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RA Digital - 02/2019

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RA 02/2019 Öffentliches Recht 89 II. Formelle Rechtmäßigkeit des Widerrufs In formeller Hinsicht bestehen keine rechtlichen Bedenken, insbesondere hat die zuständige Behörde die von § 34a I 5 GewO verlangten Ermittlungen angestellt und A vor Erlass des Widerrufsbescheids gem. § 28 I VwVfG angehört. Unproblematisch, daher knappe Darstellung III. Materielle Rechtmäßigkeit des Widerrufs Der Widerruf ist materiell rechtmäßig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorliegen und das auf der Rechtsfolgenseite eröffnete behördliche Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde. 1. Nachträglich eingetretene Tatsachen Gem. § 49 II 1 Nr. 3 VwVfG müssen nachträglich Tatsachen eingetreten sein, aufgrund derer die Behörde berechtigt wäre, den begünstigenden Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der begünstigende Verwaltungsakt ist die dem A erteilte Bewachungserlaubnis nach § 34a I 1 GewO. Deren Erteilungsvoraussetzungen könnten nachträglich aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen des A entfallen sein. Konkret könnte nachträglich der Versagungsgrund des § 34a I 3 Nr. 1 GewO vorliegen. a) Unzuverlässigkeit des A i.S.v. § 34a I 3 Nr. 1 GewO Eine Versagung der Bewachungserlaubnis ist gem. § 34a I 3 Nr. 1 GewO nur möglich, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass A die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. „Nach dem allgemeinen gewerberechtlichen Begriff der Unzuverlässigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung gewerberechtlich unzuverlässig, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß zu betreiben. Es kommt darauf an, ob ein Gewerbetreibender nach dem Gesamtbild seines Verhaltens wahrscheinlich auch weiterhin nicht willens oder in der Lage sein wird, seine beruflichen Pflichten zu erfüllen. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit setzt dabei kein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraus, sondern knüpft nur an objektive Tatsachen an, die hinsichtlich der zukünftigen Tätigkeit des Gewerbetreibenden eine ungünstige Prognose rechtfertigen. Auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden oder seine innere Einstellung kommt es nicht an.“ Jura Intensiv Hier könnte die Unzuverlässigkeit des A bereits aus der Regelvermutung des § 34a I 4 Nr. 4b) GewO folgen. A ist im Sinne dieser Norm in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung mindestens zweimal wegen Diebstahls, Urkundenfälschung und Hehlerei rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden, sodass die Regelvermutung greift. Allerdings trägt A vor, es habe sich bei den Verurteilungen überwiegend nur um Strafbefehle gehandelt, die ferner teilweise zu Unrecht erlassen worden seien. Dieses Vorbringen könnte eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 34a I 4 GewO begründen. Jedoch ist zunächst festzuhalten, dass § 34a I 4 Nr. 4b) GewO nicht auf die Art der Verurteilung (Strafbefehl oder Strafurteil) abstellt, sondern nur darauf, dass überhaupt eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt. Versagungsgrund: § 34a I 3 Nr. 1 GewO Da A eindeutig ein Gewerbe betreibt, muss der Gewerbebegriff nicht definiert werden. Definition „Unzuverlässigkeit“ Stichwort: Negative Zukunftsprognose (aber: kein Beurteilungsspielraum der Behörde, sondern gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff) Wichtig: Verschulden ist unerheblich Regelvermutung des § 34a I 4 Nr. 4b GewO Norm ist wegen des Bearbeitervermerks anwendbar, obwohl sie erst am 1.12.2016 in Kraft getreten ist (s. Sat. I, FN 1 zu § 34a GewO). Ausnahme von der Regelvermutung? Einwand des A: „Nur“ Strafbefehle, die z.T. rechtswidrig ergingen © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

90 Öffentliches Recht RA 02/2019 Strafbefehl wirkt wie Urteil, § 410 III StPO Behörde muss Tathergang nicht aufklären, darf stattdessen Strafbefehl zugrunde legen Einwand des A: Fehlverhalten betraf nur den Privatbereich Grundsatz: Entscheidend ist das Verhalten bei der Gewerbeausübung. Ausnahme: Privates Fehlverhalten lässt Rückschlüsse auf die Gewerbeausübung zu. Konkret: Eigentums- und Vermögensdelikte, hier bzgl. eines Bewachungsunternehmers Das ist entscheidend: es muss immer der konkrete Einzelfall betrachtet werden. Funktion eines Bewachungsunternehmens Konsequenz: Strenge Anforderungen an die Zuverlässigkeit Subsumtion „Überdies steht der Strafbefehl nach § 410 Abs. 3 StPO einem Urteil gleich und entfaltet dieselbe formelle wie materielle Rechtskraft. […] Durch die Rechtskraft des Strafbefehls – wie des Urteils – steht rechtsverbindlich fest, dass der Antragsteller die der Verurteilung zugrundeliegenden Vergehen aufgrund des in den Strafbefehlen dargestellten Sachverhalts begangen hat. Aus diesem Grund war die Antragsgegnerin auch nicht verpflichtetet, den jeweiligen Tathergang (womöglich erneut) aufzuklären. Denn dass sich der Antragsteller dieser Vergehen strafbar gemacht hat, ist durch die rechtskräftige Verurteilung zur Tatsache geworden.“ Zudem war es Aufgabe des A, sich gegen einen als fehlerhaft empfundenen Strafbefehl rechtzeitig mit Rechtsmitteln zur Wehr zu setzen. Seine berufliche Belastung kann A insoweit nicht exkulpieren. Folglich ist dieses Vorbringen des A nicht geeignet, die Regelvermutung des § 34a I 4 GewO zu widerlegen. Eventuell vermag aber der Umstand, dass die Straftaten nur den privaten Bereich des A betreffen, die Regelvermutung zu entkräften. „Grundsätzlich ist für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden zwar auf sein Verhalten bei der Ausübung seines Gewerbes abzustellen, sodass vornehmlich Pflichtverletzungen gegenüber Beschäftigten, Gläubigern und Kunden die Annahme der Unzuverlässigkeit tragen können. Ein Verhalten außerhalb der Gewerbeausübung kann aber dann herangezogen werden, soweit sich daraus Rückschlüsse auf Charakter oder Verhaltensweisen des Gewerbetreibenden ziehen lassen, die ihrerseits auch für sein Gewerbe relevant werden können. So können z. B. Eigentums- oder Vermögensdelikte eines Gewerbetreibenden darauf schließen lassen, dass er dazu neigt, sich fremdes Eigentum oder Vermögen in strafbarer Weise zu verschaffen und die betroffenen Rechtsgüter nicht zu respektieren. Für Bewachungsunternehmer gilt dies entsprechend. Denn für die gewerbsmäßige Bewachung von Leben und Eigentum fremder Personen bedarf ein Gewerbetreibender nach § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewO einer spezifischen Zuverlässigkeit, die aus der besonderen Stellung dieses Gewerbes mit Blick auf seine Konfliktträchtigkeit und „Nähe“ zur Ausübung von Gewalt resultiert. Da dem Gewerberecht ein absoluter Zuverlässigkeitsbegriff fremd ist, kommt es für die Prüfung der Unzuverlässigkeit auf das jeweilige Gewerbe und den Schutzzweck der entsprechenden gewerberechtlichen Bestimmungen an. Das Bewachungsgewerbe entlastet staatliche Sicherheitsbehörden von der Aufgabe einer – von diesen kapazitätsmäßig tatsächlich nicht leistbaren – ubiquitären Gewährleistung der Sicherheit, indem private Bewachungsunternehmen für (zumeist) private Auftraggeber konkrete Präventivaufgaben wie die Bewachung von Personen und Sachen übernehmen. Sie üben im privaten Auftrag polizeiähnliche Funktionen und eine quasistaatliche Sicherheitsrolle aus. Die auf dieses spezifische Gewerbe bezogenen Anforderungen an die Zuverlässigkeit sind daher besonders streng. Jura Intensiv […] stehen die […] Verurteilungen wegen Diebstahls in einem direkten Zusammenhang mit den durch das Gewerbe des Antragstellers geschützten Rechtsgütern, nämlich dem Eigentum. Aber auch die anderen verwirklichten Straftaten zeigen, dass der Antragsteller selbst durch den Eindruck mehrerer Strafverfahren und Verurteilungen immer wieder straffällig geworden ist und insoweit keine Änderung dieses Wesenszuges © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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