Aufrufe
vor 7 Jahren

RA Digital - 02/2017

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Partei
  • Verlags
  • Stgb
  • Urteil
  • Beklagten
  • Beklagte
  • Revision
  • Digital
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

96 Referendarteil:

96 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 02/2017 Voraussetzung: Sondernutzung ohne erforderliche Erlaubnis Verzehr von Pizzen auf öffentlichen Straßen durch die Kunden kann im Einzelfall eine straßenrechtliche Sondernutzung seitens des Pizzabäckers sein. Pizzabäcker muss sich das Verhalten seiner Kunden zurechnen lassen. Vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 28.7.2010, 5 S 981/10; Beschluss vom 3.7.2012, 5 S 2855/11 Hier zeigt sich eine Parallele zum Bauaufsichtsrecht (formelle und materielle Illegalität). Beachte: Vorbringen der Beteiligten ist stets zu würdigen, auch wenn es noch so abwegig ist. Hier prüft das Gericht in der Sache die materielle Illegalität der Straßennutzung. In einer Klausur beschränkt sich diese Prüfung natürlich nicht darauf, ob „offensichtlich“ ein Anspruch besteht. Das ist hier nur dem Eilcharakter des Verfahrens geschuldet. Typischer Einwand in einer Klausur: Das umstrittene Verhalten wäre durch eine schon erteilte Genehmigung legitimiert. Nach den von der Antragsgegnerin für den Zeitraum August 2011 bis August 2016 umfangreich dokumentierten Feststellungen ihres Kommunalen Ordnungsdienstes und der Polizei ist davon auszugehen, dass der Antragsteller - vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich in den Räumen des Pizzaservice - Pizzen und Getränke an Kunden abgibt, die diese mit seinem Wissen und Wollen in zahlreichen Fällen, mitunter in Gesellschaft von bis zu 30 anderen Kunden, in unmittelbarer Nähe in der ... konsumieren. Hierbei handelt es sich um eine ohne die erforderliche Erlaubnis erfolgende straßenrechtliche Sondernutzung durch den Antragsteller. Gemeingebrauch ist in § 13 Abs. 1 StrG definiert als der jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattete Gebrauch der öffentlichen Straßen, soweit durch die Benutzung einer öffentlichen Straße der Gemeingebrauch anderer nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Die beschriebene Nutzung des angrenzenden Bereichs der ... durch Kunden des Antragstellers ist eine nicht vom Gemeingebrauch umfasste Inanspruchnahme der öffentlichen Straße durch den Antragsteller zum Zwecke der (Außen)Bewirtschaftung. Diese für klassische Gastronomiebetriebe in der Rechtsprechung geklärte Zurechnung, wonach weder eine Bewirtung auf der öffentlichen Straße noch die Aufstellung von zum Sofortverzehr auffordernder Stehtische oder anderer Möbel für die Annahme einer Sondernutzung durch den Gastwirt erforderlich ist, gilt uneingeschränkt auch für den Betrieb des Antragstellers. Bei einer somit vorliegenden Sondernutzung der öffentlichen Straße, für die dem Antragsteller auch keine Erlaubnis erteilt wurde, kann die Behörde regelmäßig allein wegen der formellen Illegalität der Sondernutzung Maßnahmen zu ihrer Beendigung anordnen. Ob die Sondernutzung mit einer massiven Verschmutzung oder Verkehrsbeeinträchtigung einhergeht, kann entgegen der Auffassung des Antragstellers dahingestellt bleiben. Für einen Sonderfall, in dem offensichtlich ein Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis besteht und deshalb möglicherweise allein die formelle Illegalität für eine Anordnung nach § 16 Abs. 8 Satz 1 StrG nicht ausreicht, ist hier nichts ersichtlich. Auch die im Vergleich zu einem klassischen Gastronomiebetrieb vorliegenden Besonderheiten des Betriebs des Antragstellers führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Jura Intensiv Bei dem ... handelt es sich um einen Pizza(liefer)service mit einigen wenigen Stehtischen zum Sofortverzehr und einem - wohl baurechtlich genehmigten - Pizzaabholservice. Das Mitnehmen der Speisen und Getränke zum Verzehr außerhalb der Räume des Pizzaservice ist einem Abholservice immanent. Gleichwohl ersetzt die nicht näher beschriebene Genehmigung eines Abholservice nicht eine erforderliche straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis, wenn die Kunden die Waren nicht lediglich abholen, sondern in unmittelbarer Nähe auf öffentlicher Straße verzehren. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 97 Die straßenrechtliche Untersagung kommt auch nicht einer Gewerbeuntersagung gleich. Zwar ist es naheliegend, dass der Antragsteller der Verfügung nur dadurch nachkommen kann, dass er sich zwischen 23:00 Uhr und 11:00 Uhr auf den Pizzalieferservice und die Abgabe von Pizzen zum Sofortverzehr an den innerhalb seiner Räumlichkeiten aufgestellten Stehtischen beschränkt und eine Abgabe seiner Ware zur Mitnahme gänzlich unterlässt. Angesichts der verbleibenden Betriebsformen, insbesondere des für einen Pizzaservice ohnehin im Vordergrund stehenden Lieferdienstes, und angesichts der zeitlichen Einschränkung auf den Zeitraum nach 23:00 Uhr, für den nach den Richtlinien der Antragsgegnerin zur Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zur Außenbewirtschaftung in ... vom 11.02.1993 derartige Sondernutzungserlaubnisse grundsätzlich nicht erteilt werden, erscheint die Untersagung verhältnismäßig und auch im Übrigen ermessensfehlerfrei. [...] Eine vergleichbare straßenrechtliche Sondernutzung, die unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG von der Antragsgegnerin geduldet wird, wurde vom Antragsteller nicht benannt und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr ist der vorgelegten Aufstellung der Antragsgegnerin über 58 „Verwaltungsverfahren zur Untersagung von Außenbewirtschaftungen in Form des Sofortverzehrs auf der Straße vor der Gaststätte“ zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin seit 2009 konsequent gegen derartige unerlaubte Sondernutzungen vorgeht, […]. Auch die unter Ziffer 2 Satz 1 der Verfügung ausgesprochene Untersagung, auf allen öffentlichen Verkehrsflächen, das heißt allen öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, im in der Anlage 2 gekennzeichneten Bereich der Altstadt Bestellungen aufzunehmen oder bestellte Waren/Speisen abzugeben, ist aller Voraussicht nach rechtlich nicht zu beanstanden. Auch diese zeitlich unbeschränkte Untersagung ist hinreichend bestimmt (§ 37 VwVfG). Entgegen der seiner Gleichsetzung der Verfügung mit einer Gewerbeuntersagung zu entnehmenden Annahme des Antragstellers wird ihm nicht die gesamte Geschäftstätigkeit in der Altstadt der Antragsgegnerin untersagt, sondern lediglich die beschriebene Geschäftstätigkeit auf öffentlichen Verkehrsflächen im räumlich hinreichend klar begrenzten Gebiet der Altstadt, mithin vor seinem Betrieb oder auf einer anderen öffentlichen Straße in der Altstadt. Jura Intensiv Ziffer 2 Satz 1 der Verfügung erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage wiederum in § 16 Abs. 8 Satz 1 StrG. Nach den von der Antragsgegnerin für den Zeitraum April 2015 bis April 2016 umfangreich dokumentierten Feststellungen ihres Kommunalen Ordnungsdienstes und der Polizei, vom Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin am 24.05.2015 und im Antragsschriftsatz vom 27.07.2016 eingeräumt, nimmt der Unternehmensinhaber persönlich oder durch seine Mitarbeiter an Sonn- und Feiertagen, d.h. während der gesetzlichen Ladenschlusszeiten, auf öffentlicher Straße vor seinem Betrieb oder unweit hiervon auf der Hauptstraße Bestellungen von Kunden entgegen und beliefert diese dort mit den bestellten Pizzen. Dies ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Insofern sollte ein Ergebnissatz vorangestellt werden (Urteilsstil), z.B.: Die Untersagungsverfügung erweist sich auch als verhältnismäßig, insbesondere als angemessen. Dass sie den Antragsteller so stark in der Ausübung seines Gewerbes beeinträchtigt, dass sie einer Gewerbeuntersagung gleichkommt, ist nicht ersichtlich.“ Weiterer typischer Einwand in einer Klausur: Verstoß gegen Art. 3 I GG Im Übrigen wäre dann auch der Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“ zu problematisieren gewesen. Prüfung von Ziffer 2 Satz 1 der Verfügung Bestimmtheit Auch hier: Einbindung des Vorbringens der Beteiligten. Rechtsgrundlage auch hier im Straßenrecht © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats