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RA Digital - 04/2018

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172 Zivilrecht

172 Zivilrecht RA 04/2018 c) Duldungspflicht der N gem. § 906 II 1 BGB Weiterhin muss die Einwirkung von N gem. § 906 II 1 BGB zu dulden gewesen sein. Der Anspruchssteller hat wesentliche, aber ortsübliche Beeinträchtigungen zu dulden, wenn diese vom Benutzer des anderen Grundstücks nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden können. „II.3. b) Die Eigentümerin des Nachbargebäudes hatte keine tatsächliche Möglichkeit, das drohende Übergreifen des Brandes auf ihr Grundstück durch die Geltendmachung von Abwehransprüchen gem. §§ 1004 I, 862 I BGB zu verhindern. Die Anwendung des § 906 II 2 BGB analog ist durch einen deliktischen Anspruch der N gegen H nicht ausgeschlossen. Die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch den Brand und die Löscharbeiten verursachten erheblichen Beschädigungen ihres Gebäudes übersteigen [zudem] das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung. Die Beeinträchtigung beruhte auch auf einer privatwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks der B. „II.3. c) Der entsprechenden Anwendung von § 906 II 2 BGB steht schließlich nicht entgegen, dass der Eigentümerin des Nachbargrundstücks gegen den Handwerker Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung zustehen. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist zwar subsidiär; das schließt eine Anwendung grds. aus, soweit eine andere in sich geschlossene Regelung besteht. So verhält es sich hier jedoch nicht. Das Bestehen einer Gesetzeslücke kann nicht damit verneint werden, dass ein anderer Haftungstatbestand eingreift. Das gilt umso mehr, als hier der Haftungstatbestand die Haftung einer dritten Person betrifft.“ Damit liegen die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 906 II 2 BGB vor. N hatte daher gegen B einen Ausgleichsanspruch auf Ersatz der infolge des Brandes eingetretenen Schäden i.H.v. 90.000 € erlangt. II. Versicherungsvertrag Zwischen N und K bestand ein wirksamer Versicherungsvertrag. Jura Intensiv III. Versicherungsfall Es ist zudem ein Versicherungsfall eingetreten. Daraufhin K hat der N die durch den Brand entstandenen Schäden i.H.v. 90.000 € ersetzt. B. Ergebnis Der Anspruch der N gegen B analog § 906 II 2 BGB ist damit gem. § 86 I 1 VVG auf die K übergegangen. K kann folglich von B Zahlung i.H.v. 90.000 € verlangen. FAZIT Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 II 2 BGB führt bei einem übergreifenden Brand, der nicht auf Brandstiftung zurückzuführen ist, zu einem Ausgleichsanspruch der de facto einem Schadensersatzanspruch gleichkommt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2018 Zivilrecht 173 Problem: Passive Stellvertretung gem. § 164 III BGB Einordnung: Allgemeiner Teil, Schuldrecht LG Braunschweig, Urteil vom 07.03.2018 3 O 908/17 EINLEITUNG VW hatte am 18.09.2015 eingeräumt, Abgaswerte mit einer illegalen Abschalteinrichtung manipuliert zu haben. Diese erkennt, ob ein Auto auf dem Prüfstand getestet wird und reguliert sodann den Schadstoffausstoß. Im normalen Verkehr auf der Straße schaltet das System ab. Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger aufgrund des daraus entstandenen „Abgasskandals“ Rückabwicklung seines Kaufvertrags. Dieser war über ein Autohaus im Rahmen eines sog. Agenturgeschäfts zustande gekommen. Im Mittelpunkt der Entscheidung steht dabei die sog. passive Stellvertretung gem. § 164 III BGB sowie die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. SACHVERHALT Der Kläger (K) kauft am 11.12.2014 bei der Beklagten (B) im Rahmen eines Agenturgeschäftes über X, die als Agentin für B handelt, einen neuen Pkw zum Kaufpreis von 33.000 €. Laut Auftragsbestätigung der B soll sich K bei weiteren Fragen zur Abwicklung an seinen „zuständigen Verkäufer im Autohaus“ wenden. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgt nach Kaufpreiszahlung am 15.02.2015. Das Fahrzeug ist mit einem von B hergestellten Dieselmotor ausgestattet. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kommt mit nicht angefochtenem Bescheid vom 15.10.2015 zu dem Ergebnis, dass die Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet sind. Dies hat zur Folge, dass die im Prospekt der B angegebenen Emissionswerte nur durch die manipulierte Software im Testverfahren eingehalten werden. Im regulären Fahrbetrieb weichen sie erheblich von den Angaben des Herstellers ab. Mit Schreiben vom 01.06.2016 bestätigt das KBA unter Bezugnahme auf seinen Bescheid vom 15.10.2015, dass die von B vorgestellte Änderung der Applikationsdaten jedoch geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge herzustellen. Mit Anwaltsschreiben vom 27.09.2016 fordert K die X zur fachgerechten Mängelbeseitigung bis zum 15.11.2016 auf. Mit Rundschreiben aus Oktober 2016 informiert B den K darüber, dass die für das Update benötigte Software nun zur Verfügung stehe und sein Fahrzeug umprogrammiert werden könne. Unter Bezugnahme auf dieses Rundschreiben schlägt K der X mit Anwaltsschreiben vom 03.11.2016 vor, das Software-Update in der „KW45 (07.11.2016 bis 11.11.2016), Montag bis Freitag ab 16:00 Uhr“ durchzuführen. Wegen des ergebnislosen Ablaufs der gesetzten Nachbesserungsfrist erklärt K gegenüber X mit Anwaltsschreiben vom 17.11.2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte sie zur Rückabwicklung des Vertrages bis zum 28.11.2016 auf. Mit Schreiben vom 14.11.2016, das zunächst falsch adressiert war und dem Anwalt des K daher erst am 21.11.2016 zugeht, teilt X mit, dass sie K am 23.11.2016, 17:00 Uhr einen Termin für das Software-Update reserviert habe. K, der sein Auto weiterhin ohne Einschränkungen nutzt, nimmt diesen Termin nicht war und lässt das Software-Update auch nicht anderweitig durchführen. Er ist der Ansicht, dass er von B durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs Jura Intensiv LEITSATZ 1. Ist der Autokaufvertrag mit dem Fahrzeughersteller über ein Autohaus im Rahmen eines sog. Agenturgeschäfts zustande gekommen, kann der Käufer Anfechtung und Rücktritt – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – nach § 164 III BGB (passive Stellvertretung) auch gegenüber dem Autohaus mit unmittelbarer Wirkung gegen den Fahrzeughersteller erklären. 2. Setzt der Autokäufer dem Autohaus als Vertreter des verkaufenden Fahrzeugherstellers im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung und bittet der Fahrzeughersteller den Käufer rechtzeitig vor Ablauf der Frist, sich umgehend zwecks Terminvereinbarung für das zur Verfügung stehende Software- Update mit einer autorisierten Werkstatt zur Verbindung zu setzen, ist die Fristsetzung wegen Verstoßes gegen die dem Käufer obliegende Mitwirkungspflicht wirkungslos, wenn der Käufer die Vereinbarung eines Werkstatt- Termins innerhalb der gesetzten Frist durch die Wahl eines ungeeigneten Weges zur kurzfristigen Terminvereinbarung (hier: nur acht Werkstatt-Tage vor Ablauf der Frist verfasstes und anschließend per Post versandtes Anwaltsschreiben mit Terminvorschlägen an das Autohaus, dessen Mitarbeiter der Käufer ist) selbst vereitelt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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