage sodann bei regelmäßig voller Kostenbelastung der Beklagtenseite stattzugeben wäre. Demgegenüber ist die Anrufung des unzuständigen Gerichts für den Kläger gemäß § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO stets mit der Belastung der hierdurch verursachten Mehrkosten verbunden. Eine Privilegierung des Zuständigkeitsmangels im Verhältnis zu anderen Zulässigkeits- oder Begründetheitsmängeln überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Für diese anderen Mängel, etwa die fehlende Bestimmtheit des Klageantrags (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) oder die fehlende Angabe einer zustellungsfähigen Anschrift des Klägers, ist es indes anerkannt, dass diese zur Abweisung der Klage auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache führen, wenn sie zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses noch fortbestanden haben (s. BGH, Urteile vom 11. November 1990 - I ZR 35/89, NJW 1991, 1114, 1116 [unbestimmter Klageantrag] und vom 28. Juni 2018 - I ZR 257/16, NJW-RR 2019, 61 f Rn. 11 f, 20 f [fehlende ladungsfähige Anschrift des Klägers]; s. hierzu auch BGH, Beschluss vom 22. Mai 2019 aaO Rn. 7). Jura Intensiv Vorab: Inhaltliche Prüfungsschritte bei einseitiger Erledigung: • Vorliegen eines den Rechtsstreit erledigenden Ereignisses; • zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses war die Klage zulässig und ebenfalls begründet. Siehe hierzu: Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 91 Rn 33 Teilbegründetheit der Klage. Beginnen Sie mit dem begründeten Teil. Anschließend erfolgen Ausführungen zum abgewiesenen Teil. Zulässigkeit der einseitigen Erledigungsklärung In Unfallsachen können außergerichtliche (vorgerichtliche) Rechtsverfolgungskosten ohne Verzug geltend gemacht werden, Palandt/ Grüneberg, BGB, § 249 Rn 54. Vermeiden Sie unnötige Dopplungen. Bezüglich der generellen Zulässigkeit der Klageänderung (einseitige Erledigung) kann nach oben verwiesen werden. B war hoheitlich tätig, da sie mit den Arbeiten ihrer landesrechtlich statuierten Verkehrssicherungspflicht nachkam. Hieraus ergibt sich die Zuständigkeit des LG gemäß § 71 II Nr. 2 GVG. Arbeiten Sie streng das Ihnen bekannte Prüfungsschema ab und Sie gelangen ebenfalls zu diesem Ergebnis. Sie müssen beachten, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung, ob sich der Rechtsstreit im rechtlichen Sinne erledigt hat, der des erledigenden Ereignisses ist. Maßgeblich ist hier also, ob am 15.07.2019 die Klage zulässig und begründet war. Die Klage wurde vor dem sachlich unzuständigen Zivilgericht rechtshängig. Die Heilungsmöglichkeit, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht genutzt wurde, ändert nichts daran, dass das Amtsgericht sachlich unzuständig war. Da es unzuständig war, war zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses die Klage unzulässig. Auf die Begründetheit zu diesem Zeitpunkt kommt es nicht mehr an. Ergänzend wird seitens des BGH ausgeführt, dass hiermit die gleichen „Regeln“ gelten, wie für andere Zulässigkeitsmängel ebenfalls. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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