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RA Digital - 03/2020

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130 Referendarteil:

130 Referendarteil: Zivilrecht RA 03/2020 Keine Trennung zwischen Rechtsansicht und Tatsachenbehauptung in der Originalentscheidung. Vermeiden Sie diesen Fehler. Der streitige Klägervortrag wird im Präsens und indirekter Rede dargestellt. Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.04.2009 - 24 W 21/09 Herleitung der Vollstreckungsabwehrklage als statthafter Rechtsbehelf Keine Erinnerung gem. § 766 ZPO, da der Titel gem. § 888 ZPO zwar auch eine Maßnahme der ZV ist, hier aber nicht die Art und Weise der ZV betroffen ist, sondern sich K gegen den dem Titel zugrunde liegenden Anspruch selbst wehrt. a.A. Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 767 Rn 16! K behauptet, er habe den Eindruck, B sehe tatsächlich nur zwei bis drei Akten pro Termin ein und lasse sich danach zahlreiche Akten erneut vorlegen. Nach wie vor sei er – K – bereit, dem B mehrere Akten gleichzeitig herauszulegen und bei Bedarf auch wiederholte Einsicht zu ermöglichen. Er strebe einen Modus der Akteneinsicht an, der für beide Seiten pragmatisch und praktikabel sei. K vertritt die Rechtsansicht, die Androhung sei rechtswidrig, da dem B anstandslos Akteneinsicht gewährt werde. Er habe nicht gegen seine Pflichten verstoßen, weil sich aus dem Zwangsmittelbeschluss weder ein Recht des B auf mehrfache Einsicht in dieselbe Akte noch eine Pflicht des K zur gleichzeitigen Vorlage mehrerer Akten ergebe. K beantragt, die Zwangsvollstreckung des B aus dem Beschluss des (…)Gerichts vom (…) Az.: (…) für unzulässig zu erklären. B beantragt, die Klage abzuweisen. B behauptet, sich mit der Ankündigung gebotener Schritte allein dagegen verwahrt zu haben, dass K in schikanöser Absicht nur noch eine Akte pro Besuch habe vorlegen wollen. B ist weiter der Ansicht, bei dem Beschluss vom (…) handele es sich um eine rechtskräftige Daueranordnung, die erst ende, wenn die Akteneinsicht abgeschlossen sei. Sie sei mit Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen vergleichbar und daher stets als Vollstreckungstitel geeignet. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. Die gegen den Beschluss vom (…) erhobene Vollstreckungsabwehrklage ist statthaft. Der Zwangsgeldbeschluss gemäß § 888 I 1 ZPO ist selbst ein Vollstreckungstitel gemäß §§ 794 I Nr. 3, 888 I, 891 S. 1, 567 I ZPO, auf den § 767 I ZPO gemäß § 795 S. 1 ZPO entsprechende Anwendung findet. Zudem erhebt K Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst und nicht bezüglich der Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Jura Intensiv Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis besteht ebenfalls. Ein Vollstreckungstitel liegt vor. Unerheblich ist, dass die Zwangsvollstreckung weder begonnen hat noch droht. [18] Zwar ist anerkannt, dass dem Schuldner das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Gläubiger unstreitig keine Vollstreckung mehr beabsichtigt (Lackmann in Musielak/Voit, ZPO 16. Aufl. § 767 Rn. 18; Spohnheim aaO Rn. 49; Zöller/Herget, ZPO 32. Aufl. § 767 Rn. 8). So liegt der Fall hier aber nicht. Vielmehr hat der Beklagte durch seinen Vortrag, bei einer erneuten Störung der Akteneinsicht am Ende eines mehrstufigen Verfahrens wieder die Vollstreckung des Zwangsgelds ins Auge zu fassen, zum Ausdruck gebracht, den Titel - unter bestimmter Voraussetzungen - weiterhin gegen den Kläger verwenden zu wollen. Mehr bedarf es zur Annahme des Rechtsschutzbedürfnisses nicht. Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet. K erhebt gemäß § 766 I ZPO Einwendungen, die den „durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst“ betreffen und gemäß § 767 II, III ZPO nicht präkludiert sind. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2020 Referendarteil: Zivilrecht 131 Die Vollstreckungsabwehrklage hat danach Erfolg, wenn K eine - nach § 767 II, III ZPO zulässige - Einwendung erhebt, die dem Zwangsmittelbeschluss die Grundlage entzieht. Maßgeblich zu beachten ist hier, dass der Streitgegenstand der Anspruch des B auf die Zwangsmittelfestsetzung ist. K greift mit seiner Einwendung durch, der titulierten Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht fortlaufend nachgekommen zu sein. [22] Die Vollstreckung nach § 888 ZPO setzt voraus, dass der Schuldner seiner - auf Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gerichteten - Verpflichtung nicht nachkommt. Dies folgt mittelbar aus § 887 ZPO. Danach hängt die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung davon ab, dass der Schuldner seine titulierte Verpflichtung nicht erfüllt. Für § 888 ZPO, dessen Wortlaut an den des § 887 ZPO anknüpft, gilt dies in gleicher Weise (BGH, Urteil vom 06.06.2013 - I ZB 56/12, WM 2013, 1611 Rn. 16). [23] Dabei ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende Verpflichtung zur Gewährung von Einsicht in zahlreiche Akten der ehedem gemeinschaftlichen Patentanwaltssozietät nicht im Rahmen eines einmaligen Vorgangs zu erfüllen ist, sondern aufgrund des Umfangs der betroffenen Unterlagen einer Dauerverpflichtung ähnelt. Kommt der Schuldner einer solchen fortlaufend nach, ist ein Antrag des Gläubigers nach § 888 ZPO unbegründet, obgleich die titulierte Handlungspflicht fortbesteht und der Kläger damit nicht Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB einwenden kann (vgl. OLG Köln, MDR 2016, 1229 [juris Rn. 3]). [25] Unstreitig hat der Kläger dem Beklagten seit dem Senatsbeschluss vom (…) über mehrere Termine hinweg in seiner neuen Kanzlei fortlaufend Akteneinsicht gewährt. Zwar hatte er zwischenzeitlich angekündigt, die Anzahl der vorzulegenden Akten zu reduzieren und die Fortführung der Einsichtsgewährung von der Zahlung offener Kopierkosten abhängig zu machen. Letztendlich ist es aber unstreitig weder zu einer mengenmäßigen Einschränkung noch zu einer Beendigung der Akteneinsicht gekommen. Auch wenn einiges dafür spricht, dass dies auf den Druck der Androhung der „gebotenen rechtlichen Schritte“ durch den Beklagten hin erfolgte, brachte der Kläger damit zum Ausdruck, seiner titulierten Verpflichtung auch ohne Einleitung vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen Folge zu leisten. Jura Intensiv [26] Eine abweichende Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht der Berufung nicht aus dem Senatsbeschluss (…). Dieser beruhte, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, u.a. auf der Erwägung, die sich aus der nachhaltigen Weigerungshaltung des Klägers ergebende Wiederholungsgefahr allein rechtfertige die Verhängung des beantragten Zwangsgelds. Diese Haltung hat der Kläger in der Folge indes aufgegeben, wie die nachfolgende Gewährung von Akteneinsicht über einen Zeitraum von inzwischen 1 ½ Jahren zeigt. (…) Der bloße Austausch widersprechender Ansichten rechtfertigt die Fortdauer der im Beschluss vom 13.04.2017 genannten Wiederholungsgefahr für sich genommen nicht. (…) [27] Insbesondere hat das Zwangsgeld, worauf die Berufungserwiderung zutreffend hinweist, keinen Sanktionscharakter, sondern dient allein der Einwirkung auf den Willen des Verpflichteten (BGH, Beschluss vom 21.06.2017 - XII ZB 42/17, FamRZ 2017, 1700 Rn. 8). Hatte bereits dessen Verhängung - wie hier - im Hinblick auf die durchzusetzende Handlungspflicht nachhaltigen Erfolg, kann es nicht allein im Hinblick auf die vorangegangene oder anderweitige Weigerungshaltung des Schuldners aufrechterhalten werden. Der Beschluss ist rechtswidrig, da der Schuldner die Akteneinsicht stets gewährt hat und dies auch weiterhin tut. Damit erfüllt er den titulierten Hauptanspruch des Gläubigers, was wiederum dazu führt, dass die Voraussetzungen des § 888 ZPO nicht gegeben sind. Dies folgt gleichfalls aus § 888 ZPO, da der unwillige Schuldner, gegen den ein Titel vorliegt, die Existenzberechtigung des Zwangsvollstreckungsrechtes darstellt. Wichtig: Der Schuldner (Kläger) wurde zu einer Dauerverpflichtung (Akteneinsicht) verurteilt. Die Pflicht besteht fort. Der Anspruch des Gläubigers (Beklagter) ist daher nicht erfüllt. Dennoch – trotz fehlender Erfüllung – hat der Beklagte keinen Anspruch auf Erwirkung des Beugemittels (Zwangsgeld), da der Kläger der Dauerverpflichtung nachkommt. Unerheblich ist folglich, weshalb der Kläger dem Anspruch nachkommt. Es reicht, dass es passiert, sodass für ein Beugemittel kein Raum bleibt. Letzte Problematik: Ein Beugemittelbeschluss kann nicht mehrfach verwendet werden. Er ist kein Titel auf wiederkehrende Leistung und es ist unerheblich, ob die Hauptverpflichtung des Schuldners eine solche ist. Das Zwangsgeld ist kein Sanktionsmittel. Der Schuldner wird nicht dafür bestraft, die nicht vertretbare Handlung nicht vorgenommen zu haben. Das Zwangsgeld soll auf den Willen des Schuldners, der Verpflichtung nachzukommen, hinwirken. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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