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RA Digital - 03/2019

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138 Nebengebiete

138 Nebengebiete RA 03/2019 Hingegen sei der Rechtsstreit hinsichtlich des Anspruchs auf Herausgabe des Patientenakte, der sich auch aus dem Behandlungsvertrag ergeben könnte, als sog. „Et-Et-Fall“ abzutrennen und an das zuständige AG zu verweisen. Für diesen Klagegegenstand sei das ArbG unzuständig, da die Klägerin zwar ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten behauptet, aber nicht schlüssig dargelegt habe. Im Gegenteil ergebe sich schon aus dem unstreitigen Parteivortrag, dass die Beklagte nicht Arbeitgeberin der Klägerin sein konnte, sondern dass dies die GmbH sei. FAZIT Das LAG gibt sehr deutlich zu erkennen, dass es nicht davon ausgeht, dass die Klägerin Arbeitnehmerin der Beklagten ist. Die Folgen: Beim sog. „Sic-Non-Fall“ spielt dies für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten keine Rolle, weil bereits die bloße (auch konkludente) Rechtsbehauptung der Arbeitnehmerstellung genügt, um den Rechtsweg zu eröffnen. Es scheint allerdings so zu sein, dass die Klage mit großer Wahrscheinlichkeit als unbegründet abgewiesen werden wird. Liegt hingegen kein „Sic-Non-Fall“ vor, wird der Prozessgegenstand an die ordentlichen Gerichte verwiesen, wenn das Gericht davon ausgeht, dass die Arbeitnehmerstellung fehlt. Durch diese getrennte Betrachtung einzelner Ansprüche ist es Klägern verwehrt, aus prozesstaktischen Gründen weitere Streitgegenstände im Wege der Klagehäufig (§ 260 ZPO) mit dem „Sic-Non-Anspruch“ zu verbinden, um sich dadurch den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu eröffnen. Dies könnte für die Klägerseite nämlich von großem Interesse sein, da bei den Arbeitsgerichten entgegen der ordentlichen Gerichtsbarkeit keine Gerichtskostenvorschüsse zu zahlen sind und jede Partei seine Kosten erstinstanzlich gem. § 12 a ArbGG selbst trägt. Dieser „Manipulationsgefahr“ wird aber begegnet, wenn die Gerichte – wie hier – klar zwischen den einzelnen Streitgegenständen trennen und Ansprüche, die nicht unter die „Sic-Non-Grundsätze“ fallen und sich auch aus bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage ergeben könnten, konsequent abtrennen und an die ordentlichen Gerichte verweisen, wenn die Stellung als Arbeitnehmer insoweit nicht belegt ist. Damit wird einer Proesstaktiererei, auch eindeutig nicht nur arbeitsrechtliche Ansprüche vor das im Zweifel schnellere Arbeitsgericht zu „zerren“, die Grundlage entzogen. Sonderfall: Sog. „unechte Hilfsanträge“ dürfen prozessual durch eine Verfahrenstrennung und Verweisung nicht auseinandergerissen werden. Ein unechter Hilfsantrag ist ein solcher, der für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt wird. Beispiel: Hauptantrag ist eine Kündigungsschutzklage, der unechte Hilfsantrag ist der Verzugslohnanspruch. In diesem Fall „regiert“ bei der „Sic-Non-Frage“ der Hauptantrag und zieht den unechten Hilfsantrag mit. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2019 Nebengebiete 139 Arbeitsrecht Problem: Betriebliche Übung: Tariflohn für Externe Einordnung: Dynamische Verweisung im Arbeitsvertrag BAG, Urteil vom 19.09.2018 5 AZR 439/17 EINLEITUNG Ist ein Arbeitgeber nicht tarifgebunden, kann sich dies bei der Suche nach Mitarbeitern als Nachteil erweisen. Deshalb haben viele Arbeitgeber im Arbeitsvertrag geregelt, dass der jeweils aktuelle einschlägige Tarifvertrag angewendet wird (sog. dynamische Verweisung). Wird ein Arbeitnehmer durch Beförderungen irgendwann übertariflich bezahlt, stellt sich die Frage, was mit weiteren Tariflohnerhöhungen passiert. SACHVERHALT Der Kläger ist bei der beklagten Bank bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1989 beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis der Bankentarifvertrag Anwendung. Die Beklagte ergänzt das tarifliche Eingruppierungssystem „seit jeher“ als „Haustarif“ um eine weitere sog. übertarifliche Steigerungsstufe ab dem 11. Berufsjahr. Mit Schreiben vom 30.12.1996 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er in der für ihn geltenden Tarifgruppe 6 diese übertarifliche Stufe erreicht habe. Bei der „Überleitung“ der Arbeitsverhältnisse von einem Eigenbetrieb auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts im Jahr 2009 teilte der damalige Vorstandsvorsitzende per E-Mail mit, allen Mitarbeitern eine dynamische Bestandswahrung zu geben und künftige Änderungen des Bankentarifvertrags zur Anwendung zu bringen. Bis zum Jahr 2016 erhöhte die Beklagte die Gesamtgehälter der Beschäftigten, d. h. einschließlich der übertariflichen Stufe, stets entsprechend den Tariferhöhungen im Bankgewerbe. Erstmals bei der Tariferhöhung 2014 wies die Beklagte darauf hin, dass kein Anspruch auf eine Erhöhung des übertariflichen Teils des Gehalts bestehe. Zur Tariflohnerhöhung ab dem 01.10.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Lohnerhöhung „vollständig auf den übertariflichen Anteil der übertariflichen Gehälter anzurechnen“ sei. Mit seiner Klage macht der Kläger Tariflohnerhöhungen geltend. ArbG und LAG wiesen die Klage ab. LEITSATZ Beschränkt der Arbeitgeber Entgelterhöhungen nicht auf den Arbeitsverdienst, den er durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrags zu zahlen verpflichtet ist, sondern erhöht er zugleich den zusätzlich gewährten übertariflichen Entgeltbestandteil in gleicher Weise wie den tariflichen, kommt es für das Entstehen einer betrieblichen Übung in Bezug auf den übertariflichen Vergütungsanteil allein darauf an, wie die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mussten und durften. LÖSUNG Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Er hat Anspruch auf Erhöhung des übertariflichen Entgeltbestandteils entsprechend dem Bankentarifvertrag. Dieser ist durch den Arbeitsvertrag dynamisch in Bezug genommen. Der Anspruch auf Erhöhung des tatsächlich zustehenden Gehalts und nicht nur eines „tariflichen Anteils“ ergibt sich aus betrieblicher Übung. Unter betrieblicher Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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