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RA Digital - 04/2016

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174 Zivilrecht

174 Zivilrecht RA 04/2016 Problem: Rechtsmangel gem. § 435 BGB im Falle einer als öffentlichen Straße gewidmeten Grundstücksfläche Einordnung: Kaufrecht OLG Hamm, Urteil vom 14.01.2016 22 U 136/11 LEITSÄTZE 1. Der mit einem Rechtsmangel begründete Rücktritt des Käufers von einem Kaufvertrag ist unwirksam, wenn der zu Grunde liegende Gewährleistungsanspruch verjährt ist und sich der Verkäufer auf die Einrede der Verjährung beruft. 2. Ein Grundstückskaufvertrag weist einen Rechtsmangel auf, wenn ein als öffentliche Straße gewidmetes Grundstück im Eigentum einer Stadt durch die Stadt als Privatgrundstück verkauft wird. EINLEITUNG Die vorliegende Entscheidung beschäftigt sich eingehend mit der Rechtsmängelhaftung beim Grundstückskauf und Rückabwicklung des Kaufvertrags nach erklärtem Rücktritt. Zwar betrifft das Urteil einen konkreten Einzelfall, doch geht die Bedeutung für Rechtspraxis und Examen aufgrund der inhaltlich sehr präzisen Begründungen deutlich darüber hinaus. SACHVERHALT (LEICHT ABGEWANDELT) Mit notariellem Kaufvertrag vom 10.01.2009 verkauft die Stadt XY, die Beklagte (B), ein insgesamt 19.826 m² großes Privatgrundstück an die H2 GmbH. Als Kaufpreis wurde ein Betrag i.H.v. 205.000,- € vereinbart. In § 2 des Vertrags heißt es: „Die Gewährleistung für Sach-, nicht aber Rechtsmängel wird ausgeschlossen.“ Die Übergabe des Kaufobjektes erfolgt zum 01.02.2009. Teil des Geländes ist eine über das gesamte Grundstück verlaufende und als „T-Straße“ bezeichnete Wegfläche. Im März 2011 macht der Kommunalbeamte S die H2 GmbH darauf aufmerksam, dass es sich dabei um eine öffentliche Straße handelt. Daraufhin wendet sich die H2 GmbH am 03.05.2011 an B und teilt ihr mit, dass es sich bei einem Großteil des verkauften Grundstücks offensichtlich um öffentliches Straßenland handele, was eine Rückabwicklung des Kaufvertrages rechtfertige. Mit Schreiben vom 18.05.2011 erklärt sie B den Rücktritt und verlangt Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises. Gleichzeitig setzt sie B bis zum 03.06.2011 eine Frist zur Entwidmung der betroffenen Flächen als öffentliches Straßenland. Dieser Aufforderung kommt B nicht nach. Vorsorglich erklärt die H2 GmbH am 03.11.2014 erneut den Rücktritt. B beruft sich auf Verjährung. Zu Recht? Jura Intensiv Hinweis: § 7 IV 1 StrWG NW: Die Absicht der Einziehung ist [...] mindestens drei Monate vorher ortsüblich bekannt zu machen. § 11 I StrWG NW: Der Träger der Straßenbaulast soll das Eigentum an den der Straße dienenden Grundstücken erwerben. § 42 I StrWG NW: Der Träger der Straßenbaulast hat im Rahmen eines festgestellten Plans oder einer erteilten Plangenehmigung das Recht der Enteignung. Inhaltsverzeichnis

RA 04/2016 Zivilrecht 175 PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch H2 GmbH gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 205.000 € gem. §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB I. Rücktrittserklärung, § 349 BGB II. Rücktrittsrecht 1. Kaufvertrag 2. Mangel bei Gefahrübergang III. Fristsetzung IV. Erheblichkeit des Mangels, § 323 V 2 BGB V. Zwischenergebnis VI. Unwirksamkeit des Rücktritts gem. §§ 218 I 1, 438 IV 1 BGB VII. Ergebnis B. Anspruch H2 GmbH gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 205.000 € gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB LÖSUNG A. Anspruch H2 GmbH gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 205.000 € gem. §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB Die H2 GmbH könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises i.H.v. 205.000 € aus §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB haben. I. Rücktrittserklärung, § 349 BGB Mit Schreiben vom 18.05.2011 - und vorsorglich nochmals am 03.11.2014 - hat die H2 GmbH dem B den Rücktritt erklärt. Eine Rücktritterklärung gem. § 349 BGB liegt damit vor. II. Rücktrittsgrund Weiterhin müsste K ein Rücktrittsgrund zustehen. Als solcher kommt vorliegend §§ 437 Nr. 2, 323 BGB in Betracht. 1. Kaufvertrag Die H2 GmbH und B haben am 10.01.2009 einen notariellen Kaufvertrag gem. §§ 433, 311b I 1 BGB über ein 19.826 m² großes Grundstück zu einem Kaufpreis von 205.000 € geschlossen. Jura Intensiv 2. Mangel bei Gefahrübergang Gem. § 2 des Kaufertrags wurden die Gewährleistungsrechte hinsichtlich der Sachmängel i.S.d. § 434 BGB wirksam ausgeschlossen. Zu prüfen ist daher, ob das Grundstück bei Gefahrübergang mit einem Rechtsmangel gem. §§ 435 BGB behaftet gewesen ist. Rücktritt wurde am 18.05.2011 und vorsorglich am 03.11.2014 gegenüber der Beklagten erklärt Gewährleistungsausschluss gem. § 2 des Vertrags bezieht sich nur auf die Sachmängel gem. § 434 BGB a) Gefahrübergang, § 446 BGB Der Gefahrübergang richtet sich vorliegend nach § 446 BGB. b) Mangel gem. § 435 BGB Das verkaufte Grundstück ist nicht frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Inhaltsverzeichnis

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