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RA Digital - 03/2018

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130 Referendarteil:

130 Referendarteil: Zivilrecht RA 03/2018 Das Heizöl sei dann an einem Dienstag oder Mittwoch angeliefert worden. Sie habe die Heizung erst am darauf folgenden Samstag anschalten können, da sie erst einen Bekannten habe finden müssen, der sie dabei begleitet. Sie habe nämlich Angst, alleine in das Haus zu gehen, weil dort der Hund der Antragstellerin frei im Treppenhaus herumlaufe, den sie für gefährlich halte. In der Rechtsmittelentscheidung ist Datum und Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung als Prozessgeschichte I nach den Bestandteilen des erstinstanzlichen Tatbestandes aufzuführen. Anfechtung und – in der Beschwerde wichtig – Nichtabhilfe als Prozessgeschichte I Ob der Beschwerdewert erreicht wurde, stellt das einzige Problem in der Zulässigkeit dar. Obersatz der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO Voraussetzung der Entscheidung nach § 91a ZPO Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 535 I 1 BGB. Der Vermieter hat die Mietsache im zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, also auch im beheizbaren Zustand und mit Warmwasserversorgung. Mit Beschluss vom 22.08.2017 hat das AG nach Erledigung der Hauptsache die Kosten des Verfahrens den Antragstellerinnen auferlegt. Es fehle an der Eilbedürftigkeit. Zwar bestehe auch im Hochsommer ein Anspruch des Mieters auf Versorgung mit Warmwasser, eine anderweitige Warmwasserversorgung, z. B. durch Erwärmung im Wasserkocher o. ä. sei aber möglich und zumutbar gewesen. Zudem habe die Antragstellerin durch ihr Zuwarten bis zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Eilbedürftigkeit selbst widerlegt. Der Beschluss ist der Antragstellerin am 25.08.2017 zugestellt worden. Die Antragstellerin hat den Beschluss durch am 07.09.2017 eingegangenen Schriftsatz mit sofortiger Beschwerde angefochten. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gem. §§ 567 I Nr. 1, 91a II 1 ZPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Die gegen die Kostenentscheidung des AGs gerichtete Beschwerde ist auch mit Blick auf § 567 II ZPO zulässig, denn der Beschwerdewert wird erreicht. Die Beschwerde ist gegen Entscheidungen über Kosten nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 € übersteigt. Hier liegt der Beschwerdewert bei 227,09 €. Der Antragstellerin sind durch den Antrag Anwaltskosten von 122,09 € entstanden (1,9 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100, 1008 VV RVG (wegen dreier Auftraggeber) von 85,50 €, Auslagen von 17,10 €, zuzüglich 19 % Umsatzsteuer). Hinzu kommt eine Gerichtsgebühr nach Nr. 1210 GKG von 105 €. Jura Intensiv Auch in der Sache hat die Antragstellerin mit der Beschwerde Erfolg. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens waren der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da die Antragstellerin mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, war gemäß § 91a I 1 ZPO nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Dies rechtfertigte die Auferlegung der Kosten auf die Antragsgegnerseite, da die Antragsstellerin mit dem Antrag bei Würdigung des bisherigen Sach- und Streitstandes Erfolg gehabt hätte. Der Verfügungsanspruch folgt aus § 535 I 1 BGB. Der Vermieter hat dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu überlassen. Die Antragsgegnerin ist als Vermieterin gemäß § 535 I 2 BGB auch verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Dazu gehört auch die Versorgung mit Heizung und Warmwasser. Die Antragsgegnerin ist als Vermieterin dafür verantwortlich, dass die Warmwasserversorgung funktioniert und dass die Wohnung ausreichend beheizt werden kann. Zu dieser Verpflichtung gehört es auch, die Antragstellerin Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2018 Referendarteil: Zivilrecht 131 als Mieter vor Heizungsausfällen, etwa durch Leerlaufen des Öltanks, zu bewahren. Es ist ihre Verpflichtung, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Heizung und der Warmwasserversorgung ein Ende hat. Dies liegt auch innerhalb ihres Einfluss- und Verantwortungsbereiches. Die Antragstellerin hatte auch ein berechtigtes Interesse an einer Regelung im Wege einer einstweiligen Verfügung. Sowohl die Versorgung der Wohnung mit Warmwasser als auch mit ausreichend Wärme durch eine funktionsfähige Heizung ist schon aus gesundheitlichen Gründen dringend und rechtfertigt einen Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Versorgungsunterbrechung sich im Hochsommer ereignete. Zwar wird ein Mieter in einer Jahreszeit mit hohen Außentemperaturen einen Ausfall der Heizung wohl hinnehmen können, sodass bei einem Ausfall allein der Raumheizungen eine Eilbedürftigkeit im Hochsommer zu bezweifeln wäre. Anders ist es aber bei einem Ausfall des Warmwassers, der gerade hier auch eingetreten war. Die Versorgung mit Warmwasser hat für die Körperhygiene des Menschen erhebliche Bedeutung, zumal im Hochsommer, da der menschliche Körper bei hohen Außentemperaturen verstärkt zum Schwitzen neigt und eine Einschränkung der Wasch- und Duschmöglichkeiten gerade dann besonders unangenehme Folgen zeigen kann. Es ist einem Mieter nicht zuzumuten, aufgrund einer bloßen Nachlässigkeit des Vermieters - verspätetes Absetzen der Heizölbestellung - wochenlang auf Warmwasser verzichten zu müssen. Der Mieter ist insoweit auch nicht auf alternative Wassererwärmungsmöglichkeiten zu verweisen. Dies gilt erst recht für die Antragstellerin, die die Wohnung zusammen mit ihren 2 und 8 Jahre alten Kindern bewohnt. Im Alter von 2 Jahren sind viele Kinder noch nicht zuverlässig trocken und sauber. Hat sich das Kind eingenässt oder eingekotet, so muss sich die Antragstellerin darauf verlassen können, dass ihr schnell Warmwasser zur Verfügung steht, um ihr Kind waschen zu können. Es ist ihr nicht zuzumuten, etwa erst mit Hilfe eines Wasserkochers eine für Kinderhaut angenehme Wassertemperatur anzumischen. Insbesondere wäre es nicht zumutbar gewesen, diesen Zustand bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bestehen zu lassen, zumal die Antragsgegnerin selbst diesen Zustand verschuldet hat. Sie hätte schon viel früher den Heizöltank auf seine Befüllung überprüfen und sodann rechtzeitig Heizöl bestellen können. Jura Intensiv Auch das Verhalten der Antragstellerin selbst spricht nicht gegen einen Verfügungsgrund. Sie hat den Verfügungsgrund nicht durch zu langes Zuwarten bis zur Beantragung der einstweiligen Verfügung selbst widerlegt. Die Notwendigkeit für eine einstweilige Verfügung kann infolge Selbstwiderlegung durch längeres Zuwarten in Kenntnis der sie rechtfertigenden Umstände entfallen. Nach dem allgemein anerkannten und in zivilrechtlichen Eilverfahren auch stets angewandten Grundsatz der Selbstwiderlegung ist ein Verfügungsgrund zu verneinen, wenn der Antragsteller trotz ursprünglich bestehender Regelungsoder Eilbedürftigkeit zu lange zugewartet hat, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Dies gilt selbst dann, wenn dieses Zuwarten auf den Versuch zurückzuführen ist, die Angelegenheit mit dem Antragsgegner gütlich und kooperativ zu regeln. Hinter diesem Grundsatz stehen nicht Gesichtspunkte der Verwirkung. Dahinter steht vielmehr der allgemeine Gedanke, dass derjenige, der seine eigenen Angelegenheiten selbst nicht Der Verfügungsgrund hätte in der besonderen Dringlichkeit wegen drohender Gefahren für die Gesundheit gelegen. Auch im Sommer kann ein Mieter die Versorgung mit Warmwasser verlangen, wie das LG nebenstehend detailliert begründet. Bedeutung des Warmwassers für die Hygiene Bedeutung des Warmwassers für die Pflege von Kleinkindern Keine Selbstwiderlegung des Verfügungsgrundes durch zu langes Zuwarten Die so genannte „Selbstwiderlegung“ ist ein Klassiker in einstweiligen Verfügungsfällen. Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 940 Rn 5; Zöller/Vollkommer, ZPO § 940 Rn 4; Musielak, ZPO, § 940 ZPO, Rn 4 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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