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58 Zivilrecht

58 Zivilrecht RA 02/2021 LÖSUNG A. Anspruch aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. § 355 III BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung der 26.832,45 € aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. § 355 III BGB haben. Widerrufserklärung vom 09.08.2017 Widerrufsrecht gem. § 355 BGB: Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 491 II BGB führt zu § 495 BGB An der Verbrauchereigenschaft des K bestehen hier ebenso wenig Zweifel wie an der Unternehmereigenschaft der B. An der Entgeltlichkeit bestehen hier aufgrund der Verzinsung des Darlehens keine Zweifel. § 491 II 2 BGB enthält einen Katalog an Ausschlussgründen, der stets beachtet werden muss. Die Widerrufsbelehrung ist fehlerhaft. I. Anspruch entstanden Dies setzt den wirksamen Widerruf eines Vertrages voraus. Hier schlossen K und B am 07.08.2014 einen Darlehensvertrag. K erklärte am 09.08.2017 gegenüber B gem. § 355 I BGB den Widerruf. 1. Gesetzliches Widerrufsrecht Fraglich ist, ob K zur Zeit der Widerrufserklärung ein gesetzliches Widerrufsrecht im Sinne des § 355 BGB zustand. In Betracht kommt ein Widerrufsrecht gem. §§ 491, 495 BGB. Dann muss es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag handeln. In Betracht kommt ein Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 491 II BGB. a) Persönlicher Anwendungsbereich Ein Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 491 II BGB setzt in persönlicher Hinsicht voraus, dass B Unternehmer im Sinne des § 14 BGB ist. B handelte ausschließlich in Ausübung der gewerblichen Tätigkeit und ist folglich Unternehmer. K muss gem. § 13 BGB Verbraucher sein. K schloss den Vertrag ausschließlich zu privaten, sein Studium betreffenden Zwecken. Folglich ist der persönliche Anwendungsbereich des § 491 II BGB eröffnet. b) Sachlicher Anwendungsbereich Das Widerrufsrecht aus §§ 495 BGB besteht bei entgeltlichen Darlehensverträgen gem. § 491 BGB. Indem die Parteien eine Verzinsung vereinbart haben, liegt ein entgeltlicher Darlehensvertrag vor. c) Kein Ausschluss Ausschlussgründe gem. §§ 491 II 2 BGB sind nicht ersichtlich. K hatte ein Widerrufsrecht gem. §§ 491, 495 BGB. Jura Intensiv 2. Widerrufsfrist gem. § 355 II BGB Fraglich ist, ob der im August 2017, also drei Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages erfolgte Widerruf noch innerhalb der Frist des § 355 II BGB lag. Gem. § 355 II 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage, gem. § 355 II 2 BGB beginnt sie grundsätzlich mit dem Vertragsschluss, jedoch ist erstens zu beachten, dass sie gem. § 356b I BGB erst zu laufen beginnt, wenn der Darlehensnehmer eine den dort bestimmten Anforderungen entsprechende Darlehensurkunde erhalten hat. Dies ist hier der Fall. Zweitens ist zu beachten, dass die Frist gem. § 356b II BGB erst zu laufen beginnt, wenn diese Urkunde alle Pflichtangaben im Sinne des § 492 II BGB enthält. Dies ist fraglich. Problematisch ist der pauschale Verweis auf die Pflichtangaben des § 492 II BGB in der Widerrufsbelehrung. [14] Die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation ist fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf “alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB” nicht klar und verständlich i. S. d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis 20. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) ist. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2021 Zivilrecht 59 [15] Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar der Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach den Maßstäben des nationalen Rechts (Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB aF) klar und verständlich (…). [16] Der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) hat aber mit Urteil vom 26. März 2020 (C-66/19, Kreissparkasse Saarlouis) entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46; im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist. [17] Auf der Grundlage dieses Urteils hält der Senat im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf Allgemein- Verbraucherdarlehensverträge an seiner bislang entgegenstehenden Rechtsprechung nicht fest, wonach ein solcher Verweis klar und verständlich ist (…). Die nationalen Regelungen in § 492 Abs. 2 BGB und Art. 247 § 6 EGBGB lassen nach ihrem Wortlaut offen, ob und auf welche Weise in der Widerrufsinformation auf die zu erteilenden Pflichtangaben hinzuweisen ist. Nach Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB aF muss dies lediglich klar und verständlich sein. Diese Voraussetzung ist auslegungsfähig, so dass bei einer richtlinienkonformen Auslegung eine Verweisung auf weitere Rechtsvorschriften den Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit nicht genügt (…). Fraglich ist aber, ob B durch die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247, § 6 II 3 EGBGB geschützt ist. [18] Die Beklagte kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF berufen (…). Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF entspricht. Dies ist, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (…), nicht der Fall. [19] In der Widerrufsinformation der Beklagten fehlen entgegen den bei einem mit einem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nach § 358 BGB - hier von der Beklagten zutreffend mit dem Fahrzeug-Kaufvertrag und dem Beitritt zum Kaufpreisschutz angegeben - anwendbaren Gestaltungshinweisen 2 und 6 die beiden zwingend vorgeschriebenen Unterüberschriften „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ sowie die nach Gestaltungshinweis 6g zwingend vorgeschriebene Überschrift „Einwendungen bei verbundenen Verträgen“. Damit entspricht die Widerrufsinformation der Beklagten nicht dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF. Das Fehlen der (Unter-)Überschriften stellt auch nicht lediglich ein unbeachtliches Redaktionsversehen dar, das unter Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB subsumiert werden könnte (…). Jura Intensiv Folglich hatte der Lauf der Frist noch nicht begonnen und konnte K wirksam den Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag wirksam widerrufen. Bisherige Rechtsprechung des XI. Zivilsenates, Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 581/18 Diese EuGH-Entscheidung vom 26.03.2020 zwingt den BGH zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Sehr examensrelevant: Der BGH ändert aufgrund der o.g. EuGH-Entscheidung seine Rechtsprechung zum Inhalt der Widerrufsinformation bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen. Der Verweis auf „die Pflichtangaben gem. § 492 II BGB“ genügt nicht mehr den Anforderungen. So auch der BGH in seinem Urteil vom 27.10.2020, XI ZR 498/19 BGH, Beschluss vom 31.03.2020: „Entspricht die Widerrufsinformation dem Muster in Anlage 7 zu Artikel 247 § 6 Abs. 2 EGBGB und Artikel 247 § 12 Absatz 1 EGBGB aF, kann sich der Darlehensgeber auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Artikel 247 § 6 Absatz 2 Satz 3 EGBGB a.F. berufen“. Die Widerrufsinformation entspricht nicht Anlage 7 zu Art. 247 § 6 II und § 12 EGBGB. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion kann sich hier nur berufen, wer sich exakt an das Muster der Anlage 7 im EGBGB hält. Dies ist bei B nicht der Fall. Im Originalfall stand der geltend gemachte Anspruch in Zusammenhang mit einer Sicherungsabrede. Wir haben den Fall an dieser Stelle etwas vereinfacht, damit die Kerninformation – Anwendbarkeit des § 357 VII BGB auf einen widerrufenen, verbundenen Verbraucherdarlehensvertrag – stärker hervortritt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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