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RA Digital - 03/2019

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130 Referendarteil:

130 Referendarteil: Zivilrecht RA 03/2019 Ist die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs unproblematisch, sollten Sie sich nur kurz zur Statthaftigkeit des konkreten Rechtsbehelfs äußern. II. Die nach §§ 793 ZPO, 95 ZVG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache erfolglos, denn das AG hat die Erinnerung des Schuldners zu Recht zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde ist stattthaft, weil sie sich gegen eine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren mit fakultativer mündlicher Verhandlung richtet, denn die Zurückweisung der Schuldnererinnerung erfolgte gem. §§ 766 I, 764 III ZPO durch Beschluss, der gem. § 128 IV ZPO keine mündliche Verhandlung erfordert. Das Landgericht Heidelberg ist gem. §§ 571, 572 ZPO, 72 GVG das Beschwerdegericht, wenn Entscheidungen des Amtsgerichts W. angegriffen werden. Die Einlegung der Beschwerde erfolgte gem. § 569 I ZPO fristgemäß innerhalb der Frist von zwei Wochen. Diese war gem. §§ 569, 222 I ZPO, 187 I, 188 II, 193 BGB bei Einlegung am 02.01.2019 noch nicht abgelaufen. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht rechtswidrig ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts über die Erinnerung des Schuldners gem. § 766 I ZPO ist rechtmäßig, weil die Erinnerung nicht begründet ist. Entgegen der Auffassung des Schuldners wurde sein Recht auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Das Recht auf rechtliches Gehör beinhaltet die Gelegenheit zur Äußerung, s. BVerfG NJW 2004, 141. Ob eine Partei sich nach Gewährung des Gehörs äußert, steht ihr frei Die Anhörung kann unterbleiben und ist dann später nachzuholen, wenn das Unterbleiben erforderlich ist, eine Partei zu überraschen, BVerfG NJW 1984, 719 und NJW 1991, 1283. Dieses Prinzip liegt auch dem Arrest- sowie dem einstweiligen Verfügungsverfahren zugrunde. Zöller/Stöber, ZPO, vor § 704 Rn 28 Zugrunde liegt stets ein Vollstreckungstitel, bei dessen Zustandekommen der Schuldner Mitwirkungsrechte hatte. „[9] Art. 103 I GG gewährleistet, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, sich zu dem einer Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt grundsätzlich vor deren Erlass zu äußern und damit das Gericht in seiner Willensbildung zu beeinflussen. Das gilt aber im Hinblick auf kollidierende verfassungsrechtlich geschützte Interessen anderer Beteiligter nicht unbeschränkt. Wenn der Schutz gewichtiger Interessen die Überraschung eines Beteiligten unabweisbar erfordert, ist es ausnahmsweise zulässig, ihn erst nach der Entscheidung anzuhören. Das ist der Fall, wenn eine vorherige Anhörung den Zweck der Maßnahme vereitelte oder wenn die Entscheidung nach vorheriger Anhörung zu spät käme. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann es namentlich gebieten, die Betroffenen vor Anordnung der Beschlagnahme nicht anzuhören, um sie nicht zu warnen, insbesondere wenn eine richterliche Prüfung erfolgt. Demgemäß ist im Anordnungsverfahren als Teil der Zwangsvollstreckung und mithin gerichtlichem Verfahren Art. 103 I GG zwar anwendbar, doch ist im Rahmen der Zwangsvollstreckung der Grundsatz des vorherigen rechtlichen Gehörs weitgehend zu Gunsten einer nachträglichen Anhörung des Schuldners eingeschränkt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Zwangsvollstreckung ausnahmslos auf Grundlage eines Vollstreckungstitels erfolgt, an dessen Entstehung der Schuldner entweder mitgewirkt hat oder doch hätte mitwirken können. Auch insoweit liegt die Sache anders als bei der vom Schuldner angeführten strafrechtlichen Unschuldsvermutung (Art. 6 II EMRK), denn im Falle der Zwangsvollstreckung steht bereits fest, dass der Schuldner Adressat des titulierten, noch nicht erfüllten Anspruchs ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens ohnehin der Prüfungsumfang der Vollstreckungsorgane und mithin auch die denkbaren rechtlich erheblichen Einwendungen stark beschränkt sind und die Beteiligten insoweit auf weitergehende Rechtsbehelfe verwiesen werden. Vor allem aber sind das Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2019 Referendarteil: Zivilrecht 131 von Art. 14 GG geschützte, durch den Titel verbürgte Eigentumsrecht des Gläubigers und sein Anspruch auf Justizgewähr aus Art. 2 I iVm Art. 20 GG kollidierende verfassungsrechtlich geschützte Interessen und rechtfertigen daher eine Einschränkung des Art. 103 I GG, wenn der Vollstreckungserfolg gefährdet würde. Demgemäß ist gerade für Vollstreckungsmaßnahmen mit beschlagnahmendem Charakter (§ 829 I ZPO, 21 II InsO) teils ausdrücklich geregelt, dass eine Anhörung des Schuldners unterbleibt (§ 834 ZPO; Umkehrschluss aus § 21 III 1 InsO), teils wird dem Schuldner erst unmittelbar vor Beginn der Vollstreckung Gelegenheit zur freiwilligen Leistung (§ 59 II GVGA zu § 808 ZPO) und damit auch zur Erhebung von Einwendungen gegeben. Auch im Umkehrschluss aus §§ 733 I, 891 S. 2 ZPO sowie aus der Existenz des Rechtsbehelfs der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO, durch die rechtliches Gehör durch das Vollstreckungsgericht gewährt wird, folgt, dass das Zwangsvollstreckungsrecht aus Gründen des Gläubigerschutzes in weitem Umfang von einer Einschränkung des vorherigen rechtlichen Gehörs ausgeht. Das gilt regelmäßig auch für die Anordnung der Zwangsversteigerung nach § 15 ZVG, die zugunsten des Gläubigers als Beschlagnahme des Grundstücks wirkt (§ 20 I ZVG). Ob die Gefährdung tatsächlich besteht, muss das zuständige Gericht im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände prüfen und entscheiden, wobei es nicht gehindert ist, allgemeine Erfahrungssätze zu berücksichtigen. Die Entscheidung darüber, ob von der vorherigen Anhörung des Vollstreckungsschuldners abgesehen werden kann, bleibt somit dem richterlichen Ermessen im Einzelfall überlassen. Die Gewährleistung des Zwecks der Zwangsversteigerung macht regelmäßig auch die Nichtanhörung des Schuldners vor der Anordnung der Zwangsversteigerung erforderlich.“ Art.103 I GG wird eingeschränkt durch das Eigentumsgrundrecht des Gläubigers, das aus dem Vollstreckungstitel hervorgeht, sowie dessen Anspruch auf Justizgewährung, wozu auch ein Anspruch auf ein Vollstreckungsverfahren gehört, BVerfG NJW 1981, 2111. Teilweise Unterbleiben der Anhörung ausdrücklich geregelt Die Existenz der Erinnerung zeigt, dass das Zwangsvollstreckungsrecht von einer Einschränkung des Rechts auf rechtliches Gehör ausgeht. Dies gilt auch für die Anordnung der Zwangsversteigerung, Stöber, ZVG, § 15 ZVG, Rn 28.1. Die tatsächliche Gefährdung ist im Einzelfall durch eine Ermessensentscheidung des Gerichts zu prüfen, BVerfG NJW 1981, 2111. Der Zweck der Vollstreckung macht regelmäßig Nichtanhörung des Schuldners erforderlich, BGH, Urteil vom 17.08.1984, IX ARZ 7/84. Hiernach ist die Entscheidung des AG nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses ermessensfehlerhaft gehandelt hätte, weil es die Zwangsvollstreckung ohne vorherige Anhörung des Schuldners angeordnet hat. Der Zwangsvollstreckung liegt der allgemeine Erfahrungssatz zugrunde, dass Vollstreckungsschuldner regelmäßig nicht im Interesse des Vollstreckungsgläubigers handeln, sondern eine Erfüllung des titulierten Anspruchs vermeiden wollen. Das ist keine Diskriminierung des Schuldners, wie er meint, sondern strukturell in dem Interessengegensatz der Parteien angelegt. Andernfalls bedürfte es keines Zwangsvollstreckungsrechts. Entgegen der Ansicht des Schuldners ist es auch nicht so, dass bei der Immobiliarzwangsvollstreckung eine der Vollstreckung in körperliche Sachen vergleichbare Gefährdung des Vollstreckungserfolgs ausgeschlossen ist. Das folgt bereits daraus, dass die Beschlagnahme durch den Anordnungsbeschluss auch bewegliche Sachen umfasst, nämlich die Gegenstände, auf welche sich bei einem Grundstücke die Hypothek erstreckt (§ 20 II ZVG i.V.m. §§ 1120 ff. BGB), und der Gläubiger insoweit schutzbedürftig ist. Aber auch hinsichtlich der Liegenschaft selbst, die fraglos nicht im wörtlichen Sinne beiseite geschafft werden kann, schützt die Beschlagnahme den Gläubiger durch das daraus folgende Verfügungsverbot (§ 23 ZVG) vor Verzögerungen und Beeinträchtigungen seines Vollstreckungsvorhabens, und zwar auch den - wie im Streitfall - dinglichen Gläubiger namentlich davor, dass das Grundstück mit Wirkung für ihn veräußert wird (§ 26 ZVG). Allgemeiner Erfahrungssatz, dass der Schuldner den titulierten Anspruch gerade nicht erfüllen will BGH, Urteil vom 17.08.1984, IX ARZ 7/84 Gläubigerschutz © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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