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RA Digital - 03/2019

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116 Zivilrecht

116 Zivilrecht RA 03/2019 Auch im stationären Handel ist eine Zulassung des Fahrzeugs vor dem Vertragsschluss nicht möglich. Exakt hier wich das LG Heidelberg von der Auffassung des AG Wiesloch, 1 C 19/18 ab: Das LG sah in der Zulassung eine Handlung, die über die Prüfung der Beschaffenheit, der Funktionsweise und der Eigenschaften des Kfz bei weitem hinausgeht. Das AG hatte in der Probefahrt vor der Zulassung hingegen keine vergleichbare Prüfung i.S.d. § 357 VII BGB gesehen und moniert, dass die Zulassung eine Voraussetzung für die Übergabe sei. Die Zulassung des Fahrzeugs durch K hat hier zu einem Wertverlust des Fahrzeugs i.H.d. abgezogenen 837,- € geführt, weil die Anzahl der im Kfz- Brief eingetragenen Vorbesitzer ein entscheidender wertbildender Faktor ist. Gem. § 287 ZPO schätzt das Gericht nach richterlichem Ermessen den Wertverlust durch die Zulassung auf K auf 3 %. [36] Bei der Beurteilung, was im Einzelfall vom Tatbestandsmerkmal der Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und der Funktionsweise umfasst ist, ist vor dem Hintergrund des Regelungszwecks der Norm, die der Kompensation von Gefahren aufgrund der im Rahmen eines Fernabsatzvertrages i.d.R. fehlenden Möglichkeit der Inaugenscheinnahme der Ware vor Vertragsschluss dient, zunächst darauf abzustellen, wie ein Verbraucher beim Testen und Ausprobieren der gleichen Ware in einem Ladengeschäft im stationären Handel typischerweise hätte verfahren können. Der Verbraucher soll mit der Ware grds. so umgehen und sie so ausprobieren dürfen, wie er dies auch in einem Ladengeschäft hätte tun dürfen. Ihm muss es zumindest gestattet sein, dieselben Ergebnisse wie bei einer Prüfung im Ladengeschäft zu erzielen. [37] Im stationären Handel kann einem potentiellen Kunden eine Probefahrt mit sog. „Roten (Händler-) Kennzeichen“ gem. § 16 FZV oder auf einem nicht-öffentlichen Gelände ermöglicht werden. Eine Zulassung des Fahrzeugs mit anschließendem Gebrauch des Fahrzeugs wird einem Kaufinteressenten demgegenüber vor Vertragsschluss auch im stationären Handel nicht ermöglicht. Sie ist als solche weder erforderlich noch zielführend für eine Prüfung des Fahrzeugs im beschriebenen Umfang. Denn durch die bloße Zulassung kann der Verbraucher die Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise des Fahrzeugs gerade nicht prüfen. Die Zulassung eines Fahrzeugs ist daher nicht als Untersuchung oder Testen der Ware entsprechend einer Untersuchung oder einem Warentest eines örtlichen Händlers einzuordnen. [40] Durch die Zulassung des Fahrzeugs auf K, der damit in Teil I der Zulassungsbescheinigung als weiterer Halter geführt wird, ist auch ein Wertverlust i.S.d. § 357 VII BGB eingetreten. [41] Neben einem durch Substanzschäden oder Untergang der Ware eingetretenen Wertverlust umfasst § 357 VII BGB auch einen Wertverlust, der ohne Beeinträchtigung der Sachsubstanz aus einem negativen Werturteil des Marktes resultiert. Dies ist insbesondere bei der Ingebrauchnahme der Ware durch den Verbraucher der Fall, wenn der Markt hierauf mit Preisabschlägen reagiert. [42] Die Anzahl der Vorbesitzer eines Fahrzeugs stellt einen maßgeblichen wertbildenden Faktor dar. Dies gilt insbesondere für Neufahrzeuge, weshalb auch der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform 2002 bezüglich der erstmaligen Zulassung eines Kraftfahrzeugs von einem regelmäßigen Wertverlust i.H.v. 20 % ausging. Aber auch für Gebrauchtwagen gilt nichts anderes. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier das Datum der Erstzulassung im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung des Wertersatzanspruchs erst rund ein Jahr zurück liegt. Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem Umstand, dass ein Halter nur für kurze Zeit eingetragen ist, nichts anderes. Vielmehr führt dies bei potentiellen Kaufinteressenten und damit im Markt eher zu Skepsis und Zweifeln bzgl. der Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs und damit zu einem Wertverlust. [43] Die Höhe der geltend gemachten Wertminderung schätzt die Kammer gem. § 287 ZPO anhand des Kaufpreises auf den von B in Abzug gebrachten Betrag i.H.v. 837,- €. Die Kammer geht dabei davon aus, dass mit der erstmaligen Zulassung eines Kraftfahrzeugs ein regelmäßiger Wertverlust i.H.v. rund 20 % einhergeht, da das Fahrzeug in diesem Fall nicht mehr als Neuwagen gilt. Die zweite Zulassung konnte vor diesem Hintergrund nur zu einem deutlich geringeren Abzug führen. Zugleich hat die Kammer aber auch berücksichtigt, dass das Fahrzeug nur kurze Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2019 Zivilrecht 117 Zeit auf den K zugelassen war und das Datum der Erstzulassung erst rund ein Jahr zurück lag. Mit der Annahme eines Wertverlust i.H.v. 3 % des Kaufpreises sind diese Faktoren hinreichend berücksichtigt. [44] Gem. § 357 VII Nr. 2 BGB setzt der Anspruch auf Wertersatz zudem grds. voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat. Danach ist der Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 I BGB sowie das Muster- Widerrufsformular in der Anlage 2 zu belehren. [45] Allerdings setzt auch Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB dem Wortlaut nach ein Widerrufsrecht gem. § 312g BGB für den Kaufvertrag voraus, das nur für Außergeschäftsraumverträge und Fernabsatzverträge gilt. Da es sich hier um verbundene Geschäfte handelt und der Kaufvertrag gerade nicht widerrufen wurde, wird in einer solchen Konstellation teilweise angenommen, die Pflichten des Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB könnten nicht Voraussetzung für einen Wertersatzanspruch sein. [46] Insofern ist [allerdings weiter] umstritten, ob eine Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs bei verbundenen Verträgen, insbesondere über den Wertersatz, dann überhaupt nicht besteht, die Widerrufsbelehrung nur den Voraussetzungen des Art. 246 III EGBGB genügen muss oder eine Pflicht, den Darlehensnehmer auch über die Wertersatzpflicht zu unterrichten, Art. 247 § 12 I 2 Nr. 2b EGBGB zu entnehmen ist. [47] Unabhängig davon, aus welcher Norm die Anforderungen an die Widerrufsinformation herzuleiten sind bzw. welche Norm man im vorliegenden Fall überhaupt für anwendbar hält, [greift dies vorliegend] nicht durch. [48] Mit der dem Darlehensvertrag beigefügten Widerrufsbelehrung der V ist K unstreitig richtig und ausreichend informiert worden. K ist dabei auch zutreffend auf seine Wertersatzpflicht bei Rückgabe des Fahrzeuges hingewiesen worden. Ob über diese Rechtsfolge überhaupt informiert werden muss, kann daher im vorliegenden Fall offen bleiben.“ In Rspr. und Literatur ist es umstritten, ob bei verbundenen Verträgen die Widerrufsbelehrung den Anforderung des Art. 246 III EGBG oder des Art. 247 § 12 I 2 Nr. 2b EBGB genügen muss. Dies musste vorliegend nicht entschieden werden, da sogar die strengeren Anforderungen des Art. 247 § 12 I 2 Nr. 2b EBGB, bei dem über die Wertersatzpflicht informiert werden muss, erfüllt wurden. B steht damit gegen K gem. §§ 358 II, IV 1 BGB i.V.m. § 357 VII BGB analog ein Wertersatzanspruch i.H.v. 837,- € zu. Somit bestehen zwei gegenseitige Forderungen. K und B sind jeweils Gläubiger und Schuldner des anderen. Zudem ist sowohl die Forderung des K gegen B als auch die Forderung der B gegen K auf Geldzahlung gerichtet. Somit sind die Forderungen auch gleichartig. Schließlich ist die Gegenforderung auch durchsetzbar und die Hauptforderung erfüllbar. Eine Aufrechnungslage i.S.d. § 387 BGB liegt vor. Mithin ist der Restanspruch des K gegen B gem. § 389 BGB erloschen. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung i.H.v. 5.700 € gem. §§ 358 II, IV 1, 355 III 1 BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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