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RA Digital - 03/2017

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

138 Nebengebiete

138 Nebengebiete RA 03/2017 LÖSUNG Nach der Akzessorietätstheorie gilt für die Haftung der GbR-Gesellschafter § 128 HGB analog. A. Anspruch gem. §§ 433 II BGB, 124 I, 128 HGB analog I. Ursprüngliche Verbindlichkeit der L-GmbH Ursprünglich bestand ein Anspruch der Kläger gegen die L-GmbH gem. § 433 II BGB. II. Übergang dieses Anspruchs auf die M-GbR Nach der Umwandlung der L-GmbH in die M-GbR ist diese Schuldnerin des Anspruch geworden. An dieser Stelle wäre im Examen ein Bearbeitervermerk nötig gewesen. Dieser hätte z.B. wie folgt lauten können: Gesellschafter der mit dem Formwechsel entstehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden grundsätzlich diejenigen, die im Zeitpunkt der Eintragung der neuen Rechtsform bzw. der Umwandlung in das Register Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers sind, und nicht diejenigen, die zum Zeitpunkt der Fassung des Umwandlungsbeschlusses Anteilsinhaber sind. Der im Examen viel häufiger geprüfte § 15 I HGB regelt die sog. „negative Publizität“ des Handelsregisters bzw. der amtlichen Bekanntmachung. Im Rahmen dieser Norm gilt, dass man sich darauf verlassen kann, dass dasjenige, was nicht eingetragen (und bekannt gemacht) ist auch nicht passiert ist. Da die Bekanntmachung vorliegend jedoch falsch war, kommt insoweit allenfalls eine Anwendung von § 15 III HGB in Betracht. III. Gesellschafterstellung der Beklagten Um die akzessorische Gesellschafterhaftung gem. § 128 HGB analog auszulösen, müssten die Beklagten auch Gesellschafter der GbR (gewesen) sein. 1. Tatsächliche Rechtslage Jedoch sind die Beklagten [10] (...) nicht Gesellschafter der M-GbR, der Rechtsnachfolgerin der L-GmbH, geworden, da sie ihre Geschäftsanteile an der L-GmbH noch vor der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister übertragen haben. Der Beschluss über den Formwechsel hindert die Übertragung der Geschäftsanteile nicht (...). Gesellschafter der mit dem Formwechsel entstehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden grundsätzlich diejenigen, die im Zeitpunkt der Eintragung der neuen Rechtsform bzw. der Umwandlung (§ 235 I UmwG) in das Register Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers sind, § 202 I Nr. 2 S. 1 UmwG, nicht etwa diejenigen, die zum Zeitpunkt der Fassung des Umwandlungsbeschlusses Anteilsinhaber sind (...). Im Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung am 23. August 2010 waren die Beklagten (...) nicht mehr Gesellschafter der formwechselnden L-GmbH, weil sie bereits am 18. August 2010 ihre Geschäftsanteile übertragen hatten. Dass die neue Gesellschafterliste am 23. September 2010 erst nach der Eintragung der Umwandlung zum Handelsregister eingereicht wurde, ist ohne Bedeutung für die Wirksamkeit der Übertragung der Geschäftsanteile. Nach § 16 I GmbHG betrifft die Gesellschafterliste die Legitimation gegenüber der Gesellschaft, aber berührt nicht die materielle Rechtsstellung als Gesellschafter (...). Jura Intensiv 2. Positive Publizität der Bekanntmachung gem. § 15 III HGB Ein anderes Ergebnis könnte sich jedoch gem. § 15 III HGB ergeben, wenn sich die Klägerin auf die Bekanntmachung der Umwandlung mit der Angabe, dass die Beklagten Gesellschafter seien, berufen könnte. [12] Der Name der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre Gesellschafter nach einem Formwechsel gemäß § 235 I UmwG sind keine eintragungspflichtigen Tatsachen. Eingetragen werden muss nach § 235 UmwG die Umwandlung der Gesellschaft im Register der GmbH als formwechselnder Gesellschaft, aber in Abweichung von § 198 I UmwG nicht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst als neue Rechtsform (...). Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterliegt nicht der Eintragung in das Handelsregister (...). Erst recht müssen aus diesem Grund ihre Gesellschafter bei einem Formwechsel nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2017 Nebengebiete 139 [13] Auf nicht eintragungspflichtige Tatsachen findet § 15 III HGB keine Anwendung (...). Das folgt schon aus dem Wortlaut. § 15 III HGB setzt eine einzutragende Tatsache voraus. Die Vorschrift ist auch nicht mit Blick auf die Schutzbedürftigkeit des auf eine unrichtige Eintragung und Bekanntmachung nur eintragungsfähiger Tatsachen Vertrauenden entsprechend anzuwenden (so aber MünchKommHGB/Krebs, 4. Aufl., § 15 Rn. 87; ...). Eine solche Schutzlücke besteht nicht. Derjenige, der auf nicht eintragungspflichtige Tatsachen vertraut, kann einen Anspruch nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen haben (Koch in GroßKomm.HGB, 5. Aufl., § 15 Rn. 117; ...). B. Anspruch gem. §§ 433 II BGB, 124 I, 128 HGB analog, 242 BGB In Betracht kommt jedoch eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsscheinhaftung als Scheingesellschafter der M-GbR. [Anm.: Um schon in der Zitierung zwischen einer Haftung eines Scheingesellschafters (und zwar sowohl eines OHG- als auch eines GbR- Scheingesellschafters) einerseits und der Haftung eines „echten“ GbR- Gesellschafters andererseits (vgl. oben unter A.) unterscheiden zu können, empfiehlt es sich, bei der Rechtsscheinhaftung § 242 BGB mit zu zitieren.] [15] Personen können als Scheingesellschafter nach Rechtsscheingrundsätzen haften, wenn sie in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer existierenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft gesetzt haben oder gegen den durch einen anderen gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen sind und der Dritte sich bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat (...). [16] Die Beklagten haben objektiv einen ihnen zurechenbaren Rechtsscheintatbestand gesetzt. Zum Zeitpunkt der Erhebung der (...) Klage waren die Beklagten infolge der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses als Gesellschafter der M-GbR in das Handelsregister eingetragen. Dies war ihnen, (...), bekannt. (...). Jura Intensiv Jedoch setzt eine Rechtsscheinhaftung stets voraus, dass derjenige, demgegenüber der Rechtsschein gesetzt wurde, seine Dispositionen im Vertrauen auf den Rechtsschein getätigt hat. Daran fehlt es vorliegend, weil der ursprüngliche Abschluss des Kaufvertrags mit der L-GmbH (natürlich) nicht durch den erst zeitlich später gesetzten Rechtsschein – die falsche Bekanntmachung vom 23.8. – veranlasst wurde. Vertiefung: Die folgenden Ausführungen des BGH sind keinesfalls Prüfungswissen: [14] Zum Schutz der Gläubiger der formwechselnden Gesellschaft muss beim Formwechsel in eine GbR auch nicht § 235 I UmwG in richterlicher Rechtsfortbildung dahin ergänzt werden, dass in Analogie zu § 47 II GBO der Name bzw. die Bezeichnung der Gesellschaft und deren Gesellschafter im Handelsregister des formwechselnden Rechtsträgers einzutragen sind, um so § 15 III HGB auch für den Fall der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nutzbar zu machen (so aber Priester, GmbHR 2015, 1289, 1291; ...). Dass der Gläubiger einer GbR die Namen der Gesellschafter nicht kennt, weil sie nicht in einem öffentlichen Register verzeichnet sind, ist keine Besonderheit des Formwechsels einer GmbH in eine GbR. Vielmehr ist beim Formwechsel die Kenntnis von Namen und Anschrift der Gesellschafter sogar erleichtert, weil der Gläubiger Einsicht in die letzte Gesellschafterliste der formwechselnden GmbH nehmen und dadurch in der Regel Namen und Wohnort der Gesellschafter der entstandenen GbRs erfahren kann. (…) Es besteht schließlich auch kein Bedarf, über § 15 III HGB eine Rechtsscheinhaftung für einen Gläubiger der GmbH zu eröffnen, der auf eine (unrichtige) Benennung der Gesellschafter im Zusammenhang mit der Umwandlung vertraut, weil insoweit auf die allgemeinen Rechtsscheingrundsätze zurückgegriffen werden kann C. Ergebnis Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Kaufpreissumme. FAZIT Aus diesem Grund hatte im Originalfall die Klägerin im Laufe des Prozesses ihren Klageantrag geändert und hilfsweise beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten des Rechtsstreits freizustellen. Insoweit hatte die Klage dem Grunde nach Erfolg. Insofern liegen nämlich die Voraussetzungen für eine Rechtsscheinhaftung – insbesondere die Kausalität – vor: © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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