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RA Digital - 04/2019

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

184 Zivilrecht

184 Zivilrecht RA 04/2019 In der ersten juristischen Prüfung können Sie einen Quotenvorschlag nach Gefühl präsentieren. In der Praxis sowie im Assessorexamen ist dies eine Tatfrage, die vom Ergebnis der mündlichen Verhandlung abhängt. In Betracht kommt zudem eine Tierhalterhaftung des B gem. § 833 S. 1 BGB. Es fehlt jedoch an der Verwirklichung einer tierspezifischen Gefahr und damit auch am Kausalzusammenhang zwischen dem tierischem Verhalten und der Rechtsgutsverletzung. der neuesten Lichtschrankentechnik Lücken verbleiben. Allerdings wäre die Lichtschranke engmaschiger gewesen und hätte, die Wahrscheinlichkeit nicht nur geringfügig erhöht, dass die Leine des B erkannt wird. Damit war die K jedenfalls zum Teil mitursächlich für den Schadenseintritt, da sie als Betreiberin eines Fahrstuhls im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflichten veranlassen muss, Schäden von den Nutzern ihres Gefahrenraums (Aufzug) so gut wie möglich zu schützen. [8] Das Gericht erachtet vor diesem Hintergrund eine hälftige Teilung des Schadens für sachgerecht und angemessen im Rahmen von §§ 249, 254 BGB.“ VI. Ergebnis K steht damit gegen B gem. §§ 280 I, 241 II BGB ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 289,50 € zu. B. K gegen B gem. § 833 S. 1 BGB K könnte gegen B zudem einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Reparaturkosten gem. § 833 S. 1 BGB haben. I. Tierhalter Dazu müsste B zunächst Tierhalter sein. Halter eines Tieres ist, wer das Tier in seinem eigenen Interesse auf längere Dauer in seiner Gewalt oder Obhut hat. B ist Eigentümer des Hundes und trägt daher regelmäßig Sorge für ihn. Er ist damit sein Halter. II. Rechtsgutsverletzung Der Fahrstuhl ist durch den Nothalt in seiner Substanz beeinträchtigt worden. Die Beschädigung einer Sache liegt daher vor. III. Durch das Tier Diese Rechtsgutsverletzung müsste durch den Dackel des B verursacht worden sein. Dies ist der Fall, wenn sich die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung verwirklicht hat. Als Ausfluss einer spezifischen Tiergefahr kann jedes Verhalten angesehen werden, das sich als Resultat angeborener sowie nach Wirkung und Richtung unberechenbarer Verhaltensprogramme darstellt und daher einer vollständigen Beherrschung durch den Menschen entzieht. Darüber hinaus muss die Rechtsgutsverletzung auf dem Verhalten des Tieres beruhen (sog. haftungsbegründende Kausalität). Jura Intensiv „[9] Ein Anspruch aus Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB scheidet aus, weil sich in dem Ereignis nicht die dazu erforderliche Tiergefahr realisiert hat. Sofern ein Tier nur wie eine (leblose) Sache genutzt wird, greift die Tierhalterhaftung nicht ein. Denn in diesem Fall ist die Tatsache, dass ein Tier beteiligt ist, nicht ursächlich für die Schadensverursachung. Nichts anderes gilt vorliegend, da ursächlich für den Schadenseintritt, die von dem B benutzte Leine und nicht das daran befindliche Tier war. Von dem Hund des B ging kein (aktives) Verhalten aus, außer dass sich der Hund am anderen Ende der den Schaden verursachenden Leine hing.“ Die Rechtsgutsverletzung wurde nicht durch das Tier verursacht. IV. Ergebnis K hat damit gegen B keinen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Reparaturkosten gem. § 833 S. 1 BGB. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2019 Referendarteil: Zivilrecht 185 Speziell für Referendare Problem: Bestimmtheit einer sog. Saldoklage Einordnung: ZPO I, Mietrecht BGH, Urteil vom 06.02.2019 VIII ZR 54/19 EINLEITUNG Hat ein Gläubiger gegen einen Schuldner mehrere Forderungen aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt, etwa einem Dauerschuldverhältnis wie beispielsweise einem Mietverhältnis, macht er diese häufig in einer Klage geltend. Geschieht dies nicht in mehreren Klageanträgen, sondern wird eine Geldsumme in einem Antrag gefordert, spricht man von einer Saldoklage. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags sowie die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags zu stellen sind, zeigt die nachfolgende BGH-Entscheidung. TATBESTAND Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung rückständiger Miete für verschiedene Monate des Jahres 2017. Der Beklagte ist seit Ende des Jahres 2000 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Kempten (Allgäu). Im Jahr 2017 zahlte der Beklagte aus Gründen, die zwischen den Parteien umstritten sind, nicht die volle geforderte Miete. Die Klägerin listete die Forderungen aus dem Mietvertrag als fortgeschriebenes tabellarisches Mietkonto auf. In dieses stellte sie Mietforderungen, Zahlungen und Gutschriften aus einer im Jahr 2018 für das Jahr 2017 erstellten Nebenkostenabrechnung ein. Den summarischen Forderungsbetrag in Höhe von 1.332,18 € machte sie vergeblich bei der Beklagten geltend. Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.332,18 € zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Jura Intensiv Der Beklagte ist neben der Behauptung verschiedener Mängel der Mietsache der Rechtsauffassung, die Klage sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit des Klageantrags unzulässig. Es gehe aus dem Zahlungsantrag nicht klar genug hervor, für welche Monate die Klägerin welche Zahlungen begehrt. Insoweit liege eine unzulässige Saldoklage vor, die nicht den Anforderungen des § 253 II ZPO entspreche. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten zulässig. Insbesondere ist der Gegenstand des erhobenen Anspruchs gem. § 253 II Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat im Prozess den Klagegegenstand i.S.v. § 253 II Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt dargelegt. LEITSATZ Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klagebegehrens bei der sogenannten Saldoklage (im Anschluss an Senatsurteile vom 21. März 2018, VIII ZR 68/17 und VIII ZR 84/17 und vom 5. Dezember 2018, VIII ZR 194/17) Die Beklagte ist im Hinblick auf die kraft Gesetz gem. § 536 BGB eintretende Minderung bezüglich der Mängel darlegungs- und beweispflichtig. Deshalb gehören Behauptungen zu Mängeln hier zum Beklagtenvortrag. Weil es im Rechtsstreit vor allem um die Anforderungen an die Bestimmtheit ging, wird die Rechtsansicht des Beklagten in den Tatbestand im Beklagtenvortrag aufgenommen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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