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RA Digital - 01/2020

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4 Zivilrecht

4 Zivilrecht RA 01/2020 Wichtig: Diese für B erkennbaren Vorstellungen der K genügen nach Auffassung des X. Zivilsenats nicht, um eine Zweckvereinbarung im Sinne der Zweckverfehlungskondiktion anzunehmen, sehr wohl aber, um eine Geschäftsgrundlage zu bejahen. Die sehr kurze Dauer zwischen Schenkung und Trennung sah das Gericht als maßgeblich an. Dass der Schenker das grundsätzliche Zweckverfehlungsrisiko trägt, liegt in der Natur der Sache. § 530 BGB bildet mit dem groben Undank eine natürliche Grenze. Gleichzeitig bietet § 313 BGB dem Gericht nicht die Ermächtigung, als „Sozialingenieur“ nach Gutdünken Verträge zu korrigieren. Diesen Ausgangspunkt klarzustellen, liegt dem X. Senat erkennbar am Herzen. § 313 BGB begegnete als solchem die Kritik, mit der Interessensabwägung Richter zu ermächtigen, den Vertragswillen eigenwillig zu interpretieren und das eigene Rechtsgefühl an die Stelle des Vertrages zu setzen. Der X. Zivilsenat sucht bei der Schenkung die Lösung außerhalb einer Interessensabwägung. Damit steht fest, dass die Vorstellungen der K, der zwecks Immobilienkauf geschenkte Geldbetrag werde die Lebensgemeinschaft der L sichern, für B erkennbar Geschäftsgrundlage geworden sind. IV. Wegfall der Geschäftsgrundlage Die Geschäftsgrundlage entfällt, wenn sich wesentliche Vorstellungen als falsch herausstellen oder sich die Umstände verändern. [25] Die Geschäftsgrundlage der Schenkung ist weggefallen, da sich die Tochter der Klägerin und der Beklagte weniger als zwei Jahre nach der Schenkung getrennt haben und sich die der Zuwendung zugrunde liegende Annahme, die Partner würden die Lebensgemeinschaft nicht lediglich für kurze Zeit fortsetzen, damit als unzutreffend erwiesen hat. V. Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag Das Festhalten am unveränderten Schenkungsvertrag muss für K unter Einbeziehung der Risikoverteilung und einer Abwägung des Einzelfalles unzumutbar sein. 1. Wesentliche Störung Dies erfordert zunächst eine wesentliche Störung, welche die Opfergrenze überschreitet. Hier liegt eine Zweckverfehlung vor. Es handelt sich angesichts des erheblichen Geldbetrages und der sehr kurzen Dauer der Lebensgemeinschaft in der gemeinsamen Immobilie auch um eine die Opfergrenze überschreitende Zweckverfehlung. 2. Risikoverteilung Grundsätzlich trägt der Schenker das Risiko der Zweckverfehlung. [18] Bis zur Grenze des groben Undanks hat danach der Schenker grundsätzlich das „Risiko“ zu tragen, dass die künftige Lebensgestaltung des Beschenkten und sein Umgang mit dem Geschenk nicht den Vorstellungen entsprechen, die er mit dem Schenkungsversprechen verbunden hat. Dies ist gerade die Konsequenz der freigiebigen Zuwendung, der nicht als Gegenleistung die Verpflichtung des Beschenkten gegenübersteht, es dem Beschenkten im Hinblick auf das Geschenk in jeder Hinsicht und auf Dauer „recht zu machen“. Die Heranziehung des § 313 BGB darf nicht dazu führen, dem Schenkungsvertrag im Wege der Vertragsanpassung rechtliche Verpflichtungen zu unterlegen, die in Widerspruch zu der vereinbarten und für ihn charakteristischen unentgeltlichen Zuwendung stehen und die unbedingte und unwiderrufliche unentgeltliche Zuwendung in eine bedingte oder widerrufliche Übertragung eines Vermögensgegenstands umwandeln. Jura Intensiv 3. Einzelfallabwägung Nach einer Einzelfallabwägung muss feststehen, dass das Risiko nicht allein auf der Schulter des Schenkenden lastete. [28] (…) Die Prüfung der Zumutbarkeit muss (…) insbesondere das vertragstypische Pflichtenprogramm sowie die sich hieraus ergebende Risikoverteilung in den Blick nehmen. [29] Die freigiebige Zuwendung entzieht sich als solche grundsätzlich einer Prüfung am Maßstab einer umfassenden Interessenabwägung. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2020 Zivilrecht 5 Die Zuwendung ist beiden Vertragsparteien „zumutbar“, weil sich der Schenker dem Grunde und der Höhe nach für ein bestimmtes Schenkungsversprechen entschieden hat. Hat der Schenker den Schenkungsvertrag erfüllt und das Geschenk zugewendet, stellt sich auch umgekehrt grundsätzlich nicht die Frage, ob es ihm zuzumuten ist, dem Beschenkten das Geschenk auch zu belassen, oder ob es dem Beschenkten zuzumuten ist, das Geschenk insgesamt oder teilweise zurückzugeben. Daher kann bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auch der Maßstab der Zumutbarkeit grundsätzlich nur die freie Entscheidung des Schenkers für die Zuwendung sein. Maßgeblich ist, ob und inwieweit die Kenntnis der veränderten Umstände diese Entscheidung beeinflusst hätte. [30] Ist die Schenkung mit der für den Beschenkten erkennbaren Vorstellung erfolgt, damit zur Grundlage eines (weiteren) dauerhaften Zusammenlebens der (Ehe-)Partner beizutragen, und rechtfertigt sich die Annahme, dass das Schenkungsversprechen nicht gemacht worden wäre, wäre für den Schenker das alsbaldige Ende dieses Zusammenlebens erkennbar gewesen, kann dem Schenker daher regelmäßig nicht zugemutet werden, sich unverändert an der Zuwendung festhalten lassen zu müssen. VI. Vertragsanpassung bei teilweiser Zweckerreichung Fraglich ist, wie eine Vertragsanpassung aussehen könnte, zieht man in die Überlegung mit ein, dass das Zusammenleben ca. 21 Monate andauerte und der Zweck der Schenkung damit zumindest teilweise erreicht wurde. In Betracht käme einerseits, die ersparte Miete der L anzurechnen. [33] Das Festhalten am (unveränderten) Vertrag ist der Klägerin auch nicht deshalb zuzumuten, weil ihre Tochter insgesamt mindestens vier Jahre in dem mit den schenkweise zugewandten Beträgen finanzierten Haus gewohnt hat. Denn der Anspruch der Klägerin aus § 313 I BGB ist mit dem Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Trennung der Partner entstanden. Die weitere Nutzung der Immobilie durch die Tochter der Klägerin ist hierfür ohne Bedeutung. Jura Intensiv In Betracht käme eine weitere Berechnungsmethode. Bei dieser wird der gezahlte Gesamtbetrag auf die Restlebenserwartung umgelegt, um den Wert eines Jahres zu ermitteln. Dieser Wert wird mit der Anzahl der Jahre multipliziert, welche die Lebensgemeinschaft bestanden hat. Diese Summe wird vom Rückforderungsanspruch wegen teilweiser Zweckerreichung subtrahiert. Dies setzt allerdings voraus, dass eine Vertragsanpassung der K überhaupt zuzumuten ist und ihr nicht anstelle dessen ein Rücktrittsrecht gem. § 313 III 1 BGB zuzuerkennen ist. [35] Ist die Geschäftsgrundlage eines Vertrages weggefallen, (…) kann nach § 313 I BGB grundsätzlich nur eine Anpassung des Vertrags verlangt werden. Nur wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Partei nicht zumutbar ist, kann die durch den Wegfall benachteiligte Vertragspartei nach § 313 III BGB vom Vertrag zurücktreten oder ein Dauerschuldverhältnis kündigen. [36] Dieser Vorrang der Anpassung gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Parteien in Voraussicht der veränderten Umstände den Vertrag nicht mit anderem Inhalt, sondern gar nicht geschlossen hätten. (…) Daher ist eine Vertragsanpassung im Allgemeinen dann als unzumutbar anzusehen, wenn sie nur zu einem Vertragsinhalt führen kann, der einer Dieser Satz ist entscheidend für das Verständnis des Urteils: Der X. Senat sucht die Konfliktlösung allein in der freien Entscheidung des Schenkers. Das Gericht sieht im kurzfristigen Scheitern des Zusammenlebens ein vollständiges Scheitern der Zweckvorstellungen der Schenkerin und sieht allein hierin die Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Schenkung. Der X. Zivilsenat sieht in der Anrechnung der ersparten Miete offensichtlich keine Lösung. Er folgt dabei konsequent dem oben ermittelten Ergebnis zur Auslegung des Parteiwillens. Es ging K nicht darum, der Tochter Miete zu ersparen, sondern der L einen Lebensmittelpunkt für ihre Lebensgemeinschaft zu verschaffen. Weiter unten wird deutlich, warum der X. Senat eine fiktive Anrechnung ersparter Miete nicht in Erwägung zieht. Diese Methode findet sich im Beschluss des OLG Bremen vom 17.08.2015, RA 2015, 522, 5 UF 52/15. Obwohl nicht unkompliziert, findet sie in der Praxis Verbreitung, so im vorliegenden Fall durch das Berufungsgericht, das OLG Brandenburg. Es verurteilte B zur Rückzahlung von 91,6 % der geschenkten Summe gem. § 313 I BGB. Vorrang der Vertragsanpassung Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts gem. § 313 III 1 BGB ist, dass die Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn die Vertragsanpassung zu einem Vertragsinhalt führt, die einem hypothetischen Parteiwillen nicht standhält. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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