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RA Digital - 04/2021

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186 Referendarteil:

186 Referendarteil: Zivilrecht RA 04/2021 Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: • Leistungsnähe des Dritten, der der K zur Leistung der B gegenüber dem Kunden, • Interesse am Schutz des Dritten, hier das Interesse der B, die K einzubeziehen, • Erkennbarkeit des erweiterten Schutzbereiches für die B • Schutzbedürftigkeit der K Die Leistungsnähe wird verneint, weil die Pflicht der B der Bestimmung nach nur gegenüber dem Kunden besteht. Das Gericht führt noch aus, dass auch die weiteren Erfordernisse nicht vorliegen. Hierauf kommt es – strenggenommen – aber bereits nicht mehr an. Gegen die zweite Voraussetzung (s.o.) spricht ausdrücklich § 675u BGB. Der Kunde hat kein Interesse daran, dass die K in den Vertrag mit einbezogen wird, da K gesetzlich das sich hier verwirklichte Risiko zu tragen hat. Zur Abtretung: Der Zustimmungsvorbehalt der B bezog sich auf „Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag“, sodass der Wortlaut dafür spricht, dass kein Zustimmungsvorbehalt für Sekundäransprüche besteht. Die Abtretung geht aber ins Leere, da aufgrund eines fehlenden Schadens der Kunde keinen Anspruch gegen B hat. Die Drittschadensliquidation: • Anspruch ohne Schaden • Schaden ohne Anspruch • Zufälligkeit d. Verlagerung des Schadens Streng genommen kommt es hier bereits auf die Zufälligkeit nicht an. Es fehlt an einer Schadensverlagerung an sich. Nach Auffassung des Gerichts ist zu keinem Zeitpunkt ein Schaden beim Kunden eingetreten, da die nicht gem. § 675j BGB autorisierte Zahlungsanweisung der Straftäter wegen § 675u BGB keinen Erstattungsanspruch aus dem Auftragsverhältnis zwischen dem Kunden und der K begründet. Siehe hierzu das Fazit. zwischen der B und dem Kunden rechtlich beteiligt. Ein Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß § 328 I BGB liegt nicht vor. Entsprechendes gilt bezüglich Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte. Es fehlt bereits an der erforderlichen Leistungsnähe der K zum Vertragsverhältnis zwischen dem Kunden und B. Erforderlich wäre, dass K [12] (…) nach Sinn und Zweck des Vertrages („bestimmungsgemäß“) derart mit einer vertraglichen Leistung in Berührung kommen, dass sie den gleichen Gefahren ausgesetzt sind wie der Gläubiger dieser Leistung und deshalb nach Treu und Glauben ebenso wie dieser zu schützen sind (…). Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Pflicht der Beklagten, vor Ausgabe der sogenannten Ultracard eine sorgfältige Identitätsprüfung vorzunehmen, (…), dient allein dem Interesse des Anschlussinhabers vor missbräuchlicher Nutzung seiner Rufnummer. (…) Demgegenüber entspricht es nicht der „Bestimmung“ der Pflicht zur Identitätsprüfung, an dem Vertrag nicht beteiligten Dritten die Möglichkeit zu verschaffen, hochsensible Daten, welche den Zugriff auf ein bestehendes Bankkonto ermöglichen, über die Telefonleitung im Wege der SMS zu versenden. Der K steht kein Schadensersatzanspruch gegen B aus abgetretenem Recht gemäß §§ 280 I, 241 II, 398 BGB zu. Es kann dahinstehen, ob die Abtretung des behaupteten Anspruches durch den Kunden an die K wirksam oder aufgrund der fehlenden Zustimmung der B unwirksam ist. Ein Anspruch des Kunden gegenüber B besteht bereits nicht. [19] (…) Der Kunde hat durch die etwaige Pflichtverletzung der Beklagten keinen Schaden erlitten. Im Verhältnis zur Beklagten war diese nämlich gemäß § 675u Satz 2 BGB zur Stornobuchung verpflichtet. (…). Dies hat die Klägerin auch getan mit der Folge, dass bei dem Kunden kein wirtschaftlicher Schaden eingetreten ist. Jura Intensiv Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht aus dem Grundgedanken der Drittschadensliquidation. Zwar liegt ein Schaden bei K in Höhe von 75.000 € vor und der Kunde hat dem Grunde nach einen Anspruch gegen die B im Falle einer Pflichtverletzung; es fehlt aber an einer rechtlich zufälligen Schadensverlagerung. [21] Durch die von den Tätern angestoßene Überweisung (…) ist nämlich zu keinem Zeitpunkt ein Schaden im Vermögen des Kunden eingetreten, der sich auf die Klägerin verlagert haben könnte. Bei einer vom Zahlungsdienstnutzer verlangten Überweisung schuldet dieser seinem Zahlungsdienstleister nach §§ 675c Abs. 1, 670 BGB Erstattung des für die Überweisung notwendigen Geldbetrages als Aufwendungsersatz. Bei der hier vorliegenden unbaren Überweisung verschafft sich die überweisende Bank den Überweisungsbetrag durch die Belastungsbuchung (…). Die von den Straftätern veranlasste Überweisung berührte also nicht unmittelbar das Vermögen des Kunden, da die Überweisung aus dem Vermögen des Zahlungsdienstleisters erfolgt und dieser dadurch einen Aufwendungsersatzanspruch erwirbt, dies jedoch nur, wenn die Überweisung tatsächlich von dem Kunden veranlasst worden ist. (…) Hier jedoch haben die Täter die Klägerin getäuscht, indem diese durch © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2021 Referendarteil: Zivilrecht 187 die Verwendung der TAN sowie der weiteren Zugangsdaten gegenüber der Klägerin den Anschein der Autorisierung einer Überweisung gesetzt haben. Tatsächlich lag diese Autorisierung nicht vor, so dass der Kunde von vornherein mangels Veranlassung des Zahlungsvorganges im Rahmen des mit der Klägerin bestehenden Zahlungsdienstevertrages niemals Erstattung der Aufwendungen in Höhe des Überweisungsbetrages aus §§ 675c Abs. 1, 670 BGB geschuldet hat. [22] Im Ergebnis hat die etwaige Pflichtverletzung seitens der Beklagten weder dazu geführt, dass die Straftäter unmittelbar Zugriff auf das Vermögen des Kunden genommen haben noch, dass durch ihr Verhalten ein Anspruch gegenüber dem Kunden entstanden ist. Somit hat sich nicht etwa ein Schaden des Kunden auf die Klägerin verlagert, sondern der Kunde war von vornherein in keiner Hinsicht in seinem Vermögen beeinträchtigt. (…) Eine Beeinträchtigung des Kundenvermögens ist erst dadurch erfolgt, dass die Klägerin zu Unrecht die Belastungsbuchung vorgenommen hat. Die Drittschadensliquidation findet jedoch nur dann Anwendung, wenn ohne eine entsprechende vertragliche Vereinbarung oder gesetzliche Vorschrift der Schaden nicht verlagert worden wäre. Die sich aus § 675u BGB ergebende Pflicht zur Rückgutschrift ist aber insoweit keine zufällige Schadensverlagerung, als diese lediglich die ohnehin geltende Rechtsfolge anordnet, dass eine mangels Aufwendungsersatzanspruches erfolgte Belastung des Kontos des Kunden rückgängig zu machen ist. [23] Die Klägerin ist demnach nicht Dritte im Sinne der Drittschadensliquidation, auf die sich ein Schaden aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung oder vertraglichen Vereinbarung aus der Sicht des Schädigers zufällig verlagert hat. Vielmehr ist die Klägerin lediglich mittelbar Geschädigte. Infolge der behaupteten Pflichtverletzung seitens der Beklagten war es den Tätern nämlich möglich, die Klägerin zu täuschen, indem sie ihr gegenüber den Anschein einer wirksamen Autorisierung durch den Kunden gesetzt haben. Lediglich mittelbar Geschädigte haben zur Vermeidung einer ausufernden Haftung jedoch nach den Grundgedanken des deutschen Schadensersatzrechts grundsätzlich keinen Ersatzanspruch gegen den Schädiger. Aufgrund dieser Wertung verbietet sich die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation im vorliegenden Fall. Jura Intensiv Zum selben Ergebnis führt der Schutzzweck des § 675u BGB. Im Rahmen der Drittschadensliquidation wird der Schaden zum Anspruch gezogen, sodass in dem hier vorliegenden Fall der Kunde den Schaden der Klägerin geltend machen müsste. Sinn und Zweck des § 675u BGB ist es jedoch, den Kunden aus sämtlichen Streitigkeiten herauszuhalten. Dies gewährleistet die Vorschrift, indem sie ihm gegen die Bank einen Anspruch auf unverzügliche Rückbuchung des seinem Konto belastenden Betrages gewährt. Zudem scheidet eine Haftung der B im Verhältnis zur K unter dem Aspekt des Handelns der Klägerin auf eigene Gefahr aus. [29] Im Ergebnis nutzt die Bank für das Online-Banking ein bestehendes Vertragsverhältnis des Kunden zu seinem Anbieter, an dem die Bank nicht beteiligt ist, demnach also dem Anbieter keine gesonderte Vergütung für seine besonders gefahrenträchtige Inanspruchnahme zahlt. Durch die Versendung der TAN schafft die Bank Der Schaden ist folglich nur mittelbar beim Kunden eingetreten, weil die Bank die fälschlicherweise als Kundenauftrag angenommene Überweisung ausführte. Weil sie nicht autorisiert war, musste die Bank gem. § 675u BGB den Kontostand wieder auf den Stand vor der Abbuchung bringen. Gemeint ist: Unmittelbar beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung des Vermögens des Kunden erfolgte erst aufgrund der ebenfalls rechtswidrigen Belastung des Kontos des Kunden durch die K. Weitere Erläuterung im Fazit. Entscheidendes Argument des Senates: Die Schadensverlagerung auf die Bank erfolgt nicht zufällig, sondern aufgrund der gesetzlichen Wertung des § 675u BGB. Es hätte ein Schaden bei K eintreten müssen. K gilt nach Ansicht des Gerichts nur als „mittelbar Geschädigte“, was für die Anwendung der Drittschadensliquidation nicht ausreichen soll. Dieser Begriff ist unpräzise. Richtigerweise sollte man die „Zufälligkeit“ der Schadensverlagerung mit Blick auf die klaren und differenzierten Risikozuweisungen nach den §§ 675u, 675v, 675w BGB verneinen. Wer Kunden den Risiken des Onlinebankings aussetzt, trägt das Risiko krimineller Handlungen wie Phishing, Skimming oder des Einsatzes von Ultracards. Keine Erweiterung der Drittschadensliquidation auf mittelbar Geschädigte Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 675u BGB den Kunden in diesen Fällen von Rechtsstreitigkeiten ausschließen. Die Bejahung der Voraussetzungen der Drittschadensliquidation würde diesen Schutzzweck zudem umgehen. Letzter Prüfungspunkt: Ausschluss eines Anspruches aus dem Rechtsinstitut des Handelns auf eigene Gefahr als schuldhafte Selbstgefährdung i. S. d. § 254 BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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