Aufrufe
vor 7 Jahren

RA Digital - 05/2016

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Anspruch
  • Stgb
  • Grundschuld
  • Strafrecht
  • Auflage
  • Antragstellerin
  • Beklagten
Die monatliche Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv

266 Referendarteil:

266 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 05/2016 die Entscheidung in der Hauptsache vorweg genommen wird. Ohne Vorwegnahme der Hauptsache entstünde der Antragsgegnerin ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Nachteil. Anordnungsanspruch § 10 II 2 GemO Bad.-Württ.: „Die Einwohner sind im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde nach gleichen Grundsätzen zu benützen.“ Keine Ansässigkeit => kein Anspruch aus § 10 II 2 GemO Anspruch aus § 5 PartG i.V.m. Art. 3 I GG und Art. 21 I GG Voraussetzung: Veranstaltung ist Parteiveranstaltung Anspruch nicht durch aktuelle Benutzungsordnung ausgeschlossen Veranstaltungen von Gebietsverbänden auf Orts- und Kreisebene sind vom Widmungszweck erfasst. Einbindung der abzulehnenden Rechtsauffassung der Antragsgegnerin Subsumtion des konkreten Sachverhalts, warum hier ein „orts- oder kreispolitischer Bezug“ anzunehmen ist. Unklarheiten bei der thematischen Eingrenzung der zugelassenen Veranstaltungen gehen zu Lasten der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin kann sich auch auf einen Anordnungsanspruch berufen. Aus § 10 Abs. 2 Gemeindeordnung folgt ein […] Anspruch auf Überlassung der gemieteten Räumlichkeiten allerdings nicht. Die Antragsgegnerin weist insoweit zu Recht darauf hin, dass diese Vorschrift nur den Gemeindeeinwohnern und - vermittelt über § 10 Abs. 4 GemO - nur den in der Gemeinde ansässigen juristischen Personen bzw. Personenvereinigungen zusteht. Die Antragstellerin - als Kreisverband der ... - hat ihren Sitz aber nicht in ..., sondern in ... Ein Überlassungsanspruch folgt aber aus § 5 PartG i.V.m. § 3 Abs. 1 GG und Art. 21 Abs. 1 PartG. Nach diesen Vorschriften ist es geboten, politische Parteien gleich zu behandeln, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien kommunale Einrichtungen zur Nutzung zur Verfügung stellt. Entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin unterliegt es für das Gericht keinem Zweifel, dass die geplante Vortragsveranstaltung vom Normzweck des § 5 PartG umfasst ist, es sich mithin um eine Parteiveranstaltung handelt, welche die Antragstellerin in Ausübung ihres aus Art. 21 Abs. 1 GG folgenden Auftrags zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung - noch dazu im Vorfeld der nahen Landtagswahl - durchführt. Der genannte Gleichbehandlungsanspruch scheitert hier nicht daran, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Räume einer Nutzung durch politische Parteien generell […] entzogen hätte. Maßgeblich ist insoweit zunächst die Benutzungsordnung in der aktuellen Fassung, in welcher der (Widmungs-)Zweck, dem das ...-Haus als öffentliche Einrichtung dienen soll, zum Ausdruck kommt. Danach sind die streitgegenständlichen Räumlichkeiten einer Nutzung durch politische Parteien nicht entzogen. Jura Intensiv Vom Widmungszweck umfasst sind ausdrücklich Veranstaltungen, welche von Gebietsverbänden der Parteien i.S. von § 2 PartG auf Orts- und Kreisebene durchgeführt werden. Der antragstellende und in ... - mithin im Rhein-Neckar-Kreis - ansässige Kreisverband der ... ist ein solcher Gebietsverband. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin führt die Antragstellerin auch eine Veranstaltung mit „konkretem orts- oder kreispolitischem Bezug“ durch. Dieser Bezug folgt schon daraus, dass nicht die Bundespartei, sondern der Kreisverband der ... als Veranstalter auftritt und sich die Veranstaltung - zu der maximal 350 Teilnehmer erwartet werden - erkennbar an Parteimitglieder, Interessenten und potentielle Wähler aus Weinheim und Umgebung richtet. […] Soweit die Antragsgegnerin mit den Begriffen „orts- und kreispolitischer Bezug“ möglicherweise eine thematische Eingrenzung der in den Räumlichkeiten zugelassenen Veranstaltungen beabsichtigt haben sollte - etwa dergestalt, dass dort keine bundes- oder landespolitischen Themen, sondern ausschließlich kommunale Themen oder Kreisthemen angesprochen werden sollen - dürfte eine solche Abgrenzung in der Praxis kaum funktionieren, weil bundespolitische bzw. landespolitische Themen - zumal im nahen Vorfeld einer Landtagswahl - immer auch einen regionalen bzw. Inhaltsverzeichnis

RA 05/2016 Referendarteil: Öffentliches Recht 267 örtlichen Bezug zu den Wahlkreiskandidaten haben. Darüber hinaus dürfte eine solche thematische Eingrenzung in den Nutzungsbedingungen auch nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit zum Ausdruck kommen. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der hier in Rede stehenden Veranstaltung der notwendige „konkrete orts- oder kreispolitische Bezug“ fehlt, kann der Antragstellerin die erst durch die Neufassung der Benutzungsordnung vom 09.12.2015 eingetretene Einschränkung des Widmungszwecks nicht entgegen gehalten werden. Dies dürfte schon deshalb nicht möglich sein, weil die Antragsgegnerin zivilrechtlich nicht zum Vertragsrücktritt berechtigt war. Nach dem abgeschlossenen Mietvertrag […] ist die Benutzungsordnung in der jeweils gültigen Fassung Vertragsbestandteil geworden. Hierbei handelt es sich zwar um eine dynamische Bezugnahme, allerdings nicht in dem von der Antragsgegnerin dargelegten Sinne, dass damit der Mietvertrag auch noch nach Vertragsschluss einer einseitigen Änderungsbefugnis durch die Antragsgegnerin (vgl. § 315 BGB) unterläge, sofern es in dieser Zeit zu einer Veränderung der Benutzungsbedingungen durch den Gemeinderat kommt. Die Bezugnahme ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) vielmehr so zu verstehen, dass die jeweils im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages geltende Benutzungsordnung Vertragsbestandteil geworden ist, zumal es sich um eine Formulierung handelt, die als Bestandteil eines Formularmietvertrages bei der Antragsgegnerin ständig Verwendung finden dürfte. Ein „wichtiger Grund“ für einen Rücktritt nach Ziffer 8.1 und 8.2. der vertraglich vereinbarten Benutzungsordnung liegt hier nicht vor. Auch die Geschäftsgrundlage für den Mietvertrag (vgl. § 313 BGB) ist durch die Änderung der Benutzungsordnung am 09.12.2015 nicht entfallen, denn die Beschlussvorlage zu dem Änderungsvorhaben stammt bereits vom 04.11.2015. Trotz der im Raum stehenden Änderung hat die Antragsgegnerin am 25.11.2015 aber den Mietvertrag mit der Antragstellerin abgeschlossen. Jura Intensiv Unabhängig von der zivilrechtlich zu beurteilenden Frage des Vertragsrücktritts kann die zum 09.12.2015 erfolgte Änderung der Benutzungsordnung aber auch dem öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruch der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden. Denn solche nachträglichen Änderungen des Widmungszwecks dürfen nicht dazu führen, einen unliebsamen Benutzungsantrag abzulehnen. Eine ungerechtfertigte Ablehnung ist dann anzunehmen, wenn seitens der betroffenen Partei ein Antrag auf Überlassung der gemeindlichen Einrichtung bereits vorliegt und sich die Gemeinde durch die Änderung der Zweckbestimmung dieser Einrichtung dem naheliegenden Verdacht aussetzt, die Satzung nicht aus einem anzuerkennenden allgemeinen Grund geändert zu haben, sondern nur, um den Antrag ablehnen zu können. Ein solches Verfahren wäre mit der Pflicht der Gemeinden zur Gleichbehandlung der politischen Parteien nicht zu vereinbaren und hätte zur Konsequenz, dass ein bereits gestellter Antrag auf Nutzung einer gemeindlichen Einrichtung nach den bisher geltenden Grundsätzen entschieden werden müsste. Hilfserwägung: Einschränkung des Widmungszweck könnte Antragstellerin nicht entgegengehalten werden. 1. Zivilrechtliche Beurteilung: Antragsgegnerin war nicht zum Rücktritt berechtigt Vertragsbestandteil wurde die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Benutzungsordnung Wie immer ist der objektive Empfängerhorizont maßgeblich. Kein wichtiger Grund für Rücktritt Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage, da die Beschlussvorlage zu der Änderung der Benutzungsordnung bereits vor Abschluss des Mietvertrages vorlag. 2. Öffentlich-rechtliche Betrachtung: Geänderte Benutzungsordnung kann Zulassungsanspruch nicht entgegengehalten werden Änderung des Widmungszwecks darf nicht vorgenommen werden, um unliebsamen Benutzungsantrag ablehnen zu können. Änderung wirkt daher nur ex nunc. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.06.2010, 3 S 40.10, juris Rn 9; VGH Mannheim, Beschluss vom 11.05.1995, 1 S 1283/95, juris Rn 15 Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats