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RA Digital - 01/2021

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24 Referendarteil:

24 Referendarteil: Zivilrecht RA 01/2021 BGH, Urteil vom 15.10.1999, V ZR 77/99 BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12 Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I, 708, 709, 711 ZPO. Es ist allgemein anerkannt, dass der Beseitigungsanspruch nach § 1004 I S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit begrenzt ist. [44] Die Befolgung des Unterlassungsgebots ist der beklagten Person auch nicht deshalb unzumutbar, weil sich noch keine allgemeingültige Anrede für Personen aus dem heterogenen Kreise der Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität herausgebildet hat. Dies ist im Verhältnis zur klagenden Person irrelevant. Die klagende Person hat bereits zu erkennen gegeben, dass sie gegen ein „Guten Tag …“ nichts einzuwenden habe. Ferner ist die beklagte Person, wie eingangs erläutert, überhaupt nicht verpflichtet, für die klagende Person eine Anrede zu verwenden. [45] Auch das Interesse der beklagten Person, dem angenommenen Wunsch des weit überwiegenden Teils der Kundschaft, weiterhin traditionell mit „Sehr geehrte Frau …“ oder „Sehr geehrter Herr …“ angesprochen zu werden, wird durch das Unterlassungsbegehren nicht berührt. Dies wäre auch danach noch möglich, wenn die beklagte Person weitere Anredevarianten zur Wahl stellt. K steht kein Zahlungsanspruch aufgrund der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes gemäß § 823 I BGB i. V. m. Art. Art. 1 I, 2 I GG zu. Nach dem BGH begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. [54] Die Verletzung durch die Anrede „Herr“ im Rechnungsschreiben vom 12.03.2020 ist aber nicht derart schwerwiegend, dass sie nur durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden könnte. Dies ergibt sich unter Abwägung aller hier relevanten Umstände. FAZIT Die Folgeprobleme liegen auf der Hand. Begehren – zurecht – Personen eines nicht-binären Geschlechts ein Unterlassen dahingehend, sich bei Anreden zwischen „Herr“ und „Frau“ entscheiden zu müssen, stellt sich die Frage nach einer geschlechtsneutralen Anrede. Diese muss aber zugleich die gleiche Höflichkeit und den gleichen Grad an Respekt zum Ausdruck bringen wie „Sehr geehrte/r Frau/Herr Name“. Das „gegen ein ‚Guten Tag‘ nichts einzuwenden sei“ erscheint im Hinblick auf den Streitgegenstand unglaubwürdig, da eine geschlechtsabhängig eine unterschiedliche Nähe zum Adressaten aufweisende Anrede nach diesen Maßstäben ebenfalls diskriminierend wäre. Stelle man sich nur vor, sämtliche Männer würden mit „Sehr geehrter Herr“ und sämtliche Frauen mit „Guten Tag“ oder „Hi“ angesprochen werden. Sollte daher von alten – und vielleicht nicht mehr zeitgemäßen – Sprachriten Abstand genommen werden? Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 01/2021 NEBENGEBIETE Nebengebiete 25 Gesellschaftsrecht Problem: Liquidationsgesellschaft kann Nachschuss fordern Einordnung: § 735 BGB BGH, Urteil vom 27.10.2020 II ZR 150/19 EINLEITUNG Ob und unter welchen Voraussetzungen eine GBR zur Geltendmachung von Nachschussansprüchen gemäß § 735 BGB berechtigt ist, wenn der Nachschuss nur noch zum Ausgleich unter den Gesellschaftern benötigt wird, ist nicht abschließend geklärt. Der BGH hat eine solche Befugnis für Liquidatoren einer Publikumsgesellschaft bejaht, aber offengelassen, ob die Liquidatoren von Personengesellschaften generell, auch ohne gesellschaftsvertragliche Ermächtigung, zur Durchführung des Ausgleichs unter den Gesellschaftern berechtigt sind. Der BGH bejaht dies nun. SACHVERHALT Die klagende GbR wurde von dem Beklagten und Rechtsanwalt G 1992 zur Errichtung und Bewirtschaftung eines Wohn- und Geschäftshauses gegründet. Im September 2001 wurde die K-GmbH als alleinvertretungsberechtigte Gesellschafterin ohne Kapitalbeteiligung aufgenommen. Seit dem Verkauf der gesellschaftseigenen Immobilie im März 2008 befindet sich die Klägerin in Liquidation. Unter dem 9.11.2011 erstellte die K. Vermögensverwaltungs- und Steuerberatungsgesellschaft für die Klägerin eine Auseinandersetzungsbilanz, die zum 16.9.2010 eine Auseinandersetzungsforderung des G i.H.v. rd. 12.000 € sowie eine Auseinandersetzungsverbindlichkeit des Beklagten in gleicher Höhe ausweist. Die Ausgleichsforderung beruht rechnerisch darauf, dass unter den sonstigen Verbindlichkeiten der Klägerin ein Betrag i.H.v. rd. 24.000 € als Darlehen des G ausgewiesen ist. Der abschließend genannte Ausgleichsbetrag entspricht der Hälfte des Darlehensbetrags abzgl. anderweitiger Entnahmen des G. Die Auseinandersetzungsbilanz ist nicht durch Gesellschafterbeschluss festgestellt worden, da der Beklagte seine Zustimmung verweigert hat. Jura Intensiv Die Klägerin beantragte, den Beklagten zu verurteilen, der Auseinandersetzungsbilanz „zum 30.6.2008“ zuzustimmen und an die Klägerin rd. 12.000 € zzgl. Darlehenszinsen für den Zeitraum von 2008 bis 2011 i.H.v. rd. 2.000 € zu zahlen. LG und KG wiesen die Klage ab, weil die Klägerin die rechtswirksame Vereinbarung des Darlehens über rd. 24.000 € und damit die inhaltliche Richtigkeit der Auseinandersetzungsbilanz nicht dargelegt habe. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück. LEITSATZ Auch eine GbR, die keine Publikumsgesellschaft ist, kann nach ihrer Auflösung, vertreten durch den Liquidator, Nachschüsse zum Zweck des Ausgleichs unter den Gesellschaftern einfordern. Bei dem möglichen Anspruch des G. auf Darlehensrückzahlung handelt es nicht um einen Drittgläubigeranspruch. Drittgläubigeransprüche eines Gesellschafters sind Ansprüche, die ihre Grundlage nicht im Gesellschaftsvertrag, sondern in einem davon unabhängig mit der Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäft haben. In der Liquidation betreffen sie nicht den internen Ausgleich und unterliegen dementsprechend keiner Durchsetzungssperre. Ein solcher Anspruch ist hier nicht gegeben. Nach dem Vortrag der Klägerin ergab sich der in die Schlussrechnung aufgenommene Darlehensbetrag aus der Umwandlung einer zuvor entstandenen Differenz der Kapitalkonten. Der Verbuchung des so bezeichneten Darlehens liegt damit kein vom Gesellschaftsverhältnis unabhängiges Rechtsgeschäft zugrunde. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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