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RA Digital - 04/2016

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Die monatliche Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

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204 Öffentliches Recht RA 04/2016 Befristung ändert an Verletzung der Grundzüge der Planung nichts. Verletzung der Grundzüge der Planung stellt absolute Grenze für Befreiung dar. Nochmals Differenzierung zwischen den Befugnissen der Baugenehmigungsbehörde und denjenigen des Plangebers. Vgl. dazu VGH München, Beschluss vom 5.3.2015, 1 ZB 14.2373; Scheidler, NVwZ 2015, 1406, 1409 [78] Diese Verletzung der Grundzüge der Planung wird schließlich nicht dadurch unbeachtlich, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung nur eine dreijährige Nutzungszeit für die geplante Einrichtung legalisiert. Allein aus der (gegenwärtigen) Befristung einer Genehmigung kann nicht gefolgert werden, dass Grundzüge der Planung durch diese nicht berührt. Für die vorliegend festgestellte Verletzung der Grundzüge der Planung gilt nichts anderes. […] [79] Ist die Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB mit dem öffentlichen Belang, dass die Grundzüge der Planung nicht verletzt werden dürfen, nicht vereinbar, ist sie ausgeschlossen. Andere, gegebenenfalls für die Befreiung sprechende Belange sind insoweit nicht geeignet, die Verletzung der Grundzüge der Planung im Wege einer Gesamtabwägung zu kompensieren. Auch dies ist Ausdruck der zu unterscheidenden Befugnisse der Baugenehmigungsbehörde einerseits (zur Einzelfallregelung in Umsetzung des Bebauungsplans) und des Plangebers andererseits (zur umfassenden Gestaltung der städtebaulichen Entwicklung). […]“ Die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gem. § 246 XII 1 Nr. 1 BauGB liegen demnach nicht vor. 2. § 31 II BauGB Unabhängig von der Frage, ob es sich bei § 246 XII BauGB um eine gegenüber § 31 II BauGB abschließende Spezialvorschrift handelt, sodass die letztgenannte Norm gar nicht anwendbar ist, sind jedenfalls die engeren Anforderungen des § 31 II BauGB nicht erfüllt. 3. § 246 XIV BauGB Eine Anwendung der Abweichungsbestimmung des § 246 XIV BauGB scheitert bereits daran, dass sich die Baugenehmigung nicht auf diese Bestimmung stützt und somit die tatsächlichen Feststellungen fehlen, um vom Vorliegen des § 246 XIV BauGB ausgehen zu können. Jura Intensiv Somit verstößt die Baugenehmigung gegen den drittschützenden § 3 BauNVO, verletzt die E also in einem subjektiv-öffentlichen Recht, sodass ihr Hauptsacherechtsbehelf erfolgreich sein wird. Damit überwiegt ihr Suspensivinteresse das öffentliche Vollzugsinteresse, sodass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80a III 2 i.V.m. § 80 V 1 1. Fall VwGO begründet ist. FAZIT Die Entscheidung des VG Hamburg sticht aus der aktuellen Vielzahl an Entscheidungen zu Flüchtlingsunterkünften heraus, weil hier einerseits die „brandneue“ Regelung des § 246 XII BauGB geprüft wird und das Gericht andererseits sichtbar bemüht ist, dieser weit gefassten Befreiungsmöglichkeit Grenzen zu ziehen. Restlos überzeugend gelingt das nicht unbedingt. Die vom Gericht vorgenommene Differenzierung zwischen „Berührung“ (zulässig) und „Verletzung“ (unzulässig) der Grundzüge der Planung dürfte in der praktischen Anwendung zu großer Unsicherheit führen. Zudem ermöglicht § 246 XII 1 Nr. 2 BauGB die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in Gewerbeund Industriegebieten. Das dürfte die dortigen Grundzüge der Planung aber regelmäßig verletzen. Inhaltsverzeichnis

RA 04/2016 Referendarteil: Öffentliches Recht 205 Speziell für Referendare Problem: Anordnung zur Schließung eines Kiosks außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten Einordnung: Ladenschlussrecht/Gaststättenrecht VG Aachen Beschluss vom 15.1.2016 6 L 391/15 EINLEITUNG Das VG Aachen hatte in einem Eilverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung gegenüber einem Kioskinhaber zu befinden, seinen Kiosk samstags ab 22 Uhr geschlossen zu halten. Hierbei hat es sich insbesondere mit der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Regelung über die allgemeinen Ladenöffnungszeiten sowie deren Verhältnis zum Gaststättengesetz befasst. GRÜNDE „Der sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 822/15 erhobenen Klage des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 1. April 2015 wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung anzuordnen, hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist unbegründet. In formeller Hinsicht begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der streitigen Ordnungsverfügung vom 1. April 2015 hinsichtlich der gegenüber dem Antragsteller getroffenen Anordnung, […], keinen rechtlichen Bedenken. Die Kammer legt die in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung getroffene Anordnung allerdings dahingehend aus, dass sie nur die Ladenöffnungszeiten für Samstage regelt. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist der Rechtsgedanke der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) heranzuziehen. Danach kommt es nicht entscheidend darauf an, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern darauf, wie der Empfänger der Verfügung nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte; Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Behörde. Ausgehend von dem Wortlaut der im Tenor (Ziffer 1) der Ordnungsverfügung getroffenen Formulierung ist diese aus der Sicht des Empfängers so zu verstehen, dass sich die angeordnete Schließung der Verkaufsstelle nur auf Samstage bezieht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung der Ordnungsverfügung oder aus dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren. Zwar findet sich in dem Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 zum beabsichtigten Erlass der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung der Hinweis, dass der Antragsteller seine Verkaufsstelle auch an Sonn- und Feiertagen nicht öffnen darf, jedoch nimmt dieser Hinweis Bezug auf § 3 Feiertagsgesetz NRW und gerade nicht auf § 4 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW. […] Jura Intensiv LEITSÄTZE 1. Zur Rechtmäßigkeit der Anordnung gegenüber einem Kioskinhaber, seine Verkaufsstelle samstags ab 22 Uhr geschlossen zu halten. 2. Zu den Voraussetzungen, wann ein Kioskbetreiber zugleich auch einen Schankbetrieb i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GastG betreibt bzw. wann ein Versuch der unzulässige Umgehung der allgemeinen Ladenöffnungszeiten nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW vorliegt. 3. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW. In der Praxis enthalten Beschlüsse in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes oftmals keinen Tatbestand. In der Examensklausur wird von Ihnen allerdings eine Darstellung der Gründe zu I. (Tatbestand) und II. (Entscheidungsgründe) verlangt. Soweit der Antrag nicht grob fehlerhaft ist, kann er unter Verwendung des Einschubs „sinngemäß“ stillschweigend berichtigt werden; Einer Auslegung des Antrags (§§ 122 I, 88 VwGO) bedarf es dann nicht mehr. Typisches Problem in der Praxis und damit auch in Klausuren im 2. Examen: VA ist unklar formuliert, bedarf der Auslegung. Maßgeblich ist dabei - wie immer - der objektive Empfängerhorizont. Inhaltsverzeichnis

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