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RA Digital - 04/2021

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190 Referendarteil:

190 Referendarteil: Zivilrecht RA 04/2021 Klassische Prüfung einer sofortigen Beschwerde. Die Beschwerde muss zulässig und begründet sein. Sie ist begründet, wenn die erstinstanzliche – angegriffene – Entscheidung wiederum zulässig und begründet war. Funktionale Zuständigkeit am Amtsgericht: Der Rechtspfleger gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m §§ 829, 828 ZPO, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 829 Rn 52 Die Pfändung muss dem Bestimmtheitsgebot gerecht werden. Eine Bestimmbarkeit reicht grundsätzlich aus. BGH, Urteil vom 27.4.2017, IX ZR 192/15 Das sogenannte Arrestatorium gemäß § 829 I 1 ZPO OLG Oldenburg, Urteil vom 31.05.2012, 8 U 43/12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.04.2000 – 26 W 169/99; Thomas/Putzo/Seiler, § 829 Rn 26 Etwas anderes ist der Norm nicht zu entnehmen. Soll es auf den exakten Wortlaut ankommen, regelt dies der Gesetzgeber. So bspw. in § 725 ZPO. LG Dortmund, Beschluss vom 18.06.2019, 7 O 72/17 Ansonsten wäre § 829 I 1 ZPO auch rein deklaratorisch und entbehrlich. Dem steht aber der Wortlaut entgegen, wonach das Gericht „zu verbieten“ hat. II. Die zulässige sofortige Beschwerde gemäß §§ 793, 567 I Nr. 1 ZPO ist unbegründet. Die Beschwerde ist gemäß § 569 I 2 ZPO fristgerecht eingelegt worden. Sie ist zudem statthaft. Der Beschluss des Amtsgerichts gemäß §§ 829, 828 I, II ZPO ist eine Entscheidung, die ohne mündliche Verhandlung erging. Ebenfalls besteht das erforderliche Rechtsschutzinteresse des G. Dieses besteht von Beginn bis zur vollständigen und – hier nicht erfolgten – Beendigung der Zwangsvollstreckung. Der Antrag auf Überweisung zur Einziehung gem. § 835 I Alt. 1 ZPO wurde zu Recht zurückgewiesen. Eine wirksame Pfändung liegt nicht vor. Erstens liegt ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor. [17] (…) Hierfür ist regelmäßig der Rechtsgrund des zu pfändenden Anspruchs in allgemeinen Umrissen zu bezeichnen. Fehlende Angaben zum Rechtsgrund schaden ebenso wenig wie nichtssagende Bezeichnungen, sofern eine sachgerechte Auslegung ergibt, welche bestimmte Forderung gemeint ist (vgl. BGH (…)). Die Pfändung „sämtliche[r] mögliche[r] weitere[r] Ansprüche“ im Arrestbefehl vom 13.6.2017 gegen verschiedene Drittschuldner entspricht diesen Anforderungen nicht und ist daher mangels Bestimmtheit unwirksam. Zweitens genügt der Arrestbefehl vom (…) nicht den inhaltlichen Anforderungen, denn es fehlt jeweils das an die Drittschuldner zu richtende Verbot nach §§ 930 I 2, 829 I 1 ZPO, an den Schuldner zu zahlen. [19] Gemäß § 829 I 1 ZPO hat im Fall der Pfändung einer Geldforderung das Gericht dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung sowie im Schrifttum, die der Senat teilt, ist der Ausspruch des Arrestatoriums für die Wirksamkeit der Forderungspfändung konstitutiv. Fehlt es an einem solchen Ausspruch, ist die Forderungspfändung – was auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Abrede gestellt wird – unwirksam. Jura Intensiv Nicht erforderlich ist die Verwendung des Wortlautes des § 829 I 1 ZPO. Ausreichend ist, dass sich das Arrestatorium nach Auslegung des Beschlusses ergibt. [20] (…) Allerdings ist bei Ausspruch des Zahlungsverbots nicht zwingend der Gesetzeswortlaut zu verwenden. Ob der konkrete Wortlaut einer Pfändungsentscheidung den Anforderungen genügt, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Formulierung, dass „in Vollziehung des Arrests“ gepfändet wird. Aus der Pfändung an sich ergibt sich das Verfügungsverbot des Drittschuldners gerade nicht. [21] Soweit die Rechtsbeschwerde unter Verweis auf den Beschluss des LG Dortmund vom 18.6.2019 (7 O 72/17) die Auffassung vertritt, das Arrestatorium liege in der Formulierung im Arrestbefehl, dass die Forderungen „in Vollziehung des Arrests […] gepfändet“ werden, da diese auf § 930 I ZPO beruhe, welcher wiederum in seinem Satz 2 auf die allgemeinen Grundsätze der Pfändung und damit auf § 829 I 1 ZPO verweise, genügt dies nicht. In der Erklärung allein, dass ein bestimmter © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2021 Referendarteil: Zivilrecht 191 Anspruch gepfändet ist, liegt das Drittschuldnerverbot noch nicht. Das Arrestatorium dient dazu, dem Drittschuldner erkennbar zu machen, welches Verhalten von ihm erwartet wird (…), und in materieller Hinsicht die Folgen entsprechend § 407 BGB herbeizuführen (…). Für den durchschnittlichen Drittschuldner, auf dessen Verständnismöglichkeiten es ankommt, ist durch die genannte Formulierung nicht ersichtlich, dass damit auf die – nicht ausdrücklich genannten – Vorschriften in §§ 930 I 2, 829 I 1 ZPO Bezug genommen wird. Unerheblich ist, dass die Pfändungen sich nicht ausschließlich auf Geldforderungen bezogen. Das in § 829 I 1 ZPO normierte Arrestatorium gilt nicht nur für Pfändungen in Geldforderungen, sondern für sämtliche Forderungen im Sinne des § 857 I ZPO. Der Wortlaut der Norm verweist ausdrücklich auf die vorstehenden Normen und damit auch auf § 829 I 1 ZPO. [23] Gemäß § 857 I ZPO gelten für die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte die §§ 828 ff. ZPO und somit auch § 829 I 1 ZPO entsprechend. Von dem Ausnahmefall des § 857 II ZPO abgesehen, bedarf es daher grundsätzlich eines Arrestatoriums. Gegenüber dem Drittschuldner ist ein den Besonderheiten des Pfändungsgegenstands Rechnung tragendes Verbot auszusprechen, Zahlungen oder in anderer Weise Leistungen an den Schuldner zu erbringen oder beispielsweise die notwendige Mitwirkung an etwaigen, dem Verbot des § 829 I 2 ZPO zuwiderlaufenden Verfügungen des Schuldners zu unterlassen. Dies gilt auch für die Pfändung einer Grundschuld. Auch hier hätte es zur Wirksamkeit der Pfändung im Arrestbefehl vom (…) daher eines Arrestatoriums bedurft. [26] Auf die Zwangsvollstreckung in eine Grundschuld sind gem. § 857 VI ZPO die Vorschriften über eine Zwangsvollstreckung in eine Forderung, für die eine Hypothek besteht, entsprechend anzuwenden, mithin erfolgt die Pfändung gem. § 830 ZPO. Nach § 830 I ZPO erfordert die Pfändung einer Buchgrundschuld neben der Eintragung im Grundbuch zur Wahrung des sachenrechtlichen Publizitätsgrundsatzes einen Pfändungsbeschluss, der den Anforderungen des § 829 I ZPO entspricht. Jura Intensiv Nichts anderes gilt für die Pfändung in den Geschäftsanteil einer GmbH. [30] Bei der Pfändung des Geschäftsanteils an einer GmbH, welcher dem Inhaber die Mitgliedschaft in dieser Gesellschaft vermittelt, handelt es sich um die Pfändung eines anderen Vermögensrechts iSv § 857 I ZPO. Für derartige Rechte trifft das Gesetz keine speziellen Regelungen, sondern bestimmt die entsprechende Anwendung der §§ 829 ff. ZPO, also insbesondere von § 829 I 1 ZPO (…). Drittschuldnerin ist die GmbH, weil an ihrem Vermögen das Anteilsrecht besteht und ihre Rechtsstellung durch die Pfändung berührt wird (Stöber/Rellermeyer, Rn. E 187). Die Pfändung erfasst den Geschäftsanteil nach § 3 I Nr. 4 GmbHG, der nach § 15 I GmbHG veräußerlich ist. [33] Welche Art der Verwertung im Streitfall denkbar wäre, kann dahinstehen, da dies auf die Notwendigkeit des Ausspruchs des Arrestatoriums keinen Einfluss hat. Der Drittschuldnerin hätte jedenfalls verboten werden müssen, an die Schuldnerin auf Ansprüche zu zahlen, die dieser als Gesellschafterin aus ihrem Vermögensstammrecht zustehen. Mit der Entscheidung, dass der Drittschuldner nicht mehr an den Schuldner zahlen darf, wird die Rechtsposition des Gläubigers gesichert, da der Drittschuldner nicht mehr befreiend leisten kann, § 407 I BGB. Dies ist auch gegenüber dem Drittschuldner interessengerecht, dass diesem verständlich gemacht wird, dass er an den Schuldner nicht mehr zahlen darf. BVerfG, Beschluss vom 11.07.2014, 2 BvR 2116/11 Kein „Hexenwerk“: Erfolgt eine Pfändung in eine Grundschuld, ergibt die Verweisungskette, dass hier ebenfalls ein Pfändungsbeschluss vorliegen muss und damit wiederum ein Arrestatorium. § 857 VI ZPO verweist auf § 830 ZPO, welcher wiederum in § 830 I 1 ZPO mit „außer dem Pfändungsbeschluss“ auf § 829 ZPO verweist. Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 857 Rn 9 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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