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RA Digital - 02/2021

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62 Zivilrecht

62 Zivilrecht RA 02/2021 Aus Platzgründen haben wir einige Aspekte des Originalfalles weggelassen. Im Fall hatte das Gericht Beweis erhoben über die Urheberschaft des Bildes. Ferner bestand Streit über den Wert der Uhren. Aufbauhinweis: Häufig ist es günstiger mit der Rücktrittserklärung zu beginnen. Im vorliegenden Fall hat K aber ausdrücklich die Anfechtung erklärt. Sollte man diese Erklärung als Rücktritt auslegen oder sollte die Anfechtungserklärung gem. § 140 BGB gar in eine Rücktrittserklärung umzudeuten sein, ist es zur Vermeidung von Inzidentprüfungen anzuraten, mit dem Rücktrittsrecht zu beginnen. In der Abgrenzung Kaufvertrag/ Kommissionsgeschäft liegt ein klarer Schwerpunkt des Falles. Der Vertragsinhalt deutet nicht auf einen Kommissionsvertrag hin. Risikoübernahme seitens K Entscheidender Aspekt: K sollte in jedem Fall 7.500 € zahlen. Damit übernahm K das alleinige Risiko, was für Kauf und gegen ein Kommissionsgeschäft spricht. K verlangt von B Rückzahlung der 2.500 € sowie Zahlung von 5.000 € für die von B mittlerweile an einen nicht herausgabebereiten Dritten veräußerten Uhren, Zug um Zug gegen Rückgabe des Bildes an K. Zu Recht, wenn B überzeugt war, dass das Bild von V stammte? LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B auf Zahlung von 7.500 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Bildes aus §§ 437 Nr. 2, 326 V, 346 I, II 1 Nr. 2 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 7.500 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Bildes aus §§ 437 Nr. 2, 326 V, 346 I, II 1 Nr. 2 BGB haben. Dann muss K ein Rücktrittsrecht gegenüber B zustehen, ferner muss sie wirksam den Rücktritt gegenüber B erklärt haben. I. Rücktrittsrecht der K Ein Rücktrittsrecht der K könnte gem. §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB bestehen. 1. Kaufvertrag Ein Rücktrittsrecht aus § 437 Nr. 2 BGB erfordert zunächst einen Kaufvertrag. Dies erscheint hier aus zwei Gründen fraglich. Erstens trägt der zwischen K und B geschlossene Vertrag die Überschrift „Kommissionsvertrag“, zweitens könnte K den Kaufvertrag gem. § 142 I BGB angefochten haben. Zunächst ist zu klären, ob die Parteien einen Kommissionsvertrag im Sinne des § 383 HGB oder einen Kaufvertrag geschlossen haben. [24] Zwischen den Parteien ist zunächst ein Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB über das streitgegenständliche xxx zu einem Kaufpreis von 15.000,00 EUR zustande gekommen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Kommissionsvertrag im Sinne des § 383 Abs. 1 HGB. Diese Norm verlangt, dass der Kommissionär es gewerbsmäßig übernimmt, in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung eines anderen, Waren oder Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen Dafür erhält er typischerweise eine Provision und die abzusetzende Ware nicht zu Eigentum, sondern zur Verwahrung und zum Verkauf (…). Die Klägerin hat es unstreitig bereits nicht gewerblich übernommen, für einen anderen Waren oder Wertpapiere zu kaufen oder verkaufen. Darüber hinaus ergibt sich im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB, dass die Parteien nicht vereinbart haben, dass die Klägerin das xxx auf Rechnung des Beklagten verkaufen soll, sondern, dass sie es unmittelbar vom Beklagten selbst kauft und somit das Risiko einer Weiterveräußerung trägt. Dieser erklärte Wille der Parteien findet seine Stütze im Wortlaut des Vertrages vom 14.05.2018 (…). Dort heißt es zwar zunächst, dass die Klägerin das Objekt „zur Auswahl für 3 Tage“ erhalten soll und hierfür eine „eine Summe von 2.500,00 EUR in bar sowie zwei 2 S Armbanduhren im Wert von 5.000,- EUR hinterlegt“, was isoliert betrachtet noch nicht für einen Kaufvertrag und die damit bezweckte Eigentumsübertragung spricht. Nachfolgend haben die Parteien aber vereinbart, dass der nach Anzahlung verbleibende Betrag von 7.500,00 EUR in jedem Fall zahlungspflichtig bleiben soll. Damit haben die Parteien das Risiko der Möglichkeit einer Weiterveräußerung ausdrücklich auf die Klägerin übertragen, was ganz deutlich für einen Kaufvertrag spricht. Zudem haben die Parteien den Preis für das Werk ausdrücklich als Kaufpreis betitelt. Es existiert auch keine Regelung, dass das Werk nach Ablauf der 3 Tage wieder an den Beklagten zurückzugeben ist. All dies spricht in der Gesamtschau nicht für einen Kommissionsvertrag, Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2021 Zivilrecht 63 sondern für einen Kaufvertrag. Hintergrund der Übertitelung des Vertrages mit „Kommissionsvertrag“ ist, dass beiden Parteien bewusst war, dass die Klägerin beabsichtigt, das Werk gewinnbringend zu veräußern. Dies ändert aber nichts an der Rechtsnatur des Vertrages. Folglich schlossen die Parteien einen Kaufvertrag. Fraglich ist, ob K diesen wirksam gem. § 142 I BGB angefochten hat. Im Schreiben vom 16.08.2017 erklärte K ausdrücklich gem. § 143 I BGB die Anfechtung. Fraglich ist aber, ob ein Anfechtungsgrund vorliegt. K stützte ihre Anfechtung auf eine arglistige Täuschung seitens B gem. § 123 I 1. Fall BGB. Dies erscheint hinsichtlich der Arglist fraglich, weil das Werk zwar nicht von V stammte, B jedoch überzeugt war, V sei tatsächlich der Urheber des Bildes. [28] Arglist im Sinne der Vorschrift ist gleichbedeutend mit Vorsatz; bedingter Vorsatz genügt jedoch (…), grobe Fahrlässigkeit reicht hingegen nicht aus. Der Täuschende muss wissen und wollen oder zumindest billigend in Kauf nehmen, dass der andere Teil durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst wird, die er anderenfalls (so) nicht abgegeben hätte (…). Erforderlich ist, dass der Täuschende die Unrichtigkeit der für den Getäuschten bedeutsamen Umstände kennt (…). Dem steht es gleich (bedingter Vorsatz), wenn der Täuschende unrichtige Behauptungen ohne tatsächliche Grundlage “ins Blaue hinein” aufstellt (…) bzw. unzutreffende Angaben macht, zu deren sachgemäßer Beurteilung ihm die erforderlichen Kenntnisse fehlen und er dem anderen Teil seine fehlende Sachkenntnis verschweigt (…). Allerdings handelt nicht arglistig, wer gutgläubig unrichtige Angaben macht, mag auch der gute Glaube selbst auf Leichtfertigkeit beruhen (…). [29] (…). Der Beklagte ist bis heute der Auffassung, das streitgegenständliche Kunstwerk sei vom Künstler V erstellt worden. Zwar hat der Beklagte nach Überzeugung der Kammer Angaben zur Provenienz der Kunstwerks gemacht, zu deren sachgemäßer Beurteilung ihm die erforderlichen Kenntnisse gefehlt haben, dass dies wiederum arglistig erfolgte, steht jedoch nicht fest. (…) Jura Intensiv Damit wurde K von B nicht arglistig getäuscht, weshalb der Anfechtungsgrund gem. § 123 I 1. Fall BGB ausscheidet. Der Anfechtungsgrund gem. § 119 II 2. Fall BGB steht einem Käufer nach Gefahrübergang nicht zu. Hier hatte K das Bild von B übergeben bekommen, weshalb ein Gefahrübergang gem. § 446 S. 1 BGB vorlag. Somit bestand mangels Anfechtung der Kaufvertrag fort. 2. Mangel zur Zeit des Gefahrübergangs Ein Rücktrittsrecht gem. § 437 Nr. 2 BGB setzt entweder einen Rechtsmangel gem. § 435 BGB oder einen Sachmangel zur Zeit des Gefahrübergangs voraus. Wie bereits festgestellt, liegt der Gefahrübergang mit der Übergabe an K gem. § 446 S. 1 BGB vor. Zu dieser Zeit könnte ein Sachmangel gem. § 434 I 1 BGB vorgelegen haben, wenn dem Werk eine vereinbarte Beschaffenheit gefehlt hat. [34] Eine Kaufsache ist gem. § 434 S. 1 BGB u.a. dann mangelhaft, wenn sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Liegt - wie hier - ein Stückkauf vor, so führt der Umstand, dass das Bild entgegen dem Vertragsinhalt nicht von dem Künstler V herrührt zur Annahme eines Sachmangels im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 BGB, weil es nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Anfechtung des Kaufvertrages durch das Schreiben vom 16.08.2017? Definition der Arglist Entscheidend: Wer ohne leichtfertig zu sein im guten Glauben unrichtige Angaben macht, handelt nicht arglistig. Im Fall, der OLG Frankfurt RA 2018, 341, 19 U 188/15 zugrundelag, hatte der Verkäufer eine Tuschezeichnung als Werk von Fohr verkauft und hierzu im Katalog die Aussage „fälschlich Rottmann zugeschrieben“ getroffen, dies in Kenntnis, dass ein Sachverständiger das Gemälde Rottmann zugeordnet hatte. Zu Recht entschied das OLG auf Arglist. Vgl. zum Ausschluss des § 119 II 2. Fall BGB Palandt/Ellenberger, BGB, § 119 Rn 28 Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit gem. § 434 I 1 BGB Unter Beschaffenheiten versteht man Eigenschaften und sonstige Sachmerkmale, die für Wert und Tauglichkeit maßgeblich sind. Hierzu zählt, wer Urheber eines Kunstwerks ist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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