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RA Digital - 04/2019

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

Editorial

Editorial RA 04/2019 Millionenvermögens berufen, aber Testamentsvollstreckung angeordnet. Nach dem Willen der Erblasserin sollte der Enkel sowohl das 26. Lebensjahr erreichen als auch ein Hochschulstudium erfolgreich abschließen. Erst dann sollte die Testamentsvollstreckung enden und der Enkel Zugriff auf das Geld haben. Eine Sittenwidrigkeit sah das LG Essen hierin nicht. Vergleicht man den Fall mit dem Urteil des OLG Frankfurt am Main, welches wir auf Seite 175 in dieser Seite der RA besprechen, fällt auf: Im Essener Fall fehlte es sowohl an der familiären Drucksituation als auch am Erkaufen von Zuwendung. In beidem sahen die Frankfurter Richter nach einer Gesamtwürdigung der Umstände stichhaltige Gründe, um in ihrem Fall die Sittenwidrigkeit einer angeordneten Besuchspflicht anzunehmen. Beide Fälle sind geeignet, den Prüfungsämtern als Vorlage für eine Aufgabe aus dem Erbrecht zu dienen. Sie sind es gewohnt, in der RA einen Teil zu den Nebengebieten vorzufinden. Manchmal kommt es vor, dass die Redaktion zu diesen keine oder nur wenig geeignete Rechtsprechung vorfindet. So ist es zurzeit. Aus diesem Grunde freuen wir uns, Ihnen einen mehrteiligen Aufsatz aus dem Gebiet des Strafrechts von Dr. Dirk Schweinberger präsentieren zu können. Sie finden den ersten Teil unter dem Titel „Die Vermeidbarkeitsprüfung beim Doppelirrtum über einen Rechtfertigungsgrund“ auf Seite 209 in dieser Ausgabe der RA. Die Fortsetzung erfolgt in der Mai-Ausgabe. Rechtsanwalt Oliver Soltner Franchisenehmer von Jura Intensiv Frankfurt, Gießen, Heidelberg, Mainz, Mannheim und Marburg IMPRESSUM Herausgeberin: erin: Chefredaktion: Redakteure: Bezugspreis: Werbung: Jura Intensiv Jura a Intensiv Verlags UG (haftungsbeschränkt) & Co. . KG, Rathausplatz 22, 46562 Voerde, Tel.: 02855/96171-80; Fax: 02855/96171-82 Internet: verlag.jura-intensiv.de - E-Mail: info@verlag.jura-intensiv.de Rechtsanwalt Oliver Soltner (V.i.S.d.P.) Theresa Bauerdick & Richterin am Amtsgericht Dr. Katharina Henzler (Zivilrecht) Assessor Dr. Dirk Schweinberger (Nebengebiete) Rechtsanwalt Dr. Dirk Kues (Öffentliches Recht) Rechtsanwalt Uwe Schumacher (Strafrecht) Printausgabe: 6,50 Euro/Heft. 12 Hefte pro Jahr. Ermäßigungen für Abonnenten. Digitalausgabe: 5,99 Euro/Heft. Die RA steht externer Werbung offen. Mediadaten sind unter info@verlag.jura-intensiv.de erhältlich. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2019 ZIVILRECHT Zivilrecht 169 Problem: Herstellerhaftung nach Einbau einer abgasbeeinflussenden Software Einordnung: Schuldrecht, Deliktsrecht OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019 7 U 134/17 EINLEITUNG Bundesweit sind etwa 50.000 Verfahren aufgrund des sog. „Diesel-Skandals“ der Volkswagen AG anhängig. Rund 14.000 Gerichtsentscheidungen sind bislang ergangen - überwiegend zugunsten von Volkswagen bzw. der Händler, wie auch der vorliegende Fall des OLG Braunschweig zeigt. SACHVERHALT Der Kläger (K) bestellt am 19.05.2010 beim Autohändler (A) das von der Beklagten (B) hergestellte Neufahrzeug Eos 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 41.000 €. Am 07.07.2010 stellt B für das Fahrzeug folgende EG-Übereinstimmungsbescheinigung i.S.d. §§ 6, 27, 37 EG-FGV aus: „Der Unterzeichner Dr. F. v. B bestätigt hiermit, dass das Fahrzeug mit dem in der am 25.09.2009 vom Kraftfahrt-Bundesamt („KBA“) erteilten Genehmigung beschriebenen Typ in jeder Hinsicht übereinstimmt.“ Dr. v. B ist zu diesem Zeitpunkt „Leiter Typprüfung“ der B. Er hat weder Prokura noch eine Vertretungsmacht für die B gegenüber ihren Kunden. Die Übereinstimmungsbescheinigung übersendet B an A, der sodann am 22.07.2010 für das Fahrzeug die Erstzulassung des Fahrzeugs erwirkt. Zur Erlangung einer EG-Typgenehmigung müssen Kraftfahrzeuge unter bestimmten Laborbedingungen gemessene Emissionsgrenzwerte einhalten. Die jeweiligen Testfahrzeuge durchlaufen dabei auf einem Rollenprüfstand einen gesetzlich vorgegebenen Testdurchlauf, der aus fünf synthetischen Fahrkurven besteht (sog. „Neuer Europäischer Fahrzyklus“). In dem Fahrzeug des K ist zum Zeitpunkt der Auslieferung am 25.07.2010 ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU 5 verbaut. Eine auf dem Motorsteuergerät hinterlegte Software sorgt dafür, dass das Fahrzeug beim Starten des Motors in einer bestimmten Abstimmung („Modus 1“) läuft. In dieser Abstimmung wird ein relativ großer Teil der Abgase aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeführt. Dort ersetzt das abgeführte Abgas einen Teil der Frischladung, die für den nächsten Verbrennungsprozess benötigt wird. Infolge der Abkühlung während des Verbrennungsvorgangs bilden sich relativ geringere Stickoxide (NOx), sodass weniger NOx-Emissionen entstehen als ohne die Abgasrückführung. Mittels der Software wird erkannt, ob sich das Fahrzeug im Rahmen der Fahrkurven nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) befindet. Nur in diesem Fall verbleibt es im „Modus 1“. Wird dagegen erkannt, dass das Fahrzeug die Fahrkurve nach dem NEFZ verlässt, wird eine andere Abstimmung („Modus 0“) aktiviert. In dieser Abstimmung werden weniger Abgase in den Motor zur erneuten Verbrennung zurückgeführt mit der Folge, dass sich die Stickoxidemissionen gegenüber dem Modus 1 erhöhen. Weil es im normalen Straßenbetrieb praktisch unwahrscheinlich ist, den NEFZ nachzufahren, befindet sich das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr durchgehend im Modus 0. Eine Rückkehr in die Jura Intensiv LEITSATZ DER REDAKTION 1. Bei der Übereinstimmungsbescheinigung i.S.d. §§ 6, 27, 37 EG-FGV, die der Hersteller eines Fahrzeuges erstellt und mit der er bestätigt, dass das konkrete auf den Markt gebrachte Fahrzeug den Vorgaben der EG-Typgenehmigung entspricht und mittels derer der Hersteller die Voraussetzungen für die (Erst-) Zulassung des Fahrzeugs schafft, handelt es sich nicht um eine Garantieerklärung. 2. Der Hersteller eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung (einer abgasbeeinflussenden Software) versehen ist, haftet dem Käufer des Fahrzeugs nicht nach § 823 II BGB i.V.m. §§ 6 I, 27 I EG-FGV. Vorschriften sind nicht als Schutzgesetze i.S.d. § 823 II BGB anzusehen, da sie nicht dazu dienen, das Vermögen des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs zu schützen, sondern vor allem auf hohe Verkehrssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz und rationelle Energienutzung abzielen. 3. Ansprüche aus §§ 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB scheitern daran, dass der Hersteller als juristische Person selbst keine Straftat begehen kann. Zwar sind ihm nach § 31 BGB zivilrechtlich Handlungen verfassungsmäßig berufener Vertreter zurechenbar. Eine Haftung besteht jedoch nicht, wenn es an der gebotenen Darlegung der Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB durch die entsprechenden Personen fehlt. 4. Eine Haftung des Herstellers aus §§ 826, 31 BGB scheitert (auch) daran, dass - wie bei allen deliktsrechtlichen Ansprüchen - die Ersatzpflicht eines Schädigers auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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