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RA Digital - 03/2021

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138 Nebengebiete

138 Nebengebiete RA 03/2021 Das Vorgehen des BGH, der in der vorliegenden Entscheidung bei der Haftung des Kommanditisten stets noch § 128 HGB mitzitiert, ist in der Klausur nicht zu empfehlen. Es droht, dass dies als Fehler gewertet werden könnte, weil § 128 HGB die akzessorische Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters regelt. Natürlich kann man die Auffassung vertreten, dass die Haftung (jedes) Gesellschafters einer KG gem. § 161 II HGB in § 128 HGB geregelt ist und die §§ 177 ff. HGB hierzu „nur“ spezielle Grenzen für die Haftung des Kommanditisten regeln. Dennoch sollte dieser Weg in der Klausur nicht beschritten werden. Zumindest im 2. Examen könnte man – erleichtert z.B. durch die Mitteilung in diese Richtung gehender Rechtsauffassungen in einem anwaltlichen Schriftsatz – diesen Transfer von der Nachhaftungsbegrenzung zur Lage in der Insolvenz verlangen. Versuchen Sie deshalb, diesen Gedanken nachzuvollziehen. erforderliche Betrag bereits durch Zahlungen anderer Kommanditisten aufgebracht wurde (...). bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch eine Haftung des Beklagten nach §§ 171, 172 IV, § 161 II, § 128 HGB für die Gewerbesteuerforderung für das Jahr 2014 verneint. (...) (1) Die Gewerbesteuerforderung ist eine Verbindlichkeit der Schuldnerin. Bei der Gewerbesteuer handelt es sich – anders als bei der gemäß § 43 I Satz 1 EStG durch Abzug auf Kapitalerträge des Gesellschafters erhobenen Kapitalertragsteuer (...) – nicht um eine Steuerschuld der Gesellschafter, sondern der Gesellschaft. (wird ausgeführt) (2) Der Beklagte haftet als Kommanditist im Rahmen der § 171 I Halbsatz 1, § 172 IV, § 161 II, § 128 HGB grundsätzlich persönlich unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. In der Insolvenz der Gesellschaft ist der Umfang dieser Haftung jedoch aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen zu beschränken. Insoweit ist eine teleologische Reduktion der Haftung aus § 128 HGB geboten. (a) Im Regelinsolvenzverfahren verliert der Gesellschafter mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Einfluss auf die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu nehmen, an einen Gesellschaftsfremden. Dessen Verwaltung hat zudem vorrangig im Interesse der Gesellschaftsgläubiger und nicht der Gesellschafter zu erfolgen. Die Stellung des Gesellschafters weist nach der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens insoweit eine gewisse Ähnlichkeit mit derjenigen eines aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters auf, der ebenfalls keinen weiteren Einfluss auf die Gesellschaft nehmen und nicht von den Gegenleistungen oder sonstigen Erträgen profitieren kann. Für den ausgeschiedenen Gesellschafter hat der Gesetzgeber mit § 160 HGB aus diesem Grund eine gesetzliche Haftungsbeschränkung auf Altverbindlichkeiten, zudem noch mit zeitlicher Beschränkung auf fünf Jahre, eingeführt (...). Die insoweit vergleichbare Situation des Gesellschafters bei Insolvenz der Gesellschaft spricht dafür, den Umfang seiner Haftung ebenfalls durch eine teleologische Reduktion des § 128 HGB zu beschränken (...). Andernfalls würde man den Gesellschafter unbeschränkt, d.h. möglicherweise auch bei einer jahrelangen Firmenfortführung, für sämtliche durch den Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten haften lassen, auf deren Entstehung er keinen Einfluss mehr nehmen konnte und die nicht in seinem, sondern im Gläubigerinteresse eingegangen wurden. (b) Diese Erwägungen gelten auch für Kommanditisten. Die Außenhaftung des Kommanditisten ist nicht nur ein Hilfsmittel zur Durchsetzung der gesellschaftsvertraglich geschuldeten Pflichteinlage, sondern dient ebenso wie die persönliche Haftung eines Gesellschafters nach § 128 HGB der Sicherung der Interessen der Gesellschaftsgläubiger. Mit der Außenhaftung des Kommanditisten wird sichergestellt, dass dem Gläubiger der Gesellschaft, wenn der entsprechende Betrag nicht durch die geleistete Einlage gedeckt ist, in Höhe der Haftsumme ein Schuldner in Person des Kommanditisten zur Verfügung steht. In der Insolvenz soll die dem Insolvenzverwalter nach § 171 II HGB und § 93 InsO übertragene Befugnis gerade auch eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger für ihre Forderungen durch treuhänderische Einziehung der Außenhaftung gewährleisten (...). Dass der Kommanditist anders als der persönlich haftende Gesellschafter gesetzlich von der Geschäftsführung und Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2021 Nebengebiete 139 Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist (§§ 164, 170 HGB), d.h. insoweit bereits vor der Insolvenz keinen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft nehmen kann, gibt (...) keinen Anlass zu einer Unterscheidung, da dies auch für die Haftungsbeschränkung des § 160 HGB nicht maßgeblich ist. Außerdem stehen auch einem Kommanditisten in gewissem Umfang gesellschaftsrechtliche Mitbestimmungsrechte zu, die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallen. Zudem ist auch bei ihm zu berücksichtigen, dass nicht mehr der persönlich haftende Gesellschafter, dem er vertraglich eine Verpflichtungsbefugnis (im Rahmen seiner Haftung nach §§ 171, 172 HGB) eingeräumt hat, zur Verwaltung des Gesellschaftsvermögens befugt ist, sondern ein gesellschaftsfremder Dritter. (…) Dass die Haftung des Kommanditisten von vorneherein auf die Höhe der Haftsumme beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, ihn im Fall der Insolvenz der Gesellschaft einer weitergehenden Haftung zu unterwerfen als den nach § 128 HGB grundsätzlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter, zumal ihm auch im Fall des Ausscheidens über § 161 II HGB die Haftungsbeschränkung des § 160 HGB zugutekommt. (c) Diese Einschränkung der persönlichen Haftung nach § 128 HGB ist (...) nicht danach vorzunehmen, wie die betreffende Gläubigerforderung insolvenzrechtlich einzuordnen ist. (...) Jedenfalls haften die Gesellschafter für Verbindlichkeiten unabhängig von ihrer insolvenzrechtlichen Einordnung, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Da die Beschränkung der persönlichen Gesellschafterhaftung in der Regelinsolvenz der Gesellschaft auch auf der einem ausgeschiedenen Gesellschafter ähnlichen Interessenlage beruht, muss die persönliche Haftung auch in der Insolvenz jedenfalls die Verbindlichkeiten umfassen, für die auch ein ausgeschiedener Gesellschafter nach § 160 HGB noch haften müsste. (3) Danach ist hier die Gewerbesteuerforderung für das Jahr 2014 (...) noch von der persönlichen Haftung des Beklagten nach §§ 171, 172, § 161 II, § 128 HGB umfasst, da der Beklagte hierfür auch als ausgeschiedener Gesellschafter nach § 160 HGB persönlich haften müsste. (wird ausgeführt) Jura Intensiv (c) Eine „bis dahin begründete Verbindlichkeit“ im Sinne von § 160 I HGB liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn die Rechtsgrundlage der Verpflichtung bis zum Ausscheiden des Gesellschafters gelegt worden ist, auch wenn die daraus resultierenden einzelnen Verpflichtungen erst später entstehen und fällig werden (...). Bei einem gesetzlichen Schuldverhältnis kommt es für die Abgrenzung von Alt- und Neuverbindlichkeiten darauf an, ob der das Schuldverhältnis begründende Tatbestand bereits vor dem Ausscheiden des Gesellschafters erfüllt war (...). So liegt etwa bei einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB grundsätzlich eine Altverbindlichkeit vor, wenn der vermeintliche Rechtsgrund, auf den geleistet wurde, bereits beim Ausscheiden bestand; der Zeitpunkt der Leistungshandlung des Gläubigers dagegen ist ohne Bedeutung (...). Für die hier zu beurteilende Steuerforderung folgt daraus, dass gesellschaftsrechtlich für den Zeitpunkt der „Begründung“ der Verbindlichkeit nicht auf die vollständige Verwirklichung des steuerauslösenden gesetzlichen Besteuerungstatbestands abzustellen ist, sondern darauf, ob der Grund der Besteuerung zu einem Zeitpunkt gelegt wurde, zu dem der Gesellschafter noch Einfluss nehmen konnte und die Führung der Gesellschaft auch zu seinem Nutzen erfolgte. Nochmals zum oben bereits angesprochenen Problem der Paragrafen- Zitierung: Hier unterscheidet der BGH nunmehr selbst sehr deutlich zwischen der unbeschränkten Haftung des Komplementärs und der auf die Haftsumme beschränkten Haftung des Kommanditisten. Auf den Punkt gebracht: Wenn die Haftungsgrenzen des § 160 HGB schon für den stärker haftenden Komplementär gelten, müsse diese erst recht für den schwächer haftenden Kommanditisten gelten. Auch den folgenden Gedanken sollte man zumindest für das 2. Examen parat haben: Wenn ein ausgeschiedener Gesellschafter noch für die Verbindlichkeit gem. § 160 HGB hätte haften müssen, dann gilt dies auch für den Gesellschafter in der Regelinsolvenz. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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