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RA Digital - 02/2017

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66 Zivilrecht

66 Zivilrecht RA 02/2017 LÖSUNG A. K gegen B auf Ersatz der Heilbehandlungskosten gem. §§ 833 S. 1, 830 I 2 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Heilbehandlungskosten gem. §§ 833 S. 1, 830 I 2 BGB haben. Definition des Tierhalters Die Rechtsgutsverletzung muss auf einer Verwirklichung der tierspezifischen Gefahr im Kausalverlauf beruhen. Kein Nachweis, dass das Tier der B für die Verletzung der Stute der K verantwortlich ist § 830 I 2 BGB soll Klägern aus der Beweisnot helfen I. Tierhalter Dazu müsste B Tierhalterin sein. Halter eines Tieres ist, wer das Tier in seinem eigenen Interesse auf längere Dauer in seiner Gewalt oder Obhut hat. B ist Eigentümerin des Pferdes und trägt für es regelmäßig Sorge. Sie ist damit seine Halterin. II. Rechtsgutsverletzung Das Pferd der K weist erhebliche Verletzungen am rechten hinteren Bein auf. Tiere werden gem. § 90a S. 3 BGB wie Sachen behandelt. Folglich liegt mit der Verletzung des Tieres die Beschädigung einer Sache vor. III. Kausalität (durch das Tier) Die Rechtsgutsverletzung muss auf dem Verhalten des Tieres beruhen (sog. haftungsbegründende Kausalität). Die Verletzung wäre durch das Pferd der B verursacht worden, wenn sich in der Verletzung die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung verwirklicht hat. Als Verwirklichung einer spezifischen Tiergefahr kann jedes Verhalten angesehen werden, das sich als Resultat angeborener sowie nach Wirkung und Richtung unberechenbarer Verhaltensprogramme darstellt und daher einer vollständigen Beherrschung durch den Menschen entzieht. „II.1. Vorliegend steht bereits nicht fest, ob die Verletzung der klägerischen Stute durch einen Tritt oder sonstige Einwirkungen eines anderen Pferdes verursacht worden sind. Zwar spricht das aus dem in Bezug genommenen Attest ersichtliche Verletzungsbild mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für einen Tritt. […] Allerdings bleibt auch die Möglichkeit offen, dass sich das Pferd der K selbst verletzt hat. Der Umstand einer etwa 3 cm langen Riss- oder Schnittwunde trägt zu einer näheren Aufklärung nichts bei.“ Jura Intensiv Damit bleibt als tatsächlicher Anknüpfungspunkt einer Haftung der B nur die Anwesenheit ihres Pferdes in einer Menge von insgesamt 14 Pferden bei im Übrigen unklarem Handlungsablauf. Eine Haftung der B kommt demnach nur unter den Voraussetzungen des § 830 I 2 BGB in Betracht. Diese Vorschrift greift ein, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat. „II. 3.a) Der Pferdehalter, ebenso wie der Kraftfahrzeughalter, kann Beteiligter im Sinne des § 830 I 2 BGB sein. Ausdrücklich gilt dies auch für die Gefährdungshaftung des Tierhalters gem. § 833 S. 1 BGB.“ „Die Vorschrift dient der Überwindung der Beweisschwierigkeiten des Geschädigten, dessen Ersatzanspruch nicht daran scheitern soll, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten („Täter“), deren Handlung jede für sich geeignet war, den Schaden zu verursachen, der eigentliche Schädiger gewesen ist.“ Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2017 Zivilrecht 67 „II.3.a) Auch wenn es sich der Sache nach um eine unerlaubte Handlung handeln muss, ist Anknüpfungspunkt nicht unbedingt menschliches Verhalten als solches; vielmehr kann auch das Halten eines Tieres die den Schaden verursachende Handlung sein. Demnach ist eine Haftung nicht grds. ausgeschlossen.“ „Zu beachten ist aber, dass das „Beteiligtsein“ i.S.v. § 830 I 2 BGB Mitwirkung bei der Tätigkeit bedeutet, welche zunächst nur eine Gefährdung hervor ruft, aber in ihrer weiteren Entwicklung zu der den Schaden unmittelbar bewirkenden Handlung geführt hat. Es muss eine objektiv gemeinsame Gefährdung vorliegen. In welcher Weise das Pferd der Beklagten vorliegend - und wenn auch nur i.S.e natürlichen, artgemäßen Handlung - mitgewirkt haben soll, bleibt unklar. Auch bleibt offen, in welcher über die bloße Anwesenheit hinausgehenden Weise alle anderen Tiere das Pferd der K gefährdet haben könnten.“ „Beteiligt i.S.d. § 830 I 2 BGB sind, bezogen auf menschliches Verhalten, nur Personen, deren Gefährdungshandlungen, sei es auch zeitlich aufeinander folgend, sachlich, räumlich und zeitlich mit der Schädigung einen tatsächlich zusammenhängenden einheitlichen Vorgang bilden, d. h. nach der Anschauung des täglichen Lebens aufgrund der Umstände des konkreten Falles als dessen Teil erscheinen. Auch bei großzügiger Betrachtung überbrückt die Norm damit nicht Zweifel, ob der in Anspruch Genommene überhaupt unerlaubt und mit Verletzungsneigung in die Schutzsphäre des Betroffenen eingegriffen hat. Vielmehr muss die Beteiligung des in Anspruch Genommenen feststehen.“ „An einem derart sachlich, räumlich und zeitlich mit der Schädigung zusammenhängenden Vorgang fehlt es hier. Auch wenn man vorliegend als Anknüpfungspunkt das Halten eines Pferdes wählen will, müsste doch dessen natürliches Verhalten in Bezug auf das geschädigte Rechtsgut erkennbar sein. Selbst nach der Schilderung der K sind aber keine über die bloße Anwesenheit auf dem Paddock hinausgehenden konkreten Anhaltspunkte für ein Verhalten des Pferdes der B, auch nicht die Beteiligung an der „Unruhesituation“, zu erkennen. Jura Intensiv „Die bloße Anwesenheit von mehreren Tieren am Ort eines Verletzungsgeschehens allein vermag aber auch nach dem Sinn und Zweck der Haftungsnormen noch keine Haftung zu begründen: „Die Zurechnungsnorm des § 830 I 2 BGB, über die allein hier eine Haftung der B zu begründen wäre, will nämlich die Beweislage desjenigen erleichtern, der als Dritter einen Schaden erlitten hat, für den mehrere, im Einzelnen aber nicht feststellbare Schädiger verantwortlich sein können. Hier hingegen stellt sich die Frage der Haftung mehrerer potenzieller Schädiger untereinander, das Pferd der Beklagten war gerade nicht unbeteiligter Dritter. Folgendes Beispiel mag die sich hieraus ergebenden Zweifel illustrieren:“ „Befänden sich etwa 14 Kraftfahrzeuge auf einem abgeschlossenen Parkplatz und hätte am Ende des Tages ein Fahrzeug Beschädigungen, deren Ursache nicht zu ermitteln ist, wäre selbst unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdungshaftung kaum hinnehmbar, dass sich der Kläger den Halter eines „herumstehenden“ Fahrzeuges als Schädiger herausnehmen könnte.“ Entscheidender Aspekt des Falles: § 830 I 2 BGB findet auch im Rahmen des § 833 BGB Anwendung! Das Pferd als „Beteiligter“ Konkrete Maßstäbe bei menschlichem Verhalten Beteiligung muss feststehen Der notwendige sachliche, räumliche und zeitliche Zusammenhang zwischen einem möglichen „Fehlverhalten“ des Pferdes der B und der Verletzung der Stute der K fehlt. Das verletzte Pferd war nicht „unbeteiligter Dritter“. Vergleich mit Blechschaden am PKW auf abgeschlossenem Parkplatz © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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