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RA Digital - 04/2020

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210 Referendarteil:

210 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 04/2020 Steindorf, Waffenrecht, § 5 Rn 21 BVerfG, Urteil vom 17.1.2017, 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611 Rn 634 ff Dies ist die Besonderheit des Falles, da sich der vorliegende Sachverhalt insoweit von dem dem Grundsatzurteil des BVerwG zugrunde liegenden Sachverhalt unterscheidet. BT-Drs. 14/7758, S. 55; Steindorf, Waffenrecht, § 5 Rn. 21 OVG Bautzen, Urteil vom 16.3.2018, 3 A 556/17, juris Rn 52 BVerwG, Urteil vom 19.9.2019, 6 C 9/18, juris Rn 30 BVerfG, Urteil vom 17.1.2017, 2 BvB 1/13, NJW 2017, S. 611 Rn 897 Bei der NPD handelt es sich um eine Vereinigung, deren Bestrebungen sich im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) WaffG gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Zur Auslegung des Begriffs der verfassungsfeindlichen Bestrebungen kann auf die wesensverwandten Begriffsbestimmungen in § 92 Abs. 2 StGB sowie § 4 des BVerfSchG zurückgegriffen werden.[...] Das BVerfG hat mit Urteil vom 17.01.2017 festgestellt, dass die Ziele der NPD und das Verhalten ihrer Anhänger gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips verstoßen und Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus aufweisen. Die Programmatik der NPD ist danach auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung gerichtet. Der Antragsteller hat die NPD als verfassungsfeindliche Vereinigung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) WaffG durch seine Kandidatur unterstützt. Anknüpfungspunkt für die aktive Unterstützungshandlung des Antragstellers ist dessen Kandidatur für die NPD bei den hessischen Kommunalwahlen im Jahr 2016. Die Kandidatur des Antragstellers liegt innerhalb des 5-Jahres- Zeitraums nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG und erfüllt auch im Übrigen dessen Anforderungen. Diese Vorschrift ist nicht ausschließlich auf Parteimitglieder anwendbar, sondern auch dann einschlägig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass jemand einzeln Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Anknüpfungspunkt für das „Verfolgen“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen ist die aktive individuelle Betätigung des Einzelnen. Hierin unterscheidet sich § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG von § 5 Abs. 2 Nr. 2, der keine über die bloße Parteimitgliedschaft hinausgehende Unterstützungshandlung fordert. [...] Als Unterstützungshandlung im waffenrechtlich relevanten Sinne sind daher solche Betätigungen anzusehen, bei denen jemand innerhalb der Vereinigung oder für die Vereinigung nach außen erkennbar Funktionen wahrnimmt und dadurch in der Öffentlichkeit zu erkennen gibt, dass er hinter den verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Vereinigung steht und diese mit tragen will. Ein Unterstützen liegt daher jedenfalls bei der Wahrnehmung von Mandaten auf Bundes-​, Landes- oder kommunaler Ebene vor, da die Besetzung von Mandaten auf den verschiedensten Ebenen für die Existenz und Beständigkeit einer solchen Vereinigung von großer Bedeutung ist (ebenda, Rn. 53). Jura Intensiv Gleiches gilt, wenn jemand als Bewerber einer verfassungsfeindlichen Partei an Wahlen teilnimmt, auch wenn er hierbei kein Mandat erringt, denn auch in diesen Fällen ist von einer besonders intensiven Identifikation mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei auszugehen. Der Antragsteller hat durch seine Kandidatur für die NPD nach außen zu erkennen gegeben, dass er die politische Arbeit der NPD – auch ohne formell Mitglied zu sein – jedenfalls auf kommunaler Ebene unterstützt. [...] Diese Lesart des § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) WaffG führt nicht zu der von Seiten des Antragstellers vorgetragenen Diskriminierung und greift auch nicht unzulässig in seine Rechte ein; vielmehr beeinträchtigt die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds oder Anhängers der NPD nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG die von Art. 21 GG Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2020 Referendarteil: Öffentliches Recht 211 geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise und entzieht dem Antragsteller auch nicht sein aktives Wahlrecht. Aufgrund der aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG abzuleitenden allgemeinen staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit ist der Gesetzgeber berechtigt, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten [...] Die Anwendung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG beeinträchtigt daher die Mitglieder und Anhänger von Parteien nicht in ihrer verfassungsrechtlich garantierten parteipolitischen Betätigungsfreiheit und verletzt auch keine Grundrechte. Bei der an die Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer Vereinigung anknüpfenden Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit handelt es sich nicht um eine staatliche Sanktion wegen der Äußerung einer politischen Einstellung, sondern um ein allgemeines Gesetz, das dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit dient. [...] Gleichwohl müssen nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerwG diejenigen Fallgestaltungen ausgesondert werden, in denen die vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Verbindung zwischen der Verfolgung bzw. dem Unterstützen verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzgut des Waffenrechts ausnahmsweise fehlt. Denn selbst wenn die generalisierende Annahme eines waffenrechtlich relevanten Sicherheitsrisikos, die an die legale Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer politischen Partei anknüpft, nicht als staatliche Sanktion oder zielgerichtete Behinderung zu qualifizieren ist, können mittelbare bzw. faktische Beeinträchtigungen der nach Art. 21 GG geschützten politischen Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden. Daher muss die Prüfung der Umstände des konkreten Einzelfalles darauf erstreckt werden, ob die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit möglicherweise deshalb widerlegt ist, weil der vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Zusammenhang zwischen der relevanten Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzzweck des Waffengesetzes ausnahmsweise fehlt. Atypische Umstände in diesem Sinne sind bei Funktions- und Mandatsträgern einer nicht verbotenen Partei grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn – neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten – feststeht, dass sie sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert haben. Wer sich zur Widerlegung der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) WaffG auf derartige in seiner Sphäre liegende Umstände beruft, dem obliegt im Verfahren vor der Waffenbehörde oder dem Verwaltungsgericht zudem eine besondere Darlegungslast. Jura Intensiv Derartige atypische Umstände, die Rückschlüsse auf eine eindeutige Abkehr oder Distanzierung von dem tatbestandsmäßigen Verhalten des Antragstellers zulassen, sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Sie ergeben sich zum einen nicht aus dem von ihm angeführten und unstreitigen beanstandungsfreien Waffenbesitz. Dieser ist nicht geeignet, die Hier nimmt das Gericht eine Grundrechtsabwägung zwischen Art. 2 I GG und Art. 21 GG vor. BVerwG, Urteil vom 19.9.2019, 6 C 9/18, juris Rn 19 BVerwG, aaO, Rn 21; Urteil vom 30.9.2009, 6 C 29/08, NVwZ-RR 2010, 225 Wichtig: In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Regelvermutung für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit vorliegen. Ist dies zu bejahen, ist sodann in einem zweiten Schritt zu fragen, ob aufgrund atypischer Umstände eine Ausnahme vom Regelfall vorliegt. Da hier Art. 21 GG betroffen ist, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob die Regelvermutung widerlegt ist. Subsumtion des konkreten Sachverhalts © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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