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RA Digital - 05/2016

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250 Nebengebiete

250 Nebengebiete RA 05/2016 LEITSATZ Gilt in einem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Ausschlussfrist, innerhalb derer ein Anspruch gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden muss, reicht es zur Fristwahrung nicht aus, dass das Anspruchsschreiben vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist und dem Anspruchsgegner ggf. später zugestellt wird. Entscheidend ist der Zugang beim Anspruchsgegner selbst. § 167 ZPO findet für die Wahrung einer einfachen tariflichen Ausschlussfrist bei der außergerichtlichen Geltendmachung keine Anwendung. Vergleich mit der Sachlage bei § 253 ZPO § 167 ZPO gilt aber bei Klagen gem. § 15 IV AGG (BAG, Urteil vom 22.5.2014, 8 AZR 662/13) LÖSUNG Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Landes hatte Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der geltend gemachten Vergütungsdifferenz. Ein etwaig bestehender Anspruch ist verfallen, weil der Kläger ihn nicht innerhalb von sechs Monaten schriftlich gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat. § 167 ZPO, wonach in bestimmten Fällen eine Frist bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung gewahrt werden kann, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, ist auf tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, nicht anwendbar. Gilt in einem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Ausschlussfrist, innerhalb derer ein Anspruch gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden muss, so reicht es zur Fristwahrung nicht aus, dass das Anspruchsschreiben in Form der Klageschrift vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist. Die Klage muss vielmehr auch noch innerhalb der Frist dem Anspruchsgegner zugestellt werden. Entscheidend ist der Zugang beim Anspruchsgegner selbst. Der Gläubiger ist auf den „Umweg“ der gerichtlichen Zustellung – anders als z.B. bei der „Erhebung“ der Klage gem. § 253 ZPO – nicht angewiesen. Er hat es selbst durch schriftliche Geltendmachung direkt beim Arbeitgeber in der Hand, für die Einhaltung der Ausschlussfrist zu sorgen. Bedient er sich dennoch des (Um-)Weges über das Gericht, so hat sich der Gläubiger einer Forderung den Zeitverlust durch die – in der Sache nicht zwingend erforderliche – Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen. Die Ausschlussfrist wurde daher in dem konkreten Fall nicht gewahrt. Die Forderung des Klägers hätte bis zum 30. Dezember 2013 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht werden müssen. Der Eingang der Klageschrift bei Gericht am 18. Dezember 2013 reichte zur Fristwahrung nicht aus. Die Zustellung der Klageschrift bei dem beklagten Arbeitgeber am 7. Januar 2014 war verspätet und die Klage daher abzuweisen. Jura Intensiv FAZIT Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des 8. Senats für die Frist für Klagen auf Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 IV AGG. Seine frühere Rechtsprechung, wonach § 167 ZPO auf diese Frist keine Anwendung findet, hat der 8. Senat inzwischen aufgegeben. Für eine rechtzeitige und der Schriftform genügende Klageerhebung reiche es nach § 167 ZPO aus, wenn die AGG-Klage innerhalb von zwei Monaten bei Gericht eingehe und „demnächst“ zugestellt werde. § 15 IV AGG erfordere nicht, dass der Anspruch zunächst außergerichtlich schriftlich erhoben werde; vielmehr könne die Schriftform auch durch eine Klage gewahrt werden. Auf eine derartige Klage findet § 167 ZPO Anwendung. Danach kann eine Frist bereits mit dem Eingang des Antrags bei Gericht gewahrt werden, wenn die Zustellung „demnächst” erfolgt. Im Anschluss an die geänderte Rechtsprechung des BGH (NJW 2009, 765) geht das BAG davon aus, dass die Vorschrift grundsätzlich auch in allen Fällen anwendbar ist, in denen die Frist nicht nur durch eine Klage, sondern auch durch eine außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann; lediglich in Sonderfällen Inhaltsverzeichnis

RA 05/2016 Nebengebiete 251 sei von der gesetzlichen Rückwirkungsregelung abzusehen. Dafür spreche insbesondere ein Vergleich mit der Vorschrift des § 132 I 1 BGB, die eine entsprechende Rückwirkung im Fall der Zustellung einer Willenserklärung durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers vorsehe. Es sei nicht gerechtfertigt, im Fall einer Zustellung durch Vermittlung des Gerichts eine derartige Rückwirkung abzulehnen. Auch die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sprächen für eine Anwendung des § 167 ZPO. Wer mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wähle, müsse sich grundsätzlich darauf verlassen können, dass er mit der Einreichung seiner Klageschrift die Frist wahre. Es seien keine Gesichtspunkte im Streitfall ersichtlich, die ausnahmsweise ein anderes Ergebnis rechtfertigen. Der mögliche Anspruchsgegner einer Diskriminierungsklage soll sich zwar darauf verlassen können, dass nach Ablauf der Frist des § 15 IV AGG Ansprüche gegen ihn nicht mehr erhoben werden. Das Gesetz vermittelt insoweit aber keinen uneingeschränkten Vertrauensschutz. Denn auch mit dem Ablauf von zwei Monaten tritt kein umfassendes Ende der Möglichkeit einer Geltendmachung von Ersatzansprüchen ein. Das gilt etwa in Fällen, in denen der Benachteiligte erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von der Benachteiligung erlangt (vgl. § 15 IV 2 AGG) oder in den Fällen des § 15 V AGG. Schon in diesem Urteil zu § 15 IV AGG hat das BAG aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht verallgemeinerungsfähig ist. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 hatte das BAG bereits angenommen, dass tarifvertragliche Ausschlussfristen durch eine Klageerhebung nur dann gewahrt werden, wenn die Klageschrift dem Schuldner innerhalb der Ausschlussfrist auch zugestellt wird (BAG, BeckRS 1996, 30763918). Jetzt hat das BAG klar gestellt, dass dies nach wie vor gilt. Natürlich stellt sich nun die Frage, wie die unterschiedliche Behandlung beider Fälle (keine Geltung des § 167 ZPO bei [tariflichen] Ausschlussfristen, wohl aber Geltung bei AGG-Klagen) in einer Klausur begründet werden soll. Hierzu der folgende Hinweis: Gem. § 61b I ArbGG müssen Entschädigungsklagen nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Damit geht das Argument ins Leere, dass sich der Gläubiger „den Zeitverlust durch die – in der Sache nicht zwingend erforderliche – Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen“ habe. Jura Intensiv BAG, Urteil vom 25.09.1996, 10 AZR 678/95 Argument für die Klausur, um die unterschiedliche Behandlung beider Fälle rechtfertigen zu können. Inhaltsverzeichnis

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