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RA Digital - 02/2021

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

Editorial

Editorial RA 02/2021 Sind Unternehmer in Sicherheit, wenn sie den Text der ganzen Musterinformation abschreiben und in ihre Widerrufsinformation aufnehmen? Auch das ist fraglich. „Die Gesetzlichkeitsfiktion tritt nur ein, wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt und wie für den betreffenden Vertrag vorgegeben verwendet. Durch die Gestaltungshinweise nicht geforderte Weglassungen oder Ergänzungen führen zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion.“ So steht es in der BT-Drs. 17/1394 auf Seite 22. Aber was heißt das genau? Vielleicht beurteilt ein Gericht den Abdruck von nicht zum betroffenen Vertrag passenden Informationen mit dem Argument als schädlich, die nutzlosen Informationen würden den Verbraucher verwirren. Dieser Gedanke ist sehr realistisch. Dass sich ein Unternehmer nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen kann, wenn er abstrakte Einfügungsbefehle aus dem Muster in seine Widerrufsinformation übernommen hat, formulierte bereits das LG Münster in seinem Urteil vom 01.04.2014 (Aktenzeichen 014 O 206/13). Der Unternehmer in unserem Fall auf Seite 57 erlebte noch eine zusätzliche Frustration. Er hatte eine Formulierung verwendet (Verweis auf die Pflichtangaben des § 492 II BGB), welche den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung des BGH entsprach. Der bisherigen ständigen Rechtsprechung wohlgemerkt. Jetzt gibt es nämlich eine neue. Was Sie schon immer über den Unterschied zwischen negatorischen und quasinegatorischen Unterlassungsansprüchen wissen wollten, sich aber nie zu fragen trauten, erklärt Ihnen die Entscheidung des BGH zu einem baurechtswidrig an die Grundstücksgrenze gebauten Offenstall f ür wiehernde, schnaubende und klopfende Pferde anschaulich auf Seite 69 in dieser Ausgabe der RA. Warum der Kündigungsfolgeschaden nach einer unzulässigen Eigenbedarfskündigung die Maklerkosten zur Suche nach einer Mietwohnung, nicht aber nach einer Eigentumswohnung umfasst, lesen Sie auf Seite 65. Die Entscheidung des BGH zu § 571 II BGB steht zwar auf Seite 73 im Referendarteil, ist aber auch für das 1. Examen relevant. Natürlich darf auch in dieser Ausgabe eine Entscheidung zur Corona-Pandemie nicht fehlen. Nicht nur für Baden-Württemberger interessant ist die Entscheidung des VGH Mannheim zu Ausgangsbeschränkungen. Lesen Sie, was das Gericht zu sagen hatte, auf Seite 90. Rechtsanwalt Oliver Soltner Franchisenehmer von Jura Intensiv Frankfurt, Gießen, Heidelberg, Mainz, Mannheim und Marburg IMPRESSUM Jura Intensiv Herausgeberin: Chefredaktion: Redakteure: Bezugspreis: Werbung: Jura Intensiv Verlags UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, Duisburger Straße 95, 46535 Dinslaken, Tel.: 02064/8275757 Internet: verlag.jura-intensiv.de - E-Mail: info@verlag.jura-intensiv.de Rechtsanwalt Oliver Soltner (V.i.S.d.P.) Rechtsanwalt Oliver Soltner & Rechtsanwalt Dr. Dominik Jan Sauer, LL.M. (Zivilrecht) Assessor Dr. Dirk Schweinberger (Nebengebiete) Rechtsanwalt Dr. Dirk Kues (Öffentliches Recht) Rechtsanwalt Uwe Schumacher (Strafrecht) Printausgabe: 6,50 Euro/Heft. 12 Hefte pro Jahr. Ermäßigungen für Abonnenten. Digitalausgabe: 5,99 Euro/Heft. Die RA steht externer Werbung offen. Mediadaten sind unter info@verlag.jura-intensiv.de erhältlich. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2021 ZIVILRECHT Zivilrecht 57 Problem: Widerruf eines verbundenen Kaufvertrages gem. 355 BGB Einordnung: Schuldrecht BGH, Urteil vom 10.11.2020 XI ZR 426/19 (leicht abgewandelt) EINLEITUNG Die hier vorliegende Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH nimmt Bezug auf mehrere Entscheidungen des Senates aus dem Jahr 2020 und enthält eine anschauliche Zusammenfassung der aktuellen Änderungen in der Rechtsprechung zur Widerrufsinformation. SACHVERHALT K erwarb von B im August 2014 einen gebrauchten Mercedes zum Kaufpreis von 26.600 €. Zur Finanzierung des über die Anzahlung von 24.800 € hinausgehenden Kaufpreises und der Versicherungsprämie für einen zugleich abgeschlossenen sogenannten Kaufpreisschutz in Höhe von 763,20 € schlossen die Parteien mit Datum vom 07.08.2014 einen Darlehensvertrag über 2.563,20 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 4,17% p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 48 Monatsraten zu jeweils 58,07 € erbracht werden. Als Sicherheiten räumte K der B das Eigentum an dem Fahrzeug ein und trat an sie Ansprüche aus Arbeitsentgelt und auf Versorgungsbezüge ab. Nach Nummer II der Allgemeinen Darlehensbedingungen (Stand: 06/2015) der B dienten die Sicherheiten „zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche des Darlehensgebers aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung gleich aus welchem Rechtsgrund”. Der Darlehensvertrag enthielt eine Belehrung über das Widerrufsrecht des K, das diesem schriftlich in Form einer Urkunde ausgehändigt wurde. In der Belehrung heißt es bezüglich des Beginns des Laufs der Widerrufsfrist wörtlich: Jura Intensiv „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“ Ferner fehlten in der Widerrufsbelehrung die beiden zwingend vorgeschriebenen Unterüberschriften „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ sowie die nach Gestaltungshinweis 6g zwingend vorgeschriebene Überschrift „Einwendungen bei verbundenen Verträgen“. Mit Schreiben vom 09.08.2017 erklärte K den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und verlangt Rückzahlung von 26.832,45 €. B ist der Meinung, der Widerruf sei verspätet, weil die Widerrufsfrist abgelaufen sei. Diese sei gem. § 355 II BGB abgelaufen, weil die Belehrung des K über dessen Widerrufsrecht ordnungsgemäß erfolgt sei. Zum einen habe sie sich mit dem Verweis auf die Pflichtangaben an die Rechtsprechung des BGH gehalten, zum anderen sei sie durch die „Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 II 3 EGBGB geschützt. Hilfsweise macht B ihr Zurückbehaltungsrecht geltend, indem sie Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs bis zum Zeitpunkt der Herausgabe fordert sowie die Rückgabe des Fahrzeugs. Zu Recht? LEITSATZ Zum Wegfall der Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB bei Fehlen von Zwischenüberschriften in der Widerrufsinformation. Der Originalfall enthält zivilprozessuale Aspekte, die wir aus Platzgründen nicht besprechen. Achten Sie auf das Datum. Der Vertrag wurde im August 2014 geschlossen. Widerrufserklärung des K vom 09.08.2017, also drei Jahre nach Vertragsschluss © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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