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RA Digital - 03/2018

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

122 Zivilrecht

122 Zivilrecht RA 03/2018 PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B analog § 1004 I 2 BGB i.V.m. § 823 I BGB I. Analoge Anwendbarkeit des § 1004 I 2 BGB II. Beeinträchtigung eines absoluten Rechts III. Keine Duldungspflicht analog § 1004 II BGB IV. Störereigenschaft des B V. Wiederholungsgefahr VI. Umfang des Unterlassungsanspruchs B. Ergebnis LÖSUNG In Hausarbeiten kann je nach Schwerpunkt eine ausführlichere Begründung nötig sein. Das LG hat nicht nummeriert. Zur besseren Auffindbarkeit haben wir die Randzeichen von juris übernommen. Die Identität der K ist durch die Äußerung des B klar erkennbar. A. K gegen B analog § 1004 I 2 BGB i.V.m. § 823 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Unterlassung von Angaben über ihre frühere intime Beziehung analog § 1004 I 2 BGB i.V.m. § 823 I BGB haben. I. Analoge Anwendbarkeit des § 1004 I 2 BGB § 1004 I 2 BGB wird nach h. M. auf alle deliktisch geschützten Rechte und Rechtsgüter analog angewandt, um Rechtsschutzlücken zu schließen. II. Beeinträchtigung eines absoluten Rechts Da keine besonderen persönlichkeitsrechtlichen Vorschriften ersichtlich sind, kommt nur eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG in Betracht. „[43] [Zunächst ist festzustellen, ob] K durch die angegriffene Äußerung erkennbar ist. An die Erkennbarkeit werden grds. keine hohen Anforderungen gestellt. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob alle oder ein erheblicher Teil der Leser oder gar die Durchschnittsleser die gemeinte Person identifizieren können. Vielmehr reicht bereits die Erkennbarkeit im Bekanntenkreis. [44] Diese Voraussetzungen waren hier gegeben. Aus der angegriffenen Äußerung geht hervor, dass B der Lehrer der K an einer Schule in Münster war, dass diese im Alter von 16 Jahren die Schule verlassen hat und im September 2016 erotische Bilder von ihr veröffentlicht wurden. Darüber hinaus ist zwischen den Parteien unstreitig, dass B den Nachnamen der K in einem wenige Tage später veröffentlichten Beitrag unter Bezugnahme auf die vorangegangene Äußerung genannt hat.“ Jura Intensiv Die angegriffene Äußerung müsste zudem unzulässig in das Persönlichkeitsrecht der K eingreifen. „[46] Die Veröffentlichung einer Liebesbeziehung greift grds. in den Schutzbereich des allgemeine Persönlichkeitsrecht des durch die Veröffentlichung Betroffenen ein. Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG, Art. 8 I EMRK gewährleisten das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Hierzu gehört auch das Recht, für sich zu sein, sich selbst zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2018 Zivilrecht 123 [47] Der Schutz der Privatsphäre ist sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden. Zur Privatsphäre gehören demnach auch Informationen über das Bestehen einer Liebesbeziehung, deren Bekanntwerden der Betroffene - aus welchen Gründen auch immer - nicht wünscht, sondern vielmehr geheim halten möchte. [48] Darüber hinaus gewährt das Grundgesetz dem Bürger einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist. Wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung absolut geschützt, ohne dass dieser Schutz einer Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugänglich ist. Diesem Kernbereich gehören insbesondere Ausdrucksformen der Sexualität an. Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt. Dementsprechend betreffen Details über den Austausch von Intimitäten in einer Liebesbeziehung nicht nur den Bereich der Privat-, sondern den der Intimsphäre. [49] Weiter kann auch bei Heranwachsenden die Berichterstattung über eine Beziehung einen Eingriff in einen besonders sensiblen Bereich darstellen. Heranwachsende sollen eine gewisse Schutzbedürftigkeit dahingehend genießen, so dass es ihnen zugestanden sein soll, auf dem Weg zu einer gereiften Persönlichkeit unbeeinträchtigt Beziehungen zu Partnern führen zu können, ohne dabei von einer breiten Öffentlichkeit beobachtet zu werden.“ Nach diesen Grundsätzen greift die angegriffene Äußerung insgesamt jedenfalls in den Bereich der Privatsphäre, teilweise auch in den Bereich der Intimsphäre der K ein. Jura Intensiv „[51] Denn B offenbart in der angegriffenen Äußerung, dass er sich von K habe verführen lassen und später für sie seine Frau und seine Familie im Stich gelassen habe, dass die Parteien sexuelle Handlungen vorgenommen haben und dass die Parteien letztlich eine heimliche Liebesbeziehung führten. Zudem hätten sie sich gegenseitig stets als Verlobte bezeichnet.“ III. Keine Duldungspflicht analog § 1004 II BGB Weiterhin müsste der Eingriff auch rechtswidrig gewesen sein. Wegen der Eigenart des allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist daher nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. „[53] Hier ist [daher] das Schutzinteresse aus Art 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG mit dem Recht auf Meinungsfreiheit gem. Art. 5 I 1 GG, Art. 10 I EMRK abzuwägen. Umfassender Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Äußerung intimer Details aus einer (Liebes-) Beziehung Auch hier ist die Unterscheidung zwischen Intim- und Privatsphäre erforderlich. Sexualität gehört zur Intimsphäre und ist absolut geschützt. Anders als das Jugendstrafrecht kennt das BGB den Begriff des Heranwachsenden nicht. B ist volljährig. Die Schutzbedürftigkeit Heranwachsender sah kürzlich erstmals das LG Hamburg, Urteil vom 12.06.2017, 324 O 570/16 als relevant an. Dem schließt sich das LG Frankfurt hier an. Beide Gerichte betreten damit Neuland. Auch das ist neu: Es geht nicht um intime Fotos, es geht nicht um die Beschreibung sexueller Praktiken – schon die nicht detaillierte Erzählung, eine heimliche intime Beziehung gehabt zu haben, soll ein Eingriff in die Privat- und Intimsphäre sein. Das Gericht berücksichtigt aber bei der Rechtswidrigkeitsprüfung, dass B zur Zeit der intimen Beziehung noch minderjährig war. Als Rahmenrecht verlangt das allgemeine Persönlichkeitsrecht bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit eine umfassende Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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