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RA Digital - 04/2021

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

§ 7 Rechte der

§ 7 Rechte der Versammlungsleitung Ein Versammlungsausschluss nach § 7 IV VersFG BE ist kein Hoheitsakt und darf auch nicht von der Versammlungsleitung mit körperlicher Gewalt durchgesetzt werden. Es ist dann vielmehr Sache der Polizei, mit den ihr nach dem VersFG BE zur Verfügung stehenden Mitteln die Durchführung der Versammlung zu sichern (AbgH-Drs. 18/2764, S. 31). § 9 Waffen- und Uniformverbot Im Gegensatz zu § 2 III VersammlG des Bundes normiert § 9 I VersFG BE ein striktes Waffenverbot, das sich auch auf Personen erstreckt, die selbst nicht Teilnehmende von Versammlungen sind. Daher ist ein Einsatz bewaffneter Ordner/innen oder privater Personenschützer/innen nicht möglich (AbgH-Drs. 18/2764, S. 32f.). § 10 Anwendbarkeit des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes § 10 VersFG BE ist eine sehr examensrelevante Norm, die das Verhältnis des VersFG BE zum ASOG Bln klärt. Danach haben die Bestimmungen des VersFG BE als spezielles Polizeirecht Vorrang vor dem ASOG Bln (sog. Polizeifestigkeit von Versammlungen). Konkret betrifft das Maßnahmen, die sich gegen die Gesamtversammlung richten wie §§ 12, 14, 22 VersFG BE (AbgH-Drs. 18/2764, S. 34). Geht es hingegen um Eingriffsmaßnahmen gegenüber einzelnen Versammlungsteilnehmern ist das ASOG Bln gem. § 10 I VersFG BE subsidiär anwendbar. Dabei handelt es sich bei § 10 I VersFG BE um einen Rechtsgrundverweis, d.h. neben der von § 10 I VersFG BE verlangten unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit müssen auch alle sonstigen Anforderungen der jeweils einschlägigen Ermächtigungsgrundlage aus dem ASOG Bln erfüllt sein (AbgH-Drs. 18/2764, S. 34). Die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit beruht demnach auf § 10 I VersFG BE und nicht auf den Befugnisnormen des ASOG Bln. Das hat zur Folge, dass die in § 66 ASOG Bln zitierten eingeschränkten Grundrechte nicht um Art. 8 GG ergänzt werden mussten. § 10 III VersFG BE normiert die sog. Vorfeldmaßnahmen und stellt sicher, dass Maßnahmen nach anderen Gesetzen (z.B. dem ASOG Bln), die auf die Untersagung der Teilnahme an einer Versammlung gerichtet sind, erst im Anschluss an einen förmlichen Ausschluss von der Versammlung nach §§ 16 I, 22 VersFG BE zulässig sind (AbgH-Drs. 18/2764, S. 35). Die besonders prüfungsrelevanten Vorfeldmaßnahmen der Durchsuchung und Identitätsfeststellung sind im Übrigen in §§ 17, 24 VersFG BE ausdrücklich geregelt. § 12 Anzeige- und Veröffentlichungspflicht Zunächst ein Hinweis zur Terminologie: Versammlungen werden nicht mehr wie bisher angemeldet (vgl. § 14 I VersammlG des Bundes), sondern angezeigt. Diese Anzeigepflicht gilt gem. § 12 I 1 VersFG BE nur für öffentliche Versammlungen i.S.v. § 2 II VersFG BE. Nach § 12 IV VersFG BE muss der Einsatz von Ordner/innen nicht mehr von der zuständigen Behörde genehmigt werden (anders § 18 II VersammlG des Bundes). § 12 VI, VII VersFG BE regelt ausdrücklich die Eil- und Spontanversammlung und die dabei geltenden Ausnahmen von der Anzeigepflicht. Auch hier handelt es sich lediglich um eine Kodifizierung der Rechtsprechung des BVerfG. Jura Intensiv § 13 Erlaubnisfreiheit Diese Bestimmung schließt es aus, dass eine Versammlung indirekt unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt wird, weil sie z.B. einer straßen-, straßenverkehrsrechtlichen oder umweltrechtlichen Genehmigung bedarf. Das gilt aber nur für ein Verhalten, das unmittelbar der Durchführung einer Versammlung dient (z.B. Aufbau eines Podiums an einem öffentlichen Platz für den Abschluss eines Aufzugs). Nicht erfasst sind von § 13 VersFG BE Verhaltensweisen, die nur anlässlich einer Versammlung erfolgen wie das Aufstellen kommerzieller Werbestände an einer Aufzugsstrecke oder das Verteilen von Werbematerial in einer Versammlung (AbgH-Drs. 18/2764, S. 38f.). zum Herausnehmen § 14 Beschränkungen, Verbot, Auflösung Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung wurde vom Gesetzgeber gestrichen, kann also keine Eingriffe mehr rechtfertigen. Weiterhin hat der Landesgesetzgeber den in § 15 I VersammlG des Bundes verwendeten Begriff der Auflage durch den Begriff der Beschränkung ersetzt. Schließlich ist die in § 15 III VersammlG des Bundes normierte Möglichkeit, eine Versammlung wegen fehlender Anmeldung aufzulösen, in § 14 VersFG BE nicht zu finden. Das entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, wonach eine fehlende Anmeldung alleine die Auflösung einer Versammlung nicht rechtfertigen kann (AbgH-Drs. 18/2764, S. 42). § 14 II 1 Nr. 1 VersFG BE entspricht im Wesentlichen dem § 130 I StGB, § 14 II 1 Nr. 2 VersFG BE entspricht im Wesentlichen dem § 130 IV StGB. Beide Regelungen haben lediglich klarstellende Wirkung, weil Verstöße gegen das StGB eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründen und damit bereits nach § 14 I VersFG BE ein behördliches Einschreiten möglich ist (AbgH-Drs. 18/2764, S. 39f.). § 14 II 2 VersFG BE ist quasi der Ersatz für den Wegfall des Schutzguts der öffentlichen Ordnung in § 14 I VersFG BE.

Anders als in § 14 II 1 VersFG BE wird nicht an den Inhalt von Meinungsäußerungen angeknüpft, sondern an die Art und Weise der Kundgebung einer Meinung. Der Gesetzgeber hat hier an aggressive und einschüchternde Begleitumstände einer Versammlung gedacht wie z.B. dem Marschieren im Gleichschritt eines Trommelschlags (AbgH-Drs. 18/2764, S. 41). Ein Verbot oder die Auflösung der Versammlung dürfte in diesem Fall aber die Ausnahme sein, regelmäßig sollten sonstige Beschränkungen ausreichen, um die Gefahr abwenden zu können, vgl. § 14 III VersFG BE (AbgH-Drs. 18/2764, S. 41). Der ebenfalls sehr prüfungsrelevante § 14 IV VersFG BE regelt ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen eine friedliche Ausgangsversammlung beschränkt werden darf, wenn die Gefahr von Dritten verursacht wird (z.B. von gewaltbereiten Gegendemonstranten). Die Vorschrift ist lex specialis zu § 16 ASOG Bln. § 14 VI 3 VersFG BE normiert jetzt ausdrücklich das Verbot, anstelle einer aufgelösten Versammlung eine Ersatzversammlung am gleichen Ort durchzuführen. Für die Beurteilung, ob eine Ersatzversammlung vorliegt, ist maßgeblich auf den Teilnehmenden- und Organisationskreis sowie auf das Thema der Versammlung abzustellen (AbgH-Drs. 18/2764, S. 42). zum Herausnehmen § 16 Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen § 16 I VersFG BE erfasst den Zeitraum vor Beginn der Versammlung, § 16 II VersFG BE den Zeitraum ab Durchführung der Versammlung. Erfasst sind auch Nichtteilnehmer der Versammlung (vgl. § 16 I VersFG BE „Teilnahme an oder Anwesenheit in“). Hintergrund ist, dass die zuständige Behörde in der konkreten Einsatzsituation oftmals nicht sicher zwischen Teilnehmenden einer Versammlung und Dritten unterscheiden kann. Das ist auch der Grund, warum für Maßnahmen gegen Nichtteilnehmende die gleichen Voraussetzungen gelten wie für Maßnahmen gegen Teilnehmende, obwohl Nichtteilnehmende sich gar nicht auf Art. 8 GG berufen können (AbgH-Drs. 18/2764, S. 35, 43f.). § 17 Durchsuchung und Identitätsfeststellung Durchsuchung und Identitätsfeststellung sind klassische Maßnahmen im Vorfeld einer Versammlung (sog. Vorfeldmaßnahmen), deren Zulässigkeit jetzt ausdrücklich in § 17 VersFG BE normiert ist. Damit entfällt das bisherige Problem, ob und inwieweit das allgemeine Polizeirecht zur Anwendung kommt. Ausdrücklich hingewiesen sei darauf, dass § 17 I 3 VersFG BE nur für die Durchführung der Durchsuchung auf das ASOG Bln verweist, nicht hingegen bzgl. der Voraussetzungen für die Durchsuchung (diese ergeben sich aus § 17 I 1 VersFG BE). § 19 Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot Im Gegensatz zu § 17a I, II VersammlG des Bundes ist nicht schon das Mitsichführen, sondern nur das Verwenden der in § 19 I VersFG BE genannten Gegenstände verboten. Zudem bedarf es gem. § 19 II VersFG BE eines Verwaltungsakts, der die verbotenen Gegenstände benennt, um das Verbot durchsetzen zu können. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Alltagsgegenstände wie Fahrradhelme und Regenschirme nicht im Vorfeld einer Versammlung pauschal verboten werden dürfen, sondern nur, wenn sie im Laufe der Versammlung tatsächlich entgegen § 19 I VersFG BE eingesetzt werden (AbgH-Drs. 18/2764, S. 47). Jura Intensiv § 20 Privatrechtlich betriebene öffentliche Verkehrsflächen Diese Vorschrift ist ebenfalls von ganz erheblicher Prüfungsrelevanz, weil § 20 I VersFG BE der Umsetzung der sog. Fraport-Entscheidung des BVerfG (BVerfG, Urteil vom 22.2.2011, 1 BvR 699/06) und § 20 II VersFG BE der Umsetzung des sog. Bierdosenflashmob-Beschlusses des BVerfG (Beschluss vom 18.7.2015, 1 BvQ 25/15) dient. Der Gesetzgeber hat hier Einkaufszentren, Ladenpassagen und sonstige Begegnungsstätten vor Augen (AbgH-Drs. 18/2764, S. 48). Entscheidend ist, dass die Verkehrsflächen der Allgemeinheit geöffnet sind. Daran fehlt es, wenn der Zugang zu der Fläche oder dem Ort individuell kontrolliert und nur für einzelne, begrenzte Zwecke gestattet wird (AbgH-Drs. 18/2764, S. 48). § 20 II VersFG BE ist Ausdruck der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Zivilrecht. Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass die in § 20 I, II VersFG BE genannten Flächen zwar grundsätzlich Versammlungen offenstehen, jedoch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 VersFG BE Eingriffe in die Versammlungsfreiheit bis zum Verbot bzw. der Auflösung möglich sind. Insbesondere die Sicherung von Betriebsabläufen kann im Einzelfall einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit rechtfertigen (AbgH-Drs. 18/2764, S. 49). § 21 Einladung, Ausschluss § 21 VersFG BE gilt nur für öffentliche Versammlungen, weil der Teilnehmerkreis bei nichtöffentlichen Versammlungen ohnehin beschränkt ist, vgl. § 2 II VersFG BE. Weiterhin gilt § 21 VersFG BE nur für Versammlungen in geschlossenen Räumen, weil das Schutzbedürfnis, unter sich bleiben zu können, bei Versammlungen unter freiem Himmel geringer ist (AbgH-Drs. 18/2764, S. 50). Die mit einer öffentlichen Versammlung angestrebte Offenheit, insbesondere die Ausrichtung auf die Öffentlichkeit, rechtfertigt die in § 21 II VersFG BE garantierte Anwesenheit von Medienvertretern (AbgH-Drs. 18/2764, S. 50).

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