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RA Digital - 04/2017

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202 Öffentliches Recht

202 Öffentliches Recht RA 04/2017 Diese Vorschriften sind meinungsneutral und dienen mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einem Rechtsgut, das im Einzelfall durchaus Vorrang vor der Pressefreiheit haben kann. Folglich handelt es sich um allgemeine Gesetze i.S.v. Art. 5 II GG, die die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit der Beschwerdeführerin begrenzen können. II. Schranken-Schranken Um eine uferlose Einschränkung der Pressefreiheit zu verhindern, unterliegt die Schranke ihrerseits bestimmten Begrenzungen. Da die Verfassungsmäßigkeit der Normen unproblematisch ist, darf die Prüfung sehr kurz ausfallen. BVerfGE 71, 206, 214; 59, 231, 265 Wechselwirkungslehre ist nur besondere Ausprägung der Angemessenheit Entscheidende Kriterien für die Abwägung: 1. Gegenstand der Berichterstattung: private oder öffentliche Angelegenheit? 1. Verfassungsmäßigkeit von § 823 I, II BGB, § 1004 I 2 BGB analog, §§ 22 f. KUG Die einschränkenden Bestimmungen müssen im Einklang mit den Vorgaben des Grundgesetzes stehen. Formell begegnen sie keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Materiell-rechtlich sind die Vorschriften aufgrund ihrer unbestimmten Rechtsbegriffe zumindest einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Folglich stehen § 823 I, II BGB, § 1004 I 2 BGB analog, §§ 22 f. KUG im Einklang mit den Vorgaben des Grundgesetzes. 2. Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts Weiterhin muss der konkrete Einzelakt, hier die Verweigerung der Übersendung der anonymisierten Urteilskopie, verfassungsmäßig, d.h. verhältnismäßig sein. Insbesondere müssen der verfolgte Zweck und das eingesetzte Mittel in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dabei ist das einschränkende Gesetz im Lichte der Bedeutung der Pressefreiheit in einem freiheitlich demokratischen Staat auszulegen und so in seiner die Pressefreiheit beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (sog. Wechselwirkungslehre). „[16] Das Gewicht der das Persönlichkeitsrecht beschränkenden Pressefreiheit wird davon beeinfluss , ob die Berichterstattung eine Angelegenheit betrifft, welche die Öffentlichkeit wesentlich berührt. Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, etwa der Frage, ob private Angelegenheiten ausgebreitet werden, die lediglich die Neugier befriedigen. […] Soweit das Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist sein Informationswert im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. So können Bilder einen Wortbericht ergänzen und dabei der Erweiterung seines Aussagegehalts dienen, etwa der Unterstreichung der Authentizität des Geschilderten. Auch kann ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Informationsanliegen darin liegen, durch Beigabe von Bildnissen der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht zu wecken. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2017 Öffentliches Recht 203 [17] Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes wird neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung, auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt. Gleiches gilt, wenn der Betroffene nach den Umständen, unter denen die Aufnahme gefertigt wurde, typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, insbesondere einem besonders geschützten Raum, aufhält. [19] Die Gerichte berücksichtigen nicht ausreichend das Gewicht der Pressefreiheit aufgrund des großen öffentlichen Informationsinteresses. Der Prozess gegen den Kläger stellte ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, das in der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt wurde. Hierbei war auch in die Abwägung einzustellen, dass der Kläger in der Öffentlichkeit bekannt war. Diesen Prominentenstatus haben die Gerichte bei der vorgenommenen Abwägung unzureichend berücksichtigt. Das Lichtbild zeigt den Kläger im öffentlichen Raum in einer alltäglichen Situation. Wie im Rahmen einer Alltagssituationen aufgreifenden Berichterstattung die Abbildung prominenter Personen im öffentlichen Raum zulässig sein kann, wenn es der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dient, muss dies auch für die hier in Frage stehende Prozessberichterstattung gelten. Im vorliegenden Fall kann sich der Kläger auch nicht auf den besonderen Schutz des Verteidigergesprächs berufen. Dieser wird durch das Bild nicht berührt. Weder vermittelt das Bild der Öffentlichkeit neue Informationen über sein Verteidigerteam noch über seine Verteidigungsstrategie. Auch bildet es ihn nicht in einer zurückgezogenen Situation bei der Beratung mit seiner Verteidigerin ab. Vielmehr zeigt es ihn im öffentlichen Verkehrsraum vor der Kanzlei seiner Verteidigerin, mit der er sich auf den Weg zur Hauptverhandlung begeben wird. Anders als die Gerichte darlegen, durfte der Kläger hier nicht die berechtigte Erwartung haben, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation befunden habe. Der Kläger befand sich vielmehr in einem öffentlichen Bereich und konnte aufgrund der Gesamtumstände - des Strafverfahrens gegen ihn und der Tatsache, dass ein weiterer Prozesstag bevorstand - nicht ausschließen, dass er dort wahrgenommen wird.“ Jura Intensiv 2. Wie ist das Medienorgan an das Bild gelangt (heimliche Aufnahme, beharrliches Nachstellen)? 3. Werden Einzelheiten des Privatlebens dargestellt oder befindet sich der Betroffene in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation? Subsumtion der Abwägungskriterien: Berechtigtes öffentliches Interesse an der Berichterstattung wegen des Prominentenstatus des K. Bildaufnahme erfolgte im öffentlichen Raum Bildberichterstattung beeinträchtigt nicht das Verhältnis des K zu seiner Verteidigerin. Keine durch räumliche Privatheit geprägte Situation. K musste wegen der Gesamtsituation damit rechnen, fotografiert zu werden. Daher unschädlich, dass Aufnahme heimlich erfolgt ist. Demnach sind die zivilgerichtlichen Entscheidungen unangemessen, verletzen also das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Mithin liegt eine Verletzung der durch Art. 5 I 2 1. Fall GG geschützten Pressefreiheit der M vor. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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