Aufrufe
vor 3 Jahren

RA Digital - 02/2021

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

88 Öffentliches Recht

88 Öffentliches Recht RA 02/2021 Auch hier besteht eine Tatsachengrundlage für die Aussage Vgl. Plenarprotokoll 18/7 S. 428; 18/11 S. 727; 18/12 S. 815; 18/26 S. 3149; 18/34 S. 4310; 18/40 S. 4995; 18/51 S. 6288 Vgl. z.B. LT-Drs. 18/6740 S. 1; 18/7818 S. 2 Trenne Fraktion und Partei StGH Bückeburg, Urteil vom 24.11.2020, 6/19 („Weil-Entscheidung“) StGH Bückeburg, Urteil vom 24.11.2020, 6/19, Rn 76 ff. In der Wortwahl „Muster“ sowie „durchgängig Provokation und Abgrenzung“ kommt darüber hinaus zum Ausdruck, dass es sich bei dem genannten Beispiel nicht um einen einmaligen, zu einer Rüge führenden Vorfall handelt. Die Äußerung der Antragsgegnerin beruht insoweit ebenfalls auf einer tatsachengestützten Grundlage, da von den in dieser Legislaturperiode bislang insgesamt erteilten sieben Rügen sechs gegenüber Mitgliedern der Antragstellerin ausgesprochen wurden. Die in der Äußerung anklingende Bewertung lässt daher keine Verletzung von Rechten der Antragstellerin erkennen. Entsprechendes gilt für die Verwendung des Begriffs „Altparteien“, dem die eigene Wortwahl der Antragstellerin zugrunde liegt. Soweit die Antragsgegnerin nach dem Bericht von einer „Zwickmühle“ gesprochen hat, nimmt sie zwar eine Bewertung vor, wie sich der zuvor dargestellte Zustand aus ihrer Sicht auf die Parlamentsarbeit auswirkt. Dabei bewegt sie sich jedoch im Rahmen der ihr als Landtagspräsidentin obliegenden Aufgaben, zu denen auch die Gewährleistung eines trotz aller parteipolitischen Gegensätze respektvollen Umgangs im Parlament zählt. Sie hat dabei weder eine inhaltliche Beurteilung der politischen Positionen der Antragstellerin vorgenommen, noch hat sie durch Form und Wortwahl ihrer Äußerung fehlenden Respekt gegenüber einer Landtagsfraktion zum Ausdruck gebracht. Ebenso wenig kann dies aus der Zuordnung der Antragstellerin zum rechten Parteienspektrum geschlossen werden.“ Demnach missachtet die umstrittene Äußerung der Antragsgegnerin nicht die ihr der AfD-Fraktion gegenüber obliegende Neutralitätspflicht, sodass die AfD-Fraktion nicht in einem Organrecht verletzt ist. FAZIT Die Entscheidung zeigt, dass bei amtlichen Äußerungen über Fraktionen ein anderer dogmatischer Ansatzpunkt zu wählen ist als bei amtlichen Äußerungen über Parteien. Ausgangspunkt der Überlegungen ist nicht Art. 21 GG, sondern Art. 38 I 2 GG (bzw. die entsprechende Vorschrift in der jeweiligen Landesverfassung). Die Kriterien für die Feststellung, dass eine amtliche Äußerung vorliegt und für die Zulässigkeit dieser Äußerung ändern sich hingegen nicht, sie sind bei Äußerungen über Fraktionen und Parteien identisch. Weiterhin zeigen die Ausführungen des VerfGH München sehr schön, wie detailliert die umstrittenen Äußerungen zu untersuchen sind, um deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit beurteilen zu können. Genauso muss das auch in einer Klausur erfolgen, d.h. jeder Satz ist für sich zu untersuchen und in Beziehung zu den übrigen Äußerungen zu setzen. Jura Intensiv Hingewiesen sei noch auf eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Niedersachsen, des StGH Bückeburg. Sie beschäftigt sich mit der Zulässigkeit von Twitter-Kommentaren des Ministerpräsidenten von Niedersachsen über eine NPD-Versammlung, die sich gegen eine Berichterstattung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) und speziell gegen einen freien Mitarbeiter des NDR richtete. Der StGH Bückeburg stellte in diesem Zusammenhang zunächst fest, dass die im zweiten NPD-Verbotsverfahren vom BVerfG getroffene Feststellung, dass die NPD mit ihren Zielen die Grundprinzipien missachtet, die für den freiheitlich demokratischen Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2021 Öffentliches Recht 89 Verfassungsstaat unverzichtbar sind, sie nicht daran hindert, sich auf den besonderen Schutz des Art. 21 I GG berufen zu können. Art. 21 I GG schützt also auch verfassungsfeindliche Parteien, solange sie nicht vom BVerfG verboten sind. Mit diesen Ausführungen bewegt sich der StGH auf dem Boden gesicherter verfassungsrechtlicher Erkenntnisse. Neu an der Entscheidung des StGH ist jedoch, dass er die Mitglieder der Landesregierung für berechtigt hält, Angriffe auf die Pressefreiheit und die Institution der freien Presse im Rahmen ihrer amtlichen Öffentlichkeitsarbeit abzuwehren und die bürgerschaftlichen Kräfte zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu ermutigen. Dabei dürften sich die staatlichen Organe auch einer deutlichen, unmissverständlichen Sprache bedienen, solange nicht die aus dem Sachlichkeitsgebot folgende Grenze zur Diffamierung und Herabwürdigung überschritten wird. StGH Bückeburg, Urteil vom 24.11.2020, 6/19 Rn 91 ff. Jura Intensiv © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats