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RA Digital - 02/2020

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76 Referendarteil:

76 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2020 Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offen steht. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt. Die Frage ist folglich, wie ein fiktiver Durchschnittsempfänger diese aus Text und Bild bestehende Kombination deutet. Es liegt offensichtlich auf der Hand, dass ein Bild, welches einen Kopf mit geöffnetem Mund zeigt, andeuten soll, dass diese Person „gerade“ spricht. Das ist der Zweck des Bildes. Der Text daneben wirkt wie ein Zitat. Das Bild ersetzt die Anführungsstriche. BGH, Urt. vom 21.06.2011 – VI ZR 262/09; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2012 – 1 BvR 2720/11 Das Laienprivileg ist relevant im Rahmen der Frage, ob journalistische Sorgfaltspflichten eingehalten wurden. Insbesondere für Privatpersonen gilt, dass diese sich guten Glaubens auf grundsätzlich vertrauenswürdige Quellen berufen können. Rechtsgedanke der Verwirkung, da die Äußerung der K mehrere Jahrzehnte alt ist Maßgeblich ist der Empfängerhorizont eines fiktiven unbefangenen Durchschnittsempfängers. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass dieser die Äußerung im Gesamtkontext derart versteht, dass K die abgebildete Äußerung - gleich eines Zitats - getätigt hat. [30] Der Kammer ist bekannt, dass Bilder wie das hier streitgegenständliche, die eine Person und eine Äußerung enthalten, häufig zur Wiedergabe von Zitaten, auch im kritischen Kontext, verwendet werden. Dies entspricht auch dem - vom Beklagten nicht bestrittenen - Sachvortrag der Klägerin. [34] (…) Der Durchschnittsleser entnimmt dem, dass der direkt darunter als Bild dargestellte Text ein Zitat der Äußerung der Klägerin ist, zumal der Beklagte in seinem Beitrag von Äußerungen in der Mehrzahl spricht und im Bild sodann zwei Sätze abgebildet sind. [35] Der Eindruck, dass die Klägerin die angegriffene Äußerung so wie abgebildet getätigt hat, wird im konkreten Fall noch dadurch verstärkt, dass das vom Beklagten verwendete Bildnis der Klägerin lediglich den Kopf der Klägerin zeigt und die Klägerin auf dem Bild den Mund geöffnet hat, wodurch im Gesamtkontext der Eindruck wie bei einer Sprechblase (vgl. dazu LG Frankfurt a.M., Urt. v. 07.02.2019 - 2-03 O 190/18, S. 16) erzeugt wird. [39] Es ist insofern anerkannt, dass es als persönlichkeitsrechtsverletzend anzusehen ist, einer Person per Zitat eine Äußerung unterzuschieben, die sie gar nicht getätigt hat. Die Zuordnung einer bestimmten Aussage zu einer bestimmten Person in der Form des wörtlichen Zitats enthält die jedenfalls inzidente Behauptung, der Zitierte habe sich so geäußert, wie er zitiert wird. Jura Intensiv B kann sich auch nicht auf das sogenannte „Laienprivileg“ berufen. Im Allgemeinen gilt, dass eine unbewiesene Tatsachenbehauptung herabsetzenden Charakters nicht deswegen zulässig wird, weil sie auch von anderen unwidersprochen aufgestellt worden ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. [45] Denn der Beklagte hat sich gerade nicht darauf beschränkt, diejenigen Tatsachen wiederzugeben, die vorliegend in dem von ihm in Bezug genommenen Artikel der „…“ wiedergegeben werden. Er hat vielmehr eine weitere, darüber hinausgehende Sachaussage gemacht. Darüber hinaus hat der Beklagte die der Klägerin zugeschriebene Äußerung auch aus dem Sachkontext gelöst, den der „…“-Artikel herstellt und hat insbesondere auch die dort enthaltene Darstellung der Klägerin, dass es sich um ein Missverständnis handele, nicht wiedergegeben. Der Anspruch der K ist entgegen der Auffassung des B auch nicht verwirkt. Insbesondere fehlt es für die Verwirkung auch am sogenannten Umstandsmoment, da K durch ihre Strafanzeige gerade nicht signalisiert hat, dass sie ihre Rechte nicht geltend machen werde. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2020 Referendarteil: Zivilrecht 77 [48] Auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Im Regelfall indiziert die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr. Im Allgemeinen gelingt eine Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die jedoch beklagtenseits verweigert wurde. ständige Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 10.07.2018 – VI ZR 225/17 BGH, Urt. v. 14.11.2017 – VI ZR 534/15 Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO. Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit liegt vor. [52] Eine zuvor entfallene Dringlichkeit kann aber z.B. wieder aufleben, wenn eine Werbung plötzlich verstärkt eingesetzt (OLG Koblenz WRP 1978, 835, 837; OLG Köln WRP 2011, 362; LG Frankfurt a.M. MMR 2012, 381; OLG Celle OLGR 1996, 237, 238; OLG Frankfurt a.M. DB 1986, 325; Teplitzky/ Feddersen, 11. Aufl. 2018, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, Kap. 54 Rn. 37 m.w.N.; MünchKommUWG/Schlingloff, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 405; Götting/Nordemann, 3. Aufl. 2016, UWG, § 12 Rn. 177; Raue/ Hegemann-Schlüter, MAH Urheber- und Medienrecht, § 38 Rn. 20) oder nach Art und Umfang wesentlich verändert wird. [54] Die Klägerin hat hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die ursprüngliche Äußerung im Blog des Beklagten veröffentlicht wurde, während die Äußerung nunmehr über Facebook veröffentlicht und dort zusätzlich als gesponserter Eintrag verbreitet wurde. Ferner hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass es durch diese neue Veröffentlichung eine Vielzahl an negativen Reaktionen gab. Insgesamt geht die Kammer daher von einer deutlich intensivierten und verstärkten Rechtsverletzung aus, die ein Wiederaufleben der Dringlichkeit rechtfertigt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. FAZIT Aufgrund der umfangreichen dogmatischen Ausführungen zum Prüfungsumfang des Verfügungsanspruches besteht die Gefahr, den Urteilsstil aus den Augen zu verlieren. Auch wenn vor der Subsumtion die Herleitung des Anspruches erfolgt, muss vorab das Ergebnis statuiert werden. Inhaltlich gilt es zu erkennen, dass der Anspruch der K besteht, wenn die widerstreitenden verfassungsrechtlich grundsätzlich geschützten Handlungen, Art. 2 I, 1 I GG für die Klägerin und Art. 5 I GG für den Beklagten, zu Gunsten der Klägerin abgewogen werden. Inwieweit die Handlung des Beklagten gerechtfertigt ist, ist maßgeblich davon abhängig, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung handelt. Sodann galt es zu erkennen, dass hier Abänderungen des zitierten Wortlautes erfolgten und dass zweitens aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen einen abweichenden Aussagegehalt vermitteln. Bezüglich des Verfügungsgrundes merken Sie sich bitte, dass die Dringlichkeit wiederaufleben kann. Diese Äußerung seitens Frau Künast ist Thema diverser Rechtsstreitigkeiten. Die Chance ist hoch, dass auch die Prüfungsämter den Themenkomplex, ziviloder auch strafrechtlich, verwerten. Jura Intensiv Zweiter Kernpunkt der Entscheidung. Vorliegen eines Verfügungsgrundes zum Zeitpunkt der Anzeigenschaltung bei Facebook (2019), obwohl inhaltsgleich die Veröffentlichung durch B auf dessen Online- Blog im Jahr 2016 bereits erfolgte. a. A. § 97 ZPO; kein Tenor zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aufgrund der Rechtsnatur des Eilverfahrens! Keine Streitwertfestsetzung, da diese bereits im streitgegenständlichen Beschluss erfolgte und aufrechterhalten bleibt, da der Widerspruch des B zwar zulässig aber unbegründet ist. (!) Beachten Sie auch: LG Berlin, Beschluss vom 09.09.2019, 27 AR 17/19, wonach Äußerungen wie „„Drecks Fotze“, „Sondermüll“, „Alte perverse Dreckssau“ (…)“ nicht zwingend rechtlich als Beleidigungen zu werten seien. Rechtsmittel wurde eingelegt und zudem bei der zuständigen StA Anzeige wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) gegen die Richter der landgerichtlichen Kammer erstattet. Rechtlich abwegig erscheint das Vorgehen seitens Frau K. hier nicht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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