Aufrufe
vor 7 Jahren

RA Digital - 02/2017

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Partei
  • Verlags
  • Stgb
  • Urteil
  • Beklagten
  • Beklagte
  • Revision
  • Digital
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

58 Zivilrecht

58 Zivilrecht RA 02/2017 I. Schuldverhältnis K und B haben einen Mietvertrag i.S.d. § 535 BGB über eine Wohnung geschlossen. Ein Schuldverhältnis liegt damit vor. II. Pflichtverletzung Weiterhin müsste B eine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis verletzt haben. Gem. § 241 II BGB sind die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verpflichtet. Hier könnte das Eigentumsrecht des K durch eine Obhutspflicht des B verletzt worden sein, indem B Betäubungsmittel in der von K angemieteten Wohnung aufbewahrte. Lagerung des Marihuana in der Wohnung als Verletzung einer Obhutspflicht gem. § 241 II BGB Beschädigung der Wohnungstür durch die Polizei als Dritte unbeachtlich „II. 1. a) Aufgrund der aus § 241 II BGB folgenden Obhutspflicht hat ein Mieter die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln und alles zu unterlassen, was zu einer - von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB) nicht umfassten - Verschlechterung oder einem Schaden an dieser führen kann. Gegen diese besondere Schutzpflicht, die nicht zuletzt Konsequenz des auf den Mieter übertragenen Besitzes an der Mietsache ist, kann ein Mieter jedoch nicht nur im unmittelbaren Umgang mit dieser verstoßen, sondern auch durch einen Gebrauch, welcher schädigende Einwirkungen Dritter hervorzurufen geeignet ist.“ „Mit der Aufbewahrung von 26,32 g Marihuana in der von ihm angemieteten Wohnung hat B diese Obhutspflicht verletzt. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung muss ein Mieter, der in seiner Wohnung Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begeht oder seine Wohnung zur Aufbewahrung von Tatmitteln aus derartigen Straftaten nutzt oder hierfür zur Verfügung stellt, ohne weiteres damit rechnen, dass es im Zuge aufgrund dessen durchgeführter strafprozessualer Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung kommt. Mit einem derartigen Verhalten überschreitet der Mieter den ihm aufgrund seiner Mietzahlung zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache.“ Folglich hat B durch die Lagerung des Marihuana in der von ihm angemieteten Wohnung eine Obhutspflicht i.S.d. § 241 II BGB verletzt. Jura Intensiv III. Vertretenmüssen Diese hat er auch gem. §§ 280 I 2, 276 I BGB zu vertreten. IV. Adäquat kausaler Schaden Schließlich müsste K ein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Schaden entstanden sein, der adäquat kausal auf der Pflichtverletzung beruht. Kausalität i.S.d. Äquivalenztheorie zwischen Schaden und Pflichtverletzung „II.1.b) aa) Das Grunderfordernis jeder Schadenszurechnung - sowohl im Rahmen der vertraglichen als auch der deliktischen Haftung - bildet die Verursachung des Schadens im logisch-naturwissenschaftlichen Sinn. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (allgemeine Meinung). Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen.“ „Zwischen der Pflichtverletzung des B - Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz erworbenen 26,32 g Marihuana in der Wohnung - und der Beschädigung der Eingangstür besteht ein Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2017 Zivilrecht 59 derartiger Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non nicht. Zwar ist B aufgrund der im Rahmen der Durchsuchung bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittel nachfolgend wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gem. § 29 I 1 Nr. 1 BtMG verurteilt worden. Diese erst anlässlich der Durchsuchung festgestellte Straftat war jedoch nicht Grundlage der am 27.06.2013 durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen. Denn der an diesem Tag durch die Polizeibeamten vollzogene Durchsuchungsbeschluss hatte zwar ebenfalls dem B vorgeworfene Betäubungsmitteldelikte zum Gegenstand, jedoch ging es hierbei um Tatvorwürfe des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29a I Nr. 2 BtMG) aus dem bereits länger zurückliegenden Tatzeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2012. Dass es sich bei den am 27.06.2013 aufgefundenen Betäubungsmitteln aber um Tatmittel aus diesen dem B vorgeworfenen Taten [nach § 29a I Nr. 2 BtMG] handelt, kann - jedenfalls mangels anderslautender Feststellungen - nicht angenommen werden.“ „Vielmehr kann die Aufbewahrung der 26,32 g Marihuana in der Wohnung durch den B hinweggedacht werden, ohne dass der beim K durch die Beschädigung der Eingangstür eingetretene Schaden entfiele. Denn die Ermittlungsmaßnahmen wären in gleicher Weise durchgeführt worden, wenn der B diese Betäubungsmittel nicht erworben und in der Wohnung aufbewahrt hätte.“ Mithin fehlt es an einem adäquat kausalen Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB. V. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Reparaturkosten an der beschädigten Wohnungseingangstür aus §§ 280 I, 241 II BGB. B. K gegen B auf Ersatz der Reparaturkosten gem. § 823 I BGB Dementsprechend kommt auch eine Haftung des B aus § 823 I BGB mangels Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden von vornherein nicht in Betracht. Jura Intensiv FAZIT Der beklagte Mieter hat den Schaden an der Tür nicht verursacht, da die Wohnung nicht wegen der möglichen Aufbewahrung von Marihuana, sondern wegen des Verdachts auf Drogenhandel durchsucht wurde. Für den BGH stand fest: Selbst für den Fall, dass der Mieter in seiner Wohnung keine Betäubungsmittel aufbewahrt hätte, wäre es aufgrund des Tipps des Zeugen zu einer Wohnungsdurchsuchung gekommen. Da es demzufolge an einem kausalen Zusammenhang von Pflichtverletzung und Schaden fehlte, konnte der Vermieter seinen Schaden an der Wohnungseingangstür nicht ersetzt verlangen. Die Polizei durchsuchte die Wohnung aufgrund des Verdachts des unerlaubten Handelstreibens Betäubungsmitteln gem. § 29a I Nr. 2 BtMG und nicht wegen des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes gem. § 29 I 1 Nr. 1 BtMG. Nach Auffassung des BGH konnte die Aufbewahrung des Marihuana hier hinweggedacht werden, ohne dass die Wohnungsdurchsuchung bei B entfiele. Damit verneint der BGH bereits die äquivalente Kausalität. Diese Wertung mag hier zutreffen, ist aber auf andere Fälle nicht zwingend übertragbar. Hier beruhte die Durchsuchung nicht auf tatsächlichem Drogenhandel, sondern auf dem Tipp des unglaubwürdigen Zeugen. Der Fall lässt sich vom JPA aber leicht abwandeln. Wenn im konkreten Examensfall zum Drogenbesitz weitere verdächtige Umstände hinzukämen, die ein Anscheinsbeweis für den Handel mit BTM begründen würden, bestünde ein äquivalenter Kausalzusammenhang mit der bloßen Aufbewahrung des THC. Nähme man dann vertretbar eine äquivalente Kausalität an, wäre anschließend zu überprüfen, ob ein inadäquater, da atypischer Kausalverlauf vorläge. Nicht jeder THC-Konsument muss mit einer gewaltsam Türöffnung durch die Polizei rechnen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats