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RA Digital - 03/2021

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116 Zivilrecht

116 Zivilrecht RA 03/2021 Die Parteien dürfen sich auch nachträglich über den Leistungsort einigen, Palandt/Grüneberg, BGB, § 269 Rn 16. Das LG Saarbrücken erklärt, worin es eine solche Einigung sieht. Kritisch: Lorenz, NJW 2014, 2319; Schwab, JuS 2015, 361; Hellwege AcP 206 (2006), S. 136 ff. Grundlegend: BGH, RA 2014, 353, VIII ZR 275/13 Schutz des Verkäufers über §§ 439 IV, 475 IV BGB ausgebliebenen Vorschussleistung des Verkäufers nicht umgesetzt wird (…). [12] Die Frage kann indes letztlich offenbleiben. Denn auch wenn die Nacherfüllung am Belegenheitsort hätte erbracht werden müssen, bleibt es den Parteien überlassen, sich auch noch nachträglich auf einen abweichenden Leistungsort zu einigen (…). So läge es hier. Indem der Kläger das Angebot des Beklagten, das Fahrzeug vor Ort zu untersuchen und zu reparieren, angenommen hat, haben sich die Parteien auf den Sitz des Beklagten geeinigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte von vorneherein die Übernahme der Transportkosten abgelehnt hatte. Denn weil der Beklagte schon nach seinem eigenen Vortrag nicht bereit gewesen war, das Fahrzeug am Belegenheitsort zu reparieren oder von dort abzuholen, bestand für den Kläger nur die Möglichkeit, die Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 440, 280 BGB nach Nachfristsetzung zu verweigern und die Kosten einer Reparatur vor Ort im Wege des Schadensersatzes geltend zu machen, oder sich – wie geschehen – auf die Nacherfüllung am Ort des Verkäufers einzulassen und die Frage der Transportkostentragung streitig zu belassen. Also lag der Leistungsort beim Verkäufer in Deutschland. 2. § 439 II BGB als verschuldensunabhängiger Anspruch Gegen den Charakter des § 439 II BGB als eigenständige, verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage ist vorgetragen worden, dass sein Sinn und Zweck in der Kostenzuweisung innerhalb des Nacherfüllungsanspruchs besteht und dass eine verschuldensunabhängige Haftung das System des § 437 Nr. 3 BGB missachtet. Für eine Anwendung des § 439 II BGB als Anspruchsgrundlage in den Fällen eines Verbrauchsgüterkaufs spricht entscheidend neben der richtlinienkonformen Auslegung des Nacherfüllungsanspruchs (s.o.), dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 439 II BGB den § 476 BGB a.F. ersetzen sollte. Somit liegen die Voraussetzungen des § 439 II BGB vor. [13] War der Kläger daher berechtigt, das Fahrzeug zur Nacherfüllung zum Sitz des Verkäufers zu verbringen, war jener nach § 439 Abs. 2 BGB zur Übernahme der Transportkosten verpflichtet. Soweit der Beklagte meint, eine solche Kostentragungspflicht sei ihm nicht zumutbar, weil sie darauf hinauslaufe, dass er selbst die Transportkosten von entlegensten Orten auf der Welt zu ersetzen habe, verkennt er, dass der Verkäufer vor unzumutbarem Nacherfüllungsaufwand geschützt ist, indem er die Nacherfüllung bei unverhältnismäßig hohen Kosten verweigern kann (§ 439 Abs. 4 BGB). Dies gilt eingeschränkt auch für den Verbrauchsgüterkauf, wobei der Verkäufer hier die Nacherfüllung nicht vollständig verweigern, aber den Ersatz von unverhältnismäßig hohen Aufwendungen auf einen angemessenen Betrag beschränken kann (§ 475 Abs. 4 BGB). Jura Intensiv C. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung der Transportkosten aus § 439 II BGB in Höhe von Rückzahlung der 2.354,31 €. FAZIT Nach Gutachter- und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gewährt § 439 II nach Ansicht des LG Saarbrücken nun auch Transportkosten. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2021 Zivilrecht 117 Problem: Ausschluss des § 7 I StVG durch § 8 Nr. 2 StVG Einordnung: Deliktsrecht, Straßenverkehrsrecht BGH, Urteil vom 12.01.2021 VI ZR 662/20 (leicht abgewandelt) EINLEITUNG Über den vorliegenden Fall hatten wir bereits in der RA 2020, 294 (Urteil des LG Saarbrücken vom 03.04.2020, 13 S 169/19) berichtet. Nunmehr hat der BGH das Urteil bestätigt und um weitere Ausführungen zur vertraglichen Haftung ergänzt. Es lohnt sich, den Fall erneut aufzugreifen, weil die Entscheidung des BGH zwar im Ergebnis kaum kritisiert werden kann, das Ergebnis aber das Gerechtigkeitsgefühl verletzt. Solche Fälle eignen sich ausgezeichnet als Vorlage für Examensklausuren. SACHVERHALT Am 02.08.2018 ereignete sich auf dem öffentlich zugänglichen Parkplatz einer Arztpraxis ein Verkehrsunfall. Zu dem Unfall kam es, als K das Fahrzeug des B, das behindertengerecht umgebaut ist und bei dem Gas- und Bremsfunktion im Handbetrieb erfolgen, rückwärts aus einer abschüssigen Parklücke ausparken wollte, um B, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, das Einsteigen in sein Fahrzeug zu ermöglichen. Dabei verlor K die Kontrolle über das Fahrzeug und beschädigte unter anderem sein eigenes, ebenfalls auf dem Parkplatz abgestelltes Fahrzeug. K schildert den Unfallverlauf wie folgt: K habe B gebeten, ihm die Bedienung des umgebauten Fahrzeugs zu erklären, was dieser fehlerhaft durchgeführt habe. Nachdem er auf dessen Anweisung den Handbremsknopf gelöst habe, sei das Fahrzeug sofort rückwärts losgefahren. All dies bestreitet B. Das Unfallgeschehen lässt sich nicht aufklären. Den an seinem Fahrzeug entstandenen Gesamtschaden verlangt K von B dennoch ersetzt. Zu Recht? LÖSUNG Jura Intensiv A. Anspruch des K gegen B aus §§ 662, 670 BGB K könnte gegen B einen Anspruch aus §§ 662, 670 BGB auf Aufwendungsersatz haben. Dies setzt zum einen voraus, dass zwischen K und B ein Auftragsvertrag geschlossen wurde. Zum anderen müsste § 670 BGB auch Anwendung auf Schäden finden. [13] Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der geltend gemachte Anspruch auch nach § 670 BGB begründet sei, weil mit der Annahme des Angebotes des Klägers durch den Beklagten zu 2, das Fahrzeug des Beklagten „freizufahren“, zwischen diesen wenn nicht ein Auftrags-, so jedenfalls ein Gefälligkeitsverhältnis zustande gekommen sei. Zwar ist der Ansatz der Revision insoweit richtig, als nach allgemeiner Meinung der dem Beauftragten nach § 670 BGB gegen den Auftraggeber zustehende Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen bei einer mit Gefahren verbundenen Geschäftsbesorgung auch bei Ausführung des Auftrages erlittene Schäden des Beauftragten umfassen kann (…). Beim Rangieren des Pkw des Beklagten zu 2 aus der Parklücke handelte es sich jedoch LEITSATZ Zur Reichweite des Ausschlusses der Haftung des Halters eines Kraftfahrzeuges nach § 7 Abs. 1 StVG, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig war (hier: Beschädigung des eigenen Pkw des Fahrzeugführers). Im Originalfall verklagte K nicht nur B, sondern auch dessen Versicherung gesamtschuldnerisch. Aus Platzgründen erörtern wir nicht die Haftung der Versicherung des B aus § 115 I 1 Nr. 1 VVG und sparen Ausführungen zur Gesamtschuld aus. Der BGH hat diesen Anspruch in seiner Revisionsentscheidung hinter den Ansprüchen aus § 7 I StVG und § 823 I BGB geprüft. Wir halten die Reihenfolge ein, die das Prüfungsamt von Ihnen erwartet und stellen vertragliche Ansprüche voran. Nicht nur bei einer GoA, sondern auch beim Auftragsvertrag erfasst § 670 BGB risikotypische Schäden. Hier liegt jedoch eine Alltagsgefälligkeit vor, weshalb kein Vertrag zustande gekommen ist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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