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RA Digital - 03/2017

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118 Zivilrecht

118 Zivilrecht RA 03/2017 Problem: Rückgabeklausel in formularmäßigen Leasingbedingungen Einordnung: Schuldrecht BGH, Urteil vom 18.01.2017 VIII ZR 263/15 LEITSÄTZE 1. Der Leistungsort für die § 546 I BGB zu entnehmende Pflicht des Leasingnehmers, den Leasinggegenstand bei Vertragsende zurückzugeben, folgt nicht schon - im Sinne einer Bringschuld - aus dieser Bestimmung, sondern richtet sich bei Fehlen einer (wirksamen) vertraglichen Festlegung nach der Auslegungsregel des § 269 I, II BGB. Hieraus ergibt sich jedoch kein von einem konkreten Leistungsort abgelöstes Recht des Leasinggebers, bei Vertragsende den Rückgabeort und die Rückgabemodalitäten einseitig zu bestimmen. 2. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen darf sich deren Verwender ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht grundsätzlich nur vorbehalten, wenn dafür ein berechtigtes Interesse besteht. Das setzt voraus, dass gewichtige (Sach-) Gründe dies rechtfertigen, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert sind und dass die berechtigten Belange des anderen Teils ausreichend gewahrt werden. Diesen aus § 307 I 1 BGB abzuleitenden Anforderungen wird die in formularmäßigen Leasingbedingungen enthaltene Rückgabeklausel „Nach Beendigung des Leasingvertrages hat der Leasingnehmer auf eigene Kosten und Gefahr das Leasingobjekt entweder an eine vom Leasinggeber zu benennende Anschrift in der Bundesrepublik Deutschland, anderenfalls an den Sitz des Leasinggebers zu liefern oder auf Weisung des Leasinggebers kostenpflichtig zu entsorgen. […]“ nicht gerecht. EINLEITUNG Mit Ablauf des Leasingvertrags endet das Besitz- und Gebrauchsrecht des Leasingnehmers. Er ist nunmehr verpflichtet, das Fahrzeug mitsamt Schlüssel und Unterlagen an den Leasinggeber zurückzugeben. Regelmäßig ist der Ort der Rückgabe eindeutig im Vertrag bzw. den AGB festgelegt. In den häufigsten Fällen ist dies der Ort der Auslieferung des Fahrzeugs. Ob der Leasinggeber den Rückgabeort einseitig bestimmen darf, steht im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung. SACHVERHALT Im März 2010 schließt die bei Köln ansässige Beklagte (B), die Maschinen und Anlagen verleast, mit der im Bergischen Land ansässigen und mit der Herstellung von Schließvorrichtungen befassten Klägerin (K) Leasingverträge über insgesamt sechs gebrauchte Fräs- und Räummaschinen. Die Vertragsverhältnisse sind seit Ende April 2014 beendet. Die Parteien streiten seither um die Frage, an welchem Ort die Maschinen zurückzugeben sind. Von der Rückgabe macht B die Rückzahlung der von K zu Vertragsbeginn in bar erbrachten Kaution i.H.v. 100.000 € abhängig. Zur Rückgabe sehen die den einzelnen Verträgen zugrunde liegenden Leasingbedingungen der B in § 10 übereinstimmend vor: „Nach Beendigung des Leasingvertrages hat der Leasingnehmer auf eigene Kosten und Gefahr das Leasingobjekt entweder an eine vom Leasinggeber zu benennende Anschrift in Deutschland, anderenfalls an den Sitz des Leasinggebers zu liefern oder auf Weisung des Leasinggebers kostenpflichtig zu entsorgen.“ K bot der B zum Ende der Vertragslaufzeit die Rückgabe der Maschinen an deren Sitz an. B lehnte dies ab und bestand aufgrund vorgenannter Bestimmung auf Rückgabe der Maschinen an einen von ihr benannten, bei Karlsruhe ansässigen Maschinenverwerter. K, die die Rückgabeklausel für unwirksam hält und sich deshalb nicht zur Rückgabe der Maschinen an einem anderen Ort als dem des Sitzes der B für verpflichtet hält, begehrt Rückzahlung der Kaution. Dies folge aus der getroffenen Sicherungsabrede, denn sie habe alle daraus folgenden Verpflichtungen (pünktlich) erfüllt. B verteidigt die Wirksamkeit der Klausel und macht Ansprüche auf Nutzungsersatz geltend. Zu Recht? Jura Intensiv PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B auf Rückzahlung von 100.000 € aufgrund der Sicherungsabrede I. Sicherungsabrede II. Erledigung des Sicherungsbedürfnisses 1. Anspruch auf Nutzungsersatz analog § 546a I BGB 2. Ausschluss des Anspruchs gem. § 302 BGB a) Annahmeverzug gem. § 293 BGB b) Zwischenergebnis B. Ergebnis Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2017 Zivilrecht 119 LÖSUNG A. K gegen B auf Rückzahlung von 100.000 € aufgrund der Sicherungsabrede K könnte gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung von 100.000 € aus der getroffenen Sicherungsabrede zustehen. I. Sicherungsabrede Die geleistete Kaution i.H.v. 100.000 € umfasst alle Forderungen, die dem Leasinggeber B gegen den Leasingnehmer K während oder nach Beendigung der Vertragsdauer im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag zustehen. Gleichzeitig ist die Kaution nach Beendigung des Leasingvertrags zurückzugeben, wenn der Leasingnehmer all seinen Verpflichtungen pünktlich nachgekommen ist. Dies folgt aus der zwischen K und B getroffenen Sicherungsabrede. „II.1.a) Dies entspricht bei Mietverhältnissen allgemeiner Auffassung, da der Vermieter die Kaution zur Sicherung seiner Ansprüche nicht mehr benötigt. Für Leasingverhältnisse gilt nichts anderes. Genauso kann ein Leasingnehmer in Fällen, in denen - wie hier - eine von ihm zu Kautionszwecken geleistete Bürgschaft in Anspruch genommen worden ist und zu einer letztlich unrechtmäßigen Rückbelastung des Leasingnehmers durch den Bürgen geführt hat, unmittelbar gegen den Leasinggeber auf Erstattung des ihm zu Unrecht belasteten Kautionsbetrages klagen. II.1.b) Hiervon ausgehend wird - vergleichbar mit der Rechtslage im Mietverhältnis - der sich aus der Sicherungsabrede ergebende Anspruch eines Leasingnehmers auf Rückzahlung der Kaution zwar erst fällig und besteht auch nur insoweit, als feststeht, dass dem Leasinggeber keine Ansprüche mehr zustehen, für die die Kaution haftet. Dem Leasingnehmer, der eine Sicherheit geleistet hat, steht deshalb ein fälliger Anspruch auf Rückgabe der Sicherheit nicht nur erst nach zusätzlichem Ablauf einer angemessenen, im Streitfall allerdings längst verstrichenen Prüfungsfrist zu, die es dem Leasinggeber gestattet, sich über noch offene Forderungen aus dem Leasingverhältnis und das daraus resultierende (Fort-) Bestehen eines Sicherungsbedürfnisses klar zu werden. Der Rückzahlungsanspruch setzt vielmehr auch voraus, dass das sich aus der Sicherungsabrede ergebende Sicherungsbedürfnis der Sache nach erledigt hat, dem Leasinggeber also keine Forderungen mehr aus dem Leasingverhältnis zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen könnte.“ Jura Intensiv II. Erledigung des Sicherungsbedürfnisses Zu prüfen ist damit, ob B gegen K keinerlei Ansprüche mehr aus den im März 2010 geschlossenen Leasingverträgen zustehen. 1. Anspruch auf Nutzungsersatz analog § 546a I BGB In Betracht kommt hier ein Anspruch auf Nutzungsersatz analog § 546a I BGB. Danach schuldet ein Leasingnehmer, der dem Leasinggeber einen Leasinggegenstand trotz Aufforderung nicht zurückgibt und dadurch i.S.d. § 546a I BGB vorenthält, für die Dauer der Vorenthaltung eine Nutzungsentschädigung i.H.d. vereinbarten Leasingraten. Notwendig ist eine Auslegung der zu der Kaution geschlossenen Sicherungsabrede. BGH, Urteil vom 24.03.1999, XII ZR 124/97; Urteil vom 18.01.2006, VIII ZR 71/05 Voraussetzung der Rückzahlung der Kaution ist ein Wegfall des Sicherungsbedürfnisses des Leasinggebers. Ihm dürfen keine Ansprüche mehr aus dem Leasingsverhältnis gegen den Leasingnehmer zustehen. Fakultativ kann man in Klausuren kurz die Analogie der Mietrechtsvorschriften damit begründen, dass sie die größte Sachnähe zum Leasing aufweisen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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