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RA Digital - 03/2018

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

138 Nebengebiete

138 Nebengebiete RA 03/2018 Schema Zulässigkeit einer Zivilklage: I. Prozessvoraussetzungen II. Sachurteilsvoraussetzungen 1. Gerichtsbezogene a) Zivilrechtsweg, § 13 GVG b) sachliche Zuständigkeit, §§ 23 ff., 71 ff. GVGc) örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff. ZPO 2. Parteibezogene a) Parteifähigkeit, § 50 ZPO b) Prozessfähigkeit, § 51 I, 52 I ZPO, §§ 104 ff. BGB c) Prozessführungsbefugnis 3. Streitgegenstandsbezogene a) Ordnungsgemäße Klageerhebung, § 253 ZPO b) Keine anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 ZPO c) Keine entgegenstehende Rechtskraft, § 322 ZPO d) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis LÖSUNG Die Klage ist unzulässig. Die Kläger hatten einen Anspruch der A-KG auf Zahlung von Schadensersatz gem. § 43 GmbHG analog für die Gesellschaft im eigenen Namen geltend gemacht. Dafür fehlte ihnen allerdings die Prozessführungsbefugnis. Diese ist eine Prozessvoraussetzung, die während des gesamten Verfahrens auch in der Revisionsinstanz vorliegen muss. Die Kläger konnten ihre Prozessführungsbefugnis nicht auf eine actio pro socio stützen. Als eine solche wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet. Mit dem Schadensersatzanspruch der KG gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wird aber kein Anspruch gegen einen Mitgesellschafter geltend gemacht, sondern gegen einen Nichtgesellschafter. Die Einziehung einer Gesellschaftsforderung ist bei einer Personenhandelsgesellschaft ein Akt der Geschäftsführung, die grundsätzlich Aufgabe der geschäftsführenden Gesellschafter ist. Demgemäß braucht auch kein Gesellschafter zu dulden, dass ein nichtberechtigter Gesellschafter die in der klageweisen Geltendmachung einer Forderung gegen Dritte liegende Geschäftsführungsmaßnahme allein trifft und damit die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über die Geschäftsführungsbefugnis durchbricht. Dies gilt auch für die GmbH & Co. KG. Die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen der KG gem. § 43 II GmbHG analog gegen einen Fremdgeschäftsführer obliegt deren geschäftsführender Gesellschafterin, der Komplementär-GmbH. Zwar hat der BGH eine actio pro socio für Ansprüche der KG gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter für möglich angesehen, jedoch eine actio pro socio gegenüber Dritten, also Nichtgesellschaftern, nicht in Erwägung gezogen. Jura Intensiv FAZIT Die Klage der A-KG gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Komplementär- GmbH, den B, muss die A-KG als Forderungsinhaber führen. Die A-KG wird von der Komplementär-GmbH vertreten, diese wird von ihrem Geschäftsführer vertreten. Mögen auch die Erben der T deren Kommanditanteile und deren Gesellschaftsanteile der Komplementär-GmbH erworben haben, so ist doch entscheidend, wer der aktuelle Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist. Nur dieser kann die A-KG wirksam im Außenprozess vertreten. Ein schöner Fall, weil man hier das Thema der actio pro socio mit der Vertretungsstruktur innerhalb der GmbH & Co. KG gut verknüpfen kann. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2018 Nebengebiete 139 Arbeitsrecht Problem: Anrechnung einer Anwesenheitsprämie auf Mindestlohn Einordnung: §§ 1 - 3 MiLoG: „funktionelle Gleichwertigkeit“ mit Lohn BAG, Urteil vom 11.10.2017 5 AZR 621/16 EINLEITUNG Es gibt eine umfangreiche Rechtsprechung zur Frage, ob Sonderzahlungen auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Grundsätzlich sind alle Sonderzahlungen auf den Mindestlohn anzurechnen, vorausgesetzt, die Sonderzahlungen sind mit dem „eigentlichen“ Lohn funktional gleichwertig. Mindestlohnwirksam sind deshalb alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt werden. Schließlich ist noch die Regelung zur Fälligkeit des Mindestlohns in § 2 MiLoG zu beachten. Ausgenommen davon sind Sonderzahlungen, die unabhängig von der Arbeitsleistung erbracht werden (z.B. Jubiläumsgelder) oder auf einer besonderen gesetzlichen Zwecksetzung beruhen wie z.B. Nachtarbeitszuschläge gemäß § 6 V ArbZG. SACHVERHALT Die Klägerin – eine Minijobberin – erhielt gemäß einer arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung vom Oktober 2014 ab Januar 2015 nicht mehr wie bisher 6,36 EUR brutto pro Stunde, sondern 8,50 EUR. Außerdem gab es in dem Betrieb schon seit längerem eine Betriebsvereinbarung, der zufolge eine monatliche und eine quartalsweise fällige Anwesenheitsprämie zu zahlen waren. Die Prämien verringerten sich oder entfielen ganz im Falle von Krankheitstagen. Die arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung vom Oktober 2014 lautete: Jura Intensiv „Der Mitarbeiter arbeitet max. 40 Zeitstunden pro Monat, zurzeit zwei Tage/ Woche, Montag und Donnerstag. Die Vergütung beträgt bis zum 31.12.2014 EUR 6,36 brutto pro Zeitstunde. Ab dem 01.01.2015 beträgt die Vergütung in Anlehnung an das Mindestlohngesetz EUR 8,50 brutto pro Zeitstunde. Sollte sich der Mindestlohn je Zeitstunde per Gesetz erhöhen, so bedarf es keinem Nachtrag und ersetzt automatisch den Vorherigen.“ LEITSATZ Die Anrechnung von Sonderzahlungen wie einer Anwesenheitsprämie auf den gesetzlichen Mindestlohn setzt einen Stundenlohn voraus, der unter dem Mindestlohn liegt. Schon die Formulierung der Klausel zeigt, dass hier Rechtslaien am Werk waren ... Für Februar bis Mai 2015 zahlte der Arbeitgeber zwar pro Stunde 8,50 EUR brutto, die in den Lohnabrechnungen auch entsprechend ausgewiesen waren, behielt aber die in diesen vier Monaten verdienten Anwesenheitsprämien von insgesamt 60,63 EUR brutto ein. Die Prämien wurden zwar in den Lohnabrechnungen in monatlich wechselnder Höhe ausgewiesen, aber als Bestandteil des Stundenlohns von 8,50 EUR brutto. Daraufhin klagte die Klägerin auf Zahlung von 60,63 EUR brutto Anwesenheitsprämie für Februar bis Mai 2015. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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