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RA Digital - 04/2019

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180 Zivilrecht

180 Zivilrecht RA 04/2019 I. Beeinträchtigung einer schutzfähigen Rechtsposition Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 I 2 BGB analog setzt einen rechtswidrigen Eingriff in eine gemäß § 823 ff. BGB geschützte Rechtsposition voraus. § 1004 I 2 BGB wird nach h. M. auf alle deliktisch geschützten Rechte und Rechtsgüter analog angewendet, um Rechtsschutzlücken zu schließen. Nur der Eigentümer hat das Recht, den gewerblichen Nutzen aus seinem Eigentum zu ziehen. Auch das aus dem Besitz i.S.d. §§ 854 ff. BGB abgeleitete Hausrecht eines Pächters kann im Rahmen des Unterlassungsanspruchs analog § 1004 I 2 BGB als schutzwürdige Rechtsposition geltend gemacht werden. Inhalt und Umfang des Hausrechts Wer das Hausrecht hat, kann anderen Fotoaufnahmen von Innenräumen verbieten. „[20] Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass selbst dem Grundstückseigentümer kein „Recht am eigenen Bild der Sache“ zuzuerkennen ist. [21] Auch lässt das Fotografieren eines fremden Grundstücks, insbesondere eines darauf errichteten Gebäudes, wie auch die gewerbliche Verwertung von Fotografien dessen Sachsubstanz unberührt. Dieser Vorgang hat keine Auswirkungen auf die Nutzung der Sache selbst, hindert den Eigentümer nicht daran, mit dem Grundstück bzw. Gebäude weiterhin nach Belieben zu verfahren und stört ihn grds. auch nicht in seinem Besitz. [22] Allerdings hat der BGH entschieden, dass die gewerbliche Verwertung von Fotografien eines im Privateigentum stehenden Gebäudes, wenn nicht von allgemein zugänglichen Stellen, sondern von dem Grundstück aus fotografiert worden ist, auf dem sich das Gebäude befindet, [unzulässig ist]. Werden die Bilder entgegen dem Willen des Eigentümers verwertet, steht diesem ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 I 2 BGB zu. Die gewerbliche Verwertung solcher Fotografien bedarf selbst dann einer ausdrücklichen Erlaubnis des Grundstückseigentümers, wenn dieser das Betreten seines Grundstücks und die Anfertigung der Gebäudeaufnahmen gestattet hat. Nach Auffassung des BGH ist es das natürliche Vorrecht des Eigentümers, den gewerblichen Nutzen, der aus seinem nur gegen seine Erlaubnis zugänglichen Eigentum gezogen werden kann, für sich zu beanspruchen. Wer danach Fotografien eines im Privateigentum stehenden Gebäudes, das nicht frei zugänglich ist, gewerblich herstellt und verwertet, macht sich dabei nach natürlicher Betrachtung einen fremden Vermögenswert nutzbar. [24] Darüber hinaus kann auch das aus dem Besitz abgeleitete Hausrecht eine Grundlage für die Verhinderung der Erstellung und Verwertung von Bildern gewähren. [25] Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz und dient zunächst der Wahrung der äußeren Ordnung in dem Gebäude oder der Örtlichkeit, auf die es sich erstreckt, und insofern der Sicherstellung des von deren Eigentümer bzw. Besitzer vorgegebenen Benutzungszwecks. Nach dem BGH räumt das Hausrecht seinem Inhaber ferner die Entscheidungsbefugnis darüber ein, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verweigert. Das schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben oder rechtswirksam von Bedingungen abhängig zu machen. [26] Damit verbleibt der K als Pächterin des Grundstücks nebst des hierauf belegenen Gebäudes kraft der rechtlichen und tatsächlichen Herrschaftsmacht, die ihr durch das vertraglich gewährte Hausrecht verliehen wird, die Möglichkeit, andere vom Zugang zu dem Pachtobjekt auszuschließen und ihnen damit auch die Möglichkeit zur Anfertigung von Fotoaufnahmen, insbesondere der Innenräume abzuschneiden. Aus dem Hausrecht ergibt sich ihre Befugnis, zu entscheiden, wer Zutritt zum Grundstück erhält und zu welchen Voraussetzungen. So kann von ihr auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang Fotoaufnahmen angefertigt werden dürfen. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2019 Zivilrecht 181 [27] Unter Anwendung dieser Grundsätze folgt hier die rechtswidrige Beeinträchtigung des privaten Hausrechts der K aus dem Umstand, dass B ihr Pachtobjekt in einer dem Willen der K widersprechenden Weise genutzt hat, indem er Lichtbildaufnahmen von dessen Innenansichten zu Zwecken angefertigt hat, die von der ihr erteilten Genehmigung nicht umfasst waren. [41] [Durch] das Einstellen der Fotos auf der Webseite des B [ist] auch die Tathandlung des Vervielfältigens verwirklicht. [42] Abzustellen für die Definition des Begriffs der Vervielfältigung auf das UrhG. Vervielfältigung ist danach jede körperliche Festlegung des Werks, die geeignet ist, dieses den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen. Hierunter fällt auch das Speichern von Fotos auf einer Internet Homepage bzw. das Einstellen in das Internet.“ Ein rechtswidriger Eingriff in eine geschützte Rechtsposition liegt damit aufgrund einer Verletzung des Hausrechts vor. II. Störereigenschaft des B B ist zudem Handlungsstörer. III. Wiederholungsgefahr Der Anspruch auf Unterlassung einer Handlung liegt schließlich nur dann vor, wenn eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten ist. Zu prüfen ist daher eine Wiederholungsgefahr. Sie wird bei bereits geschehener Rechtsverletzung vermutet. An die Widerlegung der Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen. Anhaltspunkte dafür - wie etwa die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung - liegen nicht vor. Die Wiederholungsgefahr ist mithin gegeben. IV. Ergebnis Analog § 1004 I 2 BGB i.V.m. §§ 854 ff. BGB hat K damit gegen B einen Anspruch darauf, es zu unterlassen, die vom Gebäude angefertigten Fotografien zu vervielfältigen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Jura Intensiv FAZIT Das OLG Frankfurt am Main stärkt die Rechte des Pächters eines Grundstücks, wenn Fotos eines Gebäudes, die vom Innenbereich aus erstellt wurden, verbreitet werden. Das Gericht setzt mit der vorliegenden Entscheidung die Rechtsprechung des BGH zu den Abwehransprüchen des Rechtsinhabers an Gebäuden konsequent fort und erweitert sie auf das Hausrecht des Pächters. Das Veröffentlichen der Gebäudefotos ohne Einwilligung stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Hausrecht des Pächters dar. Definition der Vervielfältigung Die Wiederholungsgefahr wird hier aufgrund des Verhaltens der B in der Vergangenheit vermutet und kann nicht widerlegt werden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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