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RA Digital - 03/2019

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118 Zivilrecht

118 Zivilrecht RA 03/2019 Problem: Eigenbedarfskündigung trotz Wegfall des Grundes Einordnung: Mietrecht LG Berlin, Urteil vom 29.01.2019 67 S 9/18 LEITSATZ Der Vermieter handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er den auf eine Eigenbedarfskündigung gestützten Räumungsanspruch weiterverfolgt, obwohl sein zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs noch hinreichend verdichteter Eigennutzungswunsch im Moment des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht mehr von der konkreten Absicht zur alsbaldigen Umsetzung getragen ist (hier: Vermieterin als Stuntwoman - unabsehbare Verzögerung der ursprünglichen Vermieterplanung nach einem Unfall vor Ablauf der Kündigungsfrist). EINLEITUNG Eine Eigenbedarfskündigung des Wohnungsmietverhältnisses ist gem. § 573 II Nr. 2 BGB möglich, wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst, seine Familie oder für Haushaltsangehörige benötigt. Einen Sonderfall stellt der nachträgliche Wegfall des Eigenbedarfsgrundes dar. In dieser Situation stellt sich die Frage, ob und wann eine Kündigung durch den Wegfall des Eigenbedarfsgrundes unwirksam wird. SACHVERHALT Am 24.02.2012 schließen die Klägerin (K) und die Beklagte (B) einen Mietvertrag über eine Fünfzimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus in Berlin. Die Miete beläuft sich auf monatlich 1.500 €. Mit Schreiben vom 14.01.2016 kündigt K das Mietverhältnis mit B form- und fristgerecht zum 31.01.2017 mit der Begründung, dass sie die Wohnung für sich benötige. K erklärt, dass sie derzeit zwar noch in Hamburg wohne, sie sich mittlerweile allerdings beruflich nach Berlin umorientiert habe. Sie habe dort ein Engagement als Stuntwoman angenommen und werde nach Abschluss einer entsprechenden Ausbildung Ende 2016 zudem eine Festanstellung als Rettungssanitäterin in Berlin annehmen. Im Juni 2016 verletzt sich K bei einem Arbeitsunfall schwer und wird in der Folge vom 08.06.2016 bis einschließlich zum 31.03.2018 krankgeschrieben. Zudem muss sie ihren Beruf als Stuntwoman aufgeben. Darüber hinaus ist sie gehindert ihre Ausbildung als Rettungssanitäterin bis Ende 2016 abzuschließen und im Anschluss daran eine Festanstellung in Berlin anzutreten. Erst am 01.04.2018 nimmt sie ihre Ausbildung wieder auf. Im März 2018 wird ihr zudem bescheinigt, dass sie nach ihrem Arbeitsunfall an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und ihre Zukunft daher „unklar“ sei. Dennoch verlangt K von B gem. §§ 546 I, 549 BGB Räumung und Herausgabe der Fünfzimmerwohnung. B entgegnet, die Kündigung sei rechtsmissbräuchlich gewesen, da der Grund für die Eigenbedarfskündigung weggefallen sei. Zu Recht? PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B gem. §§ 546 I, 549 BGB I. Vorliegen eines Mietverhältnisses II. Beendigung des Mietverhältnisses 1. Fristgerechte Kündigungserklärung 2. Kündigungsgrund gem. § 573 II Nr. 2 BGB B. Ergebnis Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2019 Zivilrecht 119 LÖSUNG A. Anspruch K gegen B gem. §§ 546 I, 549 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gem. §§ 546 I, 549 BGB haben. I. Vorliegen eines Mietverhältnisses K schloss am 24.02.2012 mit B einen Mietvertrag über eine Fünfzimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus in Berlin zu einem monatlichen Mietzins i.H.v. 1.500 €. Ein Mietverhältnis i.S.d. § 535 BGB liegt damit vor. II. Beendigung des Mietverhältnisses Dieses Mietverhältnis müsste wirksam beendet worden sein. Da vorliegend keine Mietzeit bestimmt ist, kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis gem. § 542 I BGB nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen. 1. Fristgerechte Kündigungserklärung Mit Schreiben vom 14.01.2016 hat K der B die Kündigung form- und fristgerecht zum 31.01.2017 erklärt. Der ggf. fehlende Hinweis auf die Möglichkeit des Widerspruchs führt nicht zur Nichtigkeit der Kündigung, sondern gem. § 574b II 2 BGB nur dazu, dass er verspätet vorgebracht werden kann. 2. Kündigungsgrund gem. § 573 II Nr. 2 BGB Weiterhin muss K auch ein Kündigungsgrund zustehen. Gem. § 573 I BGB kann der Vermieter nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches liegt nach § 573 II Nr. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt (sog. Eigenbedarfskündigung). Vorliegend macht K geltend, dass sie die Wohnung für sich benötigt, da sie sich beruflich nach Berlin umorientiert habe. Sie habe dort ein Engagement als Stuntwoman angenommen und werde nach Abschluss einer entsprechenden Ausbildung Ende 2016 zudem eine Festanstellung als Rettungssanitäterin in Berlin antreten. „[4] Zwar handelt es sich bei der zum Gegenstand der Kündigungserklärung erhobenen Begründung um einen für eine Beendigung des Mietverhältnisses geeigneten Grund i.S.d. § 573 II Nr. 2 BGB. [5] Selbst wenn der behauptete Eigenbedarf zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorgelegen haben sollte, ist es der K jedoch gem. § 242 BGB verwehrt, sich ohne Ausspruch einer neuerlichen Kündigung auf die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses zu berufen. Denn der von ihr in der Kündigungserklärung vom 14.01.2016 geltend gemachte Kündigungsgrund ist vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31.01.2017 entfallen. Zwar lässt ein nachträglicher Wegfall des Nutzungswillens die Wirksamkeit der Kündigung unberührt; es ist allerdings nach von der Kammer geteilter Rspr. des BGH rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter den aus der Vertragsbeendigung folgenden Räumungsanspruch gleichwohl weiterverfolgt. Ein zur Anwendung des § 242 BGB führender Wegfall des Kündigungsgrundes ist auch dann gegeben, wenn ein zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs hinreichend verdichteter Nutzungswunsch des Vermieters bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr von der konkreten Absicht zur alsbaldigen Umsetzung getragen wird. Gem. § 573 II Nr. 2 BGB kann eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt werden, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familie oder Haushaltsangehörige benötigt. Das Berufen auf § 573 II Nr. 2 BGB ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Nutzungswunsch bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr vorliegt. Problem: Entfallen des Kündigungsgrundes vor Ablauf der Kündigungsfrist Rechtsmissbrauch liegt gem. § 242 BGB auch vor, wenn der Vermieter bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr einziehen will. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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